Entscheidungsstichwort (Thema)
Zumutbarkeit eines Zahlungsmittels bei erforderlicher Eingabe von PIN und TAN in Eingabemaske eines Zahlungsauslösedienstes
Leitsatz (amtlich)
1. Ein gängiges Zahlungsmittel ist im Regelfall auch zumutbar i.S.d. § 312a Abs. 4 Nr. 1 BGB.
2. Die Erforderlichkeit der Eingabe einer sog. Einmal-PIN und -TAN in die Eingabemaske eines Zahlungsauslösedienstes stellt die Zumutbarkeit dieser Zahlungsmethode i.S.d. § 312a Abs. 4 Nr. 1 BGB allein nicht in Frage, sofern keine konkreten Missbrauchsgefahren dargestellt und nachgewiesen werden.
3. Die Zumutbarkeit entfällt auch nicht im Hinblick auf den Umstand, dass Kunden mit ihren Banken Allgemeine Geschäftsbedingungen vereinbart haben, in denen die Weitergabe von PIN und TAN an andere als von der Bank mitgeteilte Online-Banking-Zugangskanäle untersagt wird. Diese in Ziff. 7.2, dritter Spiegelstrich enthaltene Regelung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen einiger Großbanken ist wegen Verstoßes gegen Art. 101 AEUV sowie §§ 1, 19 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 1, 2 Nr. 1 GWB nichtig.
4. Die Zielsetzung der Zahlungsdiensterichtlinie RL 2015/2366 EU spricht dafür, dass bereits vor Ablauf der Umsetzungsfrist Zahlungsauslösedienste als mit anderen kostenlosen Zahlungsmöglichkeiten im Internet gleichwertig eingeordnet werden.
Normenkette
BGB § 312a Abs. 4 Nr. 1; UKlaG §§ 2, 7; ZPO § 66; GWB § 1
Verfahrensgang
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des LG Frankfurt am Main - 6. Zivilkammer - vom 24.6.2015 abgeändert und die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin wird nachgelassen, die Vollstreckung der Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, sofern nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages geleistet.
Die Revision wird zugelassen.
Die Nebenintervention wird zurückgewiesen.
Gründe
I. Die Parteien streiten um die Zulässigkeit der seitens der Beklagten angebotenen Zahlungsmethoden für Online-Buchungen von Flugreisen durch Verbraucher, insbesondere über die Frage, ob es sich bei der für eine kostenlose Bezahlung erforderlichen Inanspruchnahme des Zahlungsauslösedienstes der Nebenintervenientin um eine gängige und zumutbare Zahlungsmöglichkeit im Sinne von § 312a Abs. 4 Nr. 1 BGB handelt. Die tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils werden insoweit gemäß § 540 Abs. 1 ZPO in Bezug genommen.
Das LG hat der Klage stattgegeben und zur Begründung ausgeführt, dass die von der Beklagten vorgesehenen Zahlungsmöglichkeiten nicht den Anforderungen des § 312a Abs. 4 Nr. 1 BGB genügten. Die Inanspruchnahme der Nebenintervenientin - als einziger kostenlosen Zahlungsmöglichkeit - stelle zwar eine gängige, jedoch keine zumutbare Zahlungsmöglichkeit dar. Es sei jedenfalls unzumutbar, dass der Verbraucher durch diese Zahlungsmethode nicht nur zu einem Dritten in vertragliche Beziehungen treten, sondern diesem Dritten auch noch Kontozugangsdaten mitteilen und in den Abruf von Kontodaten einwilligen müsse.
Auf die Frage der Kartellwidrigkeit der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Banken für den Online-Bereich komme es daher nicht an; es bestünde mangels Berührung europäischen Kartellrechts auch keine Veranlassung für eine Vorlage an den EuGH.
Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten, mit welcher sie ihren erstinstanzlichen Vortrag vertieft:
Sie ist der Ansicht, § 312a Abs. 4 Nr. 1 BGB verstoße gegen Unionssekundärrecht, da im Hinblick auf die mit der RL 2011/83/EU erstrebte Vollharmonisierung kein Raum für abweichende Vorschriften bestehe.
Sollte § 312a Abs. 4 Nr. 1 BGB wirksam sein, handele es sich bei dem Zahlungsauslösedienst der Nebenintervenientin jedenfalls um eine zumutbare Zahlungsmöglichkeit i.S.d. § 312a Abs. 4 Nr. 1 BGB. Grundsätzlich sei ein gängiges Zahlungsmittel auch zumutbar i.S.d. § 312a Abs. 4 NR. 1 BGB. Vorliegend habe das LG zutreffend die Gängigkeit der Einschaltung der Nebenintervenientin bejaht. Der Begriff der Zumutbarkeit sei darüber hinaus weit auszulegen. Maßgeblich sei insbesondere, ob ein einfacher Beschaffungsvorgang vorliege. Es müsse sich um ein Zahlungsmittel handele, welches üblicherweise zur Verfügung stehe; der Kunde müsse die realistische Möglichkeit haben, kostenfrei zu bezahlen. Auf abstrakte Missbrauchsgefahren komme es nicht an. Konkrete Missbrauchsgefahren seien auch von dem Kläger nicht aufgezeigt worden.
Aus den Allgemeinen Geschäftsbedingungen zahlreicher Großbanken zum Online-Banking folge bereits deshalb keine Unzumutbarkeit der Nutzung von Zahlungsauslösediensten, da diese Bedingungen wegen Verstoßes gegen Art. 101 Abs. 1 AEUV unwirksam seien. Zudem beinhalte die Nutzung der Zahlungsmöglichkeit der Nebenintervenientin bereits keinen Verstoß gegen...