Entscheidungsstichwort (Thema)

Urheberrechtliche Probleme im Zusammenhang mit elektronischen Leseplätzen in Bibliotheken

 

Leitsatz (amtlich)

1. Den Befugnissen aus § 52b UrhG stehen nur eine bereits erfolgte vertragliche Regelung entgegen; ein bloßes Vertragsangebot genügt nicht.

2. § 52b UrhG begründet eine Annex-Berechtigung für Bibliotheken zur Herstellung eines digitalen Vervielfältigungsstücks.

3. Die Schrankenregelung des § 52b UrhG erlaubt nicht, elektronische Leseplätze so einzurichten, dass deren Nutzer die Möglichkeit zu einer Vervielfältigung der zugänglich gemachten Werke haben.

 

Normenkette

UrhG § 52b Fassung: 2009-12-02

 

Verfahrensgang

LG Frankfurt am Main (Urteil vom 13.05.2009; Aktenzeichen 2/6 O 172/09)

 

Tenor

Auf die Berufung der Verfügungsklägerin wird das Urteil des LG Frankfurt/M. vom 13.5.2009, Aktenzeichen 2/6 O 172/09 teilweise abgeändert und zur Klarstellung wie folgt neu gefasst.

Der Verfügungsbeklagten wird bei Meidung eines Ordnungsgeldes von bis zu 250.000 EUR an dessen Stelle im Falle der Uneinbringlichkeit eine Ordnungshaft bis zu 6 Monaten tritt, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten für jeden einzelnen Fall der Zuwiderhandlung verboten, Nutzern der C zu ermöglichen, digitale Versionen der Werke, die im Verlag der Klägerin veröffentlicht sind, insbesondere die "..." von Z1, an elektronischen Leseplätzen der Bibliothek ganz oder teilweise auszudrucken und/oder auf USB-Sticks oder andere Träger für digitalisierte Werke zu vervielfältigen und/oder solche Vervielfältigungen aus den Räumen der Bibliothek mitzunehmen.

Im Übrigen wird der Verfügungsantrag zurückgewiesen.

Die weitergehende Berufung der Verfügungsklägerin wird zurückgewiesen.

Die Berufung der Verfügungsbeklagten wird zurückgewiesen.

Von den Gerichtkosten erster Instanz hat die Verfügungsklägerin ¾ und die Verfügungsbeklagte ¼ zu tragen.

Die außergerichtlichen Kosten der ehemaligen Antragsgegnerin zu 2) hat die Verfügungsklägerin vorab zu tragen. Von den erstinstanzlichen außergerichtlichen Kosten der Verfügungsklägerin hat die Verfügungsbeklagte 3/8 zu tragen. Von den erstinstanzlichen außergerichtlichen Kosten der Verfügungsbeklagten hat die Verfügungsklägerin ½ zu tragen. Im Übrigen tragen die Parteien ihre erstinstanzlichen außergerichtlichen Kosten selbst.

Die Kosten des Berufungsverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

 

Gründe

I. Die Parteien streiten über die Rechtmäßigkeit der von der Verfügungsbeklagten (nachfolgend: Beklagte) in ihrer Bibliothek zur Verfügung gestellten elektronischen Leseplätze.

Die Verfügungsklägerin (nachfolgend: Klägerin) ist ein Verlag, der in seinem Verlagsportfolio hauptsächlich wissenschaftliche Literatur führt. Zu dem Verlagsprogramm der Klägerin zählen diverse Lehrbücher zu den Fächern Geowissenschaft, Biologie, Umweltingenieurwissenschaft und Geschichte. Unter anderem verlegt die Klägerin auch das streitgegenständliche Werk "..." von Z1, welches derzeit in der 4. Aufl. am Markt erhältlich ist.

Die Beklagte ist als Universität des Landes E eine rechtsfähige Körperschaft des öffentlichen Rechts. Ihre Zentralbibliothek ist die C (C).

Die Beklagte hält in ihrem Bestand sieben Exemplare des streitgegenständlichen Buchs "..." von Z1. Im Januar 2009 wurde dieses Werk zum Zweck der Bereitstellung an elektronischen Leseplätzen digitalisiert. Hierbei wurden die einzelnen Kapitel als Y-Dateien gespeichert und Anfang Februar 2009 in die Datenbank eingepflegt, welche den elektronischen Leseplätzen zugrunde liegt. Die Beklagte stellt zum Abruf für den Benutzer einen Y-Reader der Fa. D zur Verfügung. Die einzelnen Dateien sind Grafikdateien, die einer modernen Textverarbeitung nicht zugänglich sind. Der Aufruf der fraglichen Y-Dateien ist jedenfalls über die in den Räumlichkeiten der Beklagte zur Verfügung gestellten elektronischen Leseplätzen möglich. Simultan können jeweils nur so viele identische Y-Dateien aufgerufen werden, wie Printexemplare im Bibliotheksbestand vorhanden sind. Die fraglichen Dateien können in technischer Hinsicht am elektronischen Leseplatz eingesehen und ausgedruckt werden. Zudem ist es dem Benutzer möglich, Dateien auf einen USB-Stick zu sichern und mit nach Hause zu nehmen.

An den Leseplätzen erteilte die Beklagte zunächst folgenden Hinweis:

"... Die digilehrbücher können aus rechtlichen Gründen nur in den Räumen der C angeboten werden, unter Einhaltung bestimmter Bedingungen (mehr ...). Die C sorgt durch technische und organisatorische Maßnahmen für die Einhaltung dieser Bestimmungen. Wir machen darauf aufmerksam, dass ein Vervielfältigen oder Weiterleiten der digilehrbücher verboten ist".

Hinter dem als Link ausgestalteten Textbestandteil "(mehr ...)" folgte eine detaillierte Erläuterung zu den Vorgaben des § 52b UrhG.

Im Verlauf des vorliegenden Verfahrens konkretisierte die Beklagte den Urheberhinweis wie folgt:

"Wir machen darauf aufmerksam, dass die Benutzung des elektronischen Leseplatzes nur zur Forschung und für private Studien gestattet ist. Ein Vervielfältigen (Ausdrucken/Speichern) ...

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