Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur Haftung der Bundesrepublik Deutschland und des in Bundesauftragsverwaltung tätigen Landes für Grundstücksbeeinträchtigungen anlässlich des Baus einer Bundesstraße (hier: Schlossbergtunnel Dillenburg)
Leitsatz (amtlich)
1. Das in Bundesauftragsverwaltung beim Bau einer Bundesstraße tätige Land ist nicht für Ansprüche aus dem nachbarrechtlichen Gemeinschaftsverhältnis (sog. nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch entsprechend § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB) passivlegitimiert.
2. Der nachbarrechtliche Ausgleichsanspruch ist bei Durchführung eines Planfeststellungsverfahrens durch die nach dem Planfeststellungsrecht eröffneten Rechtsbehelfe (§§ 74 Abs. 2, 75 Abs. 2 VwVfG) ausgeschlossen; nicht ausgeschlossen ist ein etwaiger Amtshaftungsanspruch gem. Art. 34 GG/§ 839 BGB.
Normenkette
GG Art. 34, 90; BGB §§ 839, 906 Abs. 2 S. 2; FStrG § 17; VwVfG § 74 Abs. 2, § 75 Abs. 2; ZPO § 533
Tenor
Die in der Klageerweiterung auf die Beklagte zu 4) liegende Klageänderung ist unzulässig.
Die Berufung der Kläger gegen das am 21.5.2010 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des LG Limburg wird zurückgewiesen; die Klage gegen die Beklagte zu 3) wird abgewiesen.
Die Kläger haben die Kosten der Berufung zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Kläger dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Kläger nehmen die Beklagten im Zusammenhang mit Tunnelbauarbeiten unter dem in ihrem Eigentum oder Besitz stehenden Anwesen ... in ..., welches aus mehreren Einzelgrundstücken besteht, auf Schadensersatz bzw. Entschädigung wegen aufgetretener Schäden i.H.v. rund 84.000 EUR, wegen Wertverlustes des Anwesens i.H.v. 300.000 EUR und auf Feststellung wegen zukünftiger Einbußen in Anspruch. Im Zuge dieser Arbeiten zur Herstellung des sog. Schlossbergtunnels zum Ausbau der Bundesstraße B 277, welcher unter dem Anwesen verläuft, wurden in der Zeit von April 2004 bis 28.1.2006 Spreng- und Rammarbeiten durchgeführt. Die Umsetzung der Baumaßnahme und der Erlass des diese betreffenden, inzwischen unanfechtbaren Planfeststellungsbeschlusses vom 20.9.2002 lag in den Händen der Straßenbauverwaltung des beklagten Landes (Beklagter zu 1). Anfang 2005 ging die ursprünglich mit den Arbeiten beauftragte A ... AG in Insolvenz. Die Arbeiten am Tunnel wurden weitergeführt. Nachdem die Kläger zunächst angenommen hatten, dies sei durch die Beklagte zu 2) als Nachfolgegesellschaft geschehen, enthält ihr nach Schluss der mündlichen Verhandlung 1. Instanz eingegangener Schriftsatz vom 20.4.2010 eine Klageerweiterung auf die Beklagte zu 3) (Bundesrepublik Deutschland) und die Beklagte zu 4) als ein anderes, den Bau fortführendes Unternehmen.
In einem Vorprozess vor dem AG Dillenburg - Az. 5 C 33/06 - nahmen die Kläger den Beklagten zu 1) auf Ersatz von kleineren Objektschäden in Anspruch. Der Rechtsstreit endete mit einem am 16.8.2007 festgestellten Vergleich, in dem sich der Beklagte zu 1) zwecks Abgeltung der dortigen Klageforderung zur Zahlung von 3.125 EUR verpflichtete.
Die Kläger behaupten, die Arbeiten seien angesichts der zahlreichen im Schlossberg vorhandenen Kasematten in technisch fehlerhafter Weise mittels Sprengungen statt mittels schonenderer Vortriebstechniken durchgeführt worden. Hierdurch seien Schäden an Gebäuden und Außenanlagen entstanden. Außerdem habe die nach ihrer Behauptung gegebene Tatsache, dass der Schlossberg aufgrund der Arbeiten weiterhin dauerhaft in Bewegung sei, zu einer erheblichen Werteinbuße für das Anwesen geführt; da sogar ein Totalverlust des Anwesens nicht auszuschließen sei, sei der Feststellungsantrag wegen zukünftiger Schäden gerechtfertigt. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils verwiesen.
Das LG hat unter Ablehnung einer Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung mit Urteil vom 21.5.2011 die Klage abgewiesen. Bei der Beklagten zu 2) sei nicht hinreichend dargelegt, dass diese Gesellschaft nach der Insolvenz der A ... AG die Arbeiten zum Ausbau des Tunnels fortgeführt habe. Gegen den Beklagten zu 1) bestehe ein Ersatzanspruch nicht. Zum einen sei ein Amtshaftungsanspruch gem. Art. 34 GG/§ 839 BGB nicht gegeben; denn angesichts der Beauftragung von ausgewiesenen Fachfirmen sei eine schuldhafte Verletzung von Planungs-, Überwachungs- oder Prüfungspflichten nicht anzunehmen. Zum anderen richteten sich etwaige Entschädigungsansprüche öffentlich-rechtlicher Art aus enteignendem Eingriff oder solche aus dem nachbarrechtlichen Gemeinschaftsverhältnis (sog. nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch analog § 906 Abs. 2 BGB) nicht gegen den Beklagten zu 1), sondern gegen die Bundesrepublik Deutschland als Trägerin der Straßenbaulast für die Bundesstraße.
Während die Kläger die Klageabweisung gegen die Beklagte z...