Leitsatz (amtlich)

Zur Beurteilung, ob Fotoaufnahmen von Prominenten dem Bereich der Zeitgeschichte gem. § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG zuzuordnen sind

 

Normenkette

EMRK § 10; EMRK Art. 8; GG Art. 1-2, 5; KUG §§ 22-23

 

Verfahrensgang

LG Frankfurt am Main (Urteil vom 17.08.2017; Aktenzeichen 2-03 O 424/17)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 17.8.2017 - Az. 2-3 O 424/16 - wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das Urteil ist in der Hauptsache gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 40.000,- Euro und im Übrigen gegen Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Kostenbetrages zuzüglich 20 % vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Die Klägerin wendet sich gegen die Veröffentlichung und Verbreitung von zwei Fotoaufnahmen, die auf der Titelseite sowie auf der Seite 20 der von der Beklagten verlegten Illustrierten "(...)", zur Illustration des Beitrags mit der Überschrift "(...)" erschienen sind. Das mit dem Klageantrag zu I.1. beanstandete (...), zeigende Bildnis ist während einer namentlich nicht näher bekannten Veranstaltung aufgenommen worden, das mit dem Klageantrag zu I.2. angegriffene Bildnis (...).

Wegen des Sachverhalts und der erstinstanzlich gestellten Anträge wird gemäß § 540 Abs. 1 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen des landgerichtlichen Urteils Bezug genommen.

Das Landgericht hat mit dem angefochtenen Urteil der gegen die Veröffentlichung und Verbreitung der Bildnisse gerichteten Unterlassungsklage der Klägerin stattgegeben sowie dieser einen Anspruch auf Erstattung ihrer vorgerichtlichen Abmahnkosten zugebilligt.

(Von der Darstellung des nachfolgenden Textes wurde abgesehen - die Red.)

Hiergegen hat die Beklagte Berufung eingelegt, mit welcher sie ihr Klageabweisungsbegehren weiterverfolgt. Sie rügt, die angefochtene Entscheidung beruhe auf fehlerhaften rechtlichen Ansätzen zur Systematik des § 23 KUG und einer Verkennung von Bedeutung und Tragweite ihres Grundrechts aus Art. 5 Abs. 1 GG.

(Von der Darstellung des nachfolgenden Textes wurde abgesehen - die Red.)

Die Beklagte beantragt,

das am 17.8.2017 verkündete Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main - 2-3 O 424/16 - abzuändern und die Klage abzuweisen; andernfalls die Revision zuzulassen

Die Klägerin beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrags.

(Von der Darstellung des nachfolgenden Textes wurde abgesehen - die Red.)

Die Beklagte hat zu der vom Senat im Verhandlungstermin dargelegten Rechtsauffassung mit Schriftsatz vom 4.5.2017 (GA 205 ff) Stellung genommen.

II. Die Berufung der Beklagten ist zulässig, insbesondere frist- und formgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 511, 517, 519 ZPO). In der Sache hat sie keinen Erfolg.

Zu Recht hat das Landgericht angenommen, dass der Klägerin gegen die Beklagte ein Anspruch auf Unterlassung der erneuten Veröffentlichung und Verbreitung der beiden beanstandeten Bildnisse aus den §§ 823 Abs. 1 und 2, 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB analog i.V.m. §§ 22, 23 KUG, Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG, Art. 8 Abs. 1 EMRK zusteht.

1. Nach dem abgestuften Schutzkonzept der §§ 22, 23 KUG dürfen Bildnisse einer Person grundsätzlich nur mit deren Einwilligung verbreitet werden (§ 22 Satz 1 KUG). Hiervon besteht allerdings gemäß § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG eine Ausnahme, wenn es sich um Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte handelt, es sei denn, die Verbreitung des Bildnisses verletzt berechtigte Interessen des Abgebildeten (§ 23 Abs. 2 KUG).

Die Klägerin hat in die Veröffentlichung der zwei sie zeigenden Bilder nicht ausdrücklich eingewilligt (§ 22 Satz 1 KUG). Sie hat auch nicht konkludent eingewilligt, weil diese bei öffentlichen Ereignissen mit ihrer Einwilligung angefertigt wurden. Eine solche Einwilligung würde allenfalls für das bestimmte Ereignis gelten, nicht aber für eine solche Bildberichterstattung, die - wie hier - von der bestimmten Situation gelöst ist, da sich die Klägerin sonst der Gefahr ausgesetzt sähe, dass die Bildnisse jederzeit unter für sie nicht überschaubaren Voraussetzungen von Dritten reproduziert werden könnten [vgl. BGH NJW 2005, 56 Rn. 15; BGH NJW 2011, 746 Rn. 19].

Die von der Klägerin angegriffenen Bilder stellen auch keine Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte i.S. von § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG dar.

a. Die Beurteilung, ob Bildnisse dem Bereich der Zeitgeschichte i.S. von § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG zuzuordnen sind, erfordert eine Abwägung zwischen den Rechten des Abgebildeten aus Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG, Art. 8 Abs. 1 EMRK einerseits und den Rechten der Presse aus Art. 5 Abs. 1 GG, Art. 10 Abs. 1 EMRK andererseits. Dabei ist der Beurteilung ein normativer Maßstab zugrunde zu legen, der die Pressefreiheit und zugleich den Schutz der Privatsphäre ausreichend berücksichtigt. Maßgebend ist hierbei das Interesse der Öffentlichkeit an vollständiger Information über das Zeitgeschehen. Der Begr...

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