Entscheidungsstichwort (Thema)
Wettbewerbswidrigkeit der Bezeichnung "Whiskey-Cola"; Widerlegung der Dringlichkeitsvermutung
Leitsatz (amtlich)
1. Die Dringlichkeitsvermutung des § 12 II UWG ist widerlegt, wenn der Antragsteller nach Erlass der Beschlussverfügung und deren Vollziehung in Kenntnis der Fortsetzung des untersagten Verhaltens keinen Vollstreckungsantrag stellt, um das sich aus § 945 ZPO ergebende Kostenrisiko zu vermeiden.
2. Eine aus Whiskey und Cola zusammengesetzte Spirituose ist nicht "verdünnt" i.S.v. Art. 10 II der VO (EG) Nr. 110/2008; sie darf daher unter Verwendung des Begriffs "Whiskey" bezeichnet werden.
3. Der Verstoß gegen eine i.S.v. § 4 Nr. 11 UWG marktverhaltensregelnde Vorschrift, die geschäftliche Handlungen ggü. Verbrauchern betrifft, stellt nur dann eine unzulässige geschäftliche Handlung dar, wenn zugleich die Voraussetzungen des § 3 II 1 UWG erfüllt sind.
Normenkette
UWG § 3 Abs. 2 S. 1, § 4 Nr. 11, § 12 Abs. 2; EGV 110/2008 Art. 10; ZPO § 945
Verfahrensgang
LG Wiesbaden (Urteil vom 29.10.2009) |
Tenor
Auf die Berufung der Antragsgegnerin wird das am 29.10.2009 verkündete Urteil der 2. Kammer für Handelssachen des LG Wiesbaden abgeändert.
Der Eilantrag wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller hat die Kosten des Eilverfahrens zu tragen.
Das Urteil ist rechtskräftig.
Gründe
Das LG hat der Antragsgegnerin unter Anwendung des Art. 10 II der Verordnung (EG) Nr. 110/2008 antragsgemäß verboten, das Produkt "..." mit der Angabe "Whiskey & Cola", "Bourbon Whiskey & Cola", "Cola-Getränk mit ... Bourbon Whiskey" oder "Whiskeygehalt: 25 %" in der Aufmachung des Produkts zu bewerben, anzubieten, zu vertreiben oder sonst in den Verkehr zu bringen. Gegen dieses Urteil wendet sich die Antragsgegnerin mit ihrer Berufung. Von der weiteren Darstellung des Sachverhalts wird gem. § 540 II i.V.m. § 313a ZPO abgesehen.
Die zulässige Berufung hat in der Sache in vollem Umfang Erfolg.
Es fehlt bereits am Verfügungsgrund. Bei einem wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruch, wie ihn der Antragsteller, gestützt auf § 4 Nr. 11 UWG, geltend macht, wird die den Verfügungsgrund begründende Dringlichkeit der Sache zwar vermutet (§ 12 II UWG). Diese Vermutung kann aber, insb. durch das eigene Verhalten des Unterlassungsgläubigers, widerlegt werden. Wer in Kenntnis der maßgeblichen Umstände mit der Rechtsverfolgung zu lange wartet oder das Verfahren nicht hinreichend zügig betreibt und dadurch die Durchsetzung des Unterlassungsanspruchs verzögert, gibt damit zu erkennen, dass die Sache für ihn nicht so eilig ist (vgl. Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren, 9. Aufl. age, Kap. 54 Rz. 24; Hess in: Ullmann jurisPK-UWG, 2. Aufl., § 12 Rz. 92). Versäumt der Unterlassungsgläubiger die Vollziehungsfrist, so führt auch dies regelmäßig zur Widerlegung der Dringlichkeitsvermutung (vgl. Schmukle in: Ahrens, Der Wettbewerbsprozess, 6. Aufl., Kap. 45 Rz. 49 m.w.N.).
Im vorliegenden Fall hat der Antragsteller im Hinblick auf das bestehende Kostenrisiko zunächst, jedenfalls bis zum Senatstermin am 25.3.2010, davon abgesehen, aus der mit Urteil des LG vom 29.10.2009 erwirkten einstweiligen Verfügung zu vollstrecken, und die fortgesetzte Zuwiderhandlung der Antragsgegnerin damit bewusst toleriert. Dieses Verhalten ist dringlichkeitsschädlich.
Durch das einstweilige Verfügungsverfahren, von dem in Wettbewerbssachen unter erleichterten Voraussetzungen Gebrauch gemacht werden kann (§ 12 II UWG), erhält der Unterlassungsgläubiger die Möglichkeit, wettbewerbswidriges Verhalten umgehend zu unterbinden. Er soll nicht gezwungen sein, eine Fortsetzung oder Wiederholung der fraglichen Wettbewerbsverstöße bis zur Erlangung eines Vollstreckungstitels im Klageverfahren hinzunehmen. Um dem Gläubiger diesen effektiven Rechtsschutz zu ermöglichen, wird in Kauf genommen, dass die Erkenntnismöglichkeiten und auch die Gewährung des rechtlichen Gehörs im Eilverfahren eingeschränkt sind, so dass dieses Verfahren im Verhältnis zum Klageverfahren eine geringere Richtigkeitsgewähr bietet. Das einstweilige Verfügungsverfahren ist ein summarisches Verfahren, das unter Inkaufnahme einer höheren Fehleranfälligkeit der Gewährung effektiven, rasch wirksamen Rechtsschutzes dient. Sein legitimer Zweck wird verfehlt, wenn es lediglich dazu dienen soll, auf schnelle und einfache Weise eine gerichtliche Fallbeurteilung zu erlangen.
Zeigt ein Unterlassungsgläubiger durch sein Verhalten, unabhängig von einer formal rechtzeitigen Vollziehung der einstweiligen Verfügung, dass es ihm auf die zügige Unterbindung des beanstandeten Verhaltens in Wahrheit nicht ankommt, so kann er das für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes erforderliche Eilbedürfnis nicht für sich in Anspruch nehmen. Die nach § 12 II UWG bestehende Dringlichkeitsvermutung ist dann widerlegt.
So verhält es sich im vorliegenden Fall. Der Antragsteller hat es hingenommen, dass die Antragsgegnerin, die andernfalls eine einschneidende Produktänderung hätte vornehmen müssen, die beanstandeten Hand...