Leitsatz (amtlich)
1. Hat der Beklagte das Bestehen einer inländischen Niederlassung arglistig vorgespiegelt, dann kann er sich im Prozess nicht auf das Nichtbestehen der Niederlassung und das Fehlen der Voraussetzungen des § 21 ZPO berufen.
2. Derjenige, der sich nach außen hin als Gewerbetreibender ausgibt und den Rechtsschein hervorruft, er unterhalte als solcher ein besonderes Geschäftslokal, muss dorthin gerichtete Zustellungen jedenfalls dann gegen sich gelten lassen, wenn Empfangseinrichtungen für den Betreffenden unter der angegebenen Anschrift tatsächlich vorhanden sind.
Normenkette
ZPO §§ 21, 184
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Aktenzeichen 3/3 O 105/96) |
Tenor
Die Klage ist zulässig.
Tatbestand
Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Ersatz für angeblich auf dem Transport von S. (Korea) nach A. (Kasachstan) totalbeschädigte Farbfernsehgeräte in Anspruch.
Der Forderung liegen zwei Containerladungen mit jeweils 144 TV-Geräten zu Grunde, die am 31.5.1995 im koreanischen Hafen B. nach V. (Russland) eingeschifft und von dort per Bahn nach A. befördert wurden, wo sie im Juli/August 1995 eintrafen.
In Bezug auf die beiden Container existieren zwei mit „Combined Transport Operator BILL OF LADING” überschriebene Transportdokumente, die von einer W. Co. Ltd. in S. am 31.5.1995 unterzeichnet sind und die in dem für den CTO (= Combined Transport Operator) vorgesehenen Feld einen Stempelaufdruck mit der Firmenbezeichnung „M. Line Co., Ltd.” und der Anschrift F.-Straße in F. nebst dortigen Telekommunikationsanschlüssen tragen. Wegen der Einzelheiten wird auf die beiden Urkunden Bezug genommen (Bl. 6 und 7 d.A.).
Auf der Vorderseite der Dokumente befindet sich ein Hinweis auf umseitig abgedruckte Bedingungen, die von den Parteien teilweise vorgetragen worden, jedoch nicht zur Akte gereicht worden sind.
Eine Firma C. Limited in I. (GB) befasste sich mit dem an den Fernsehern entstandenen Schaden. Die russische Organisation C. (Moscow) Ltd. veranlasste im Lager in A. eine Überprüfung, die durch einen Herrn B. nach Auftragserteilung am 19.12.1995 vorgenommen wurde. In dem daraufhin erstellten „Survey Report”, auf den verwiesen wird (Bl. 149–154 d.A.), wird festgehalten, dass die Fernsehgeräte der Einwirkung von Salzwasser ausgesetzt gewesen seien.
Die C. machte Ansprüche gegen die Firma M. unter der F.er Anschrift geltend, wo sich die Geschäftsräume der M.-GmbH (Streithelferin zu 3)) befinden. Die M.-GmbH befasste sich mit dem Schadensfall und lehnte mit Schreiben vom 30.5.1996 eine Ersatzpflicht aus sachlichen Gründen ab (Bl. 75, 76 d.A.).
Die Klägerin reicht daraufhin am 29.7.1996 eine Klage gegen die durch ihren Geschäftsführer R. vertretene M. Limited unter der Anschrift F.-Straße 67 in F. ein. Über die Zustellung der Klageschrift wurde am 10.10.1996 eine Zustellungsurkunde errichtet, in der angekreuzt ist, dass der Empfänger/Inhaber der Einzelfirma im Geschäftslokal nicht anzutreffen gewesen und die Sendung einer Bediensteten übergeben worden sei (Bl. 16 d.A.). Mit Schriftsatz vom 15.10.1996 meldete sich Rechtsanwalt K. mit der Anzeige, dass er die Beklagte vertrete (Bl. 21 d.A.). Am 30.10.1996 reichte er die Klage wieder zurück, weil die M. Ltd. ihren Sitz nicht in der F.-straße habe und die Zustellung nicht wirksam gewesen sei.
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, dass die Beklagte ihren Sitz oder jedenfalls eine Niederlassung in F. habe. Dafür spreche, dass die M.-GmbH für die Beklagte aus F. tätig geworden sei und sie sich sachlich mit der Forderung der Klägerin auseinander gesetzt habe, ohne auf eine fehlende Zuständigkeit hinzuweisen. Sie müsse sich jedenfalls an dem durch das Konnossement und das vorgerichtliche Verhalten hervorgerufenen Schein eines Sitzes oder einer Niederlassung in F. festhalten lassen. Dass die Beklagte ihren Sitz oder eine Niederlassung in F. habe, ergebe sich in rechtlich zwingender Weise aus der Angabe im Konnossement. Die Beklagte hafte als Verfrachter für den an den Farbfernsehgeräten entstandenen Schaden gem. den Haager Regeln. Der Stückpreis der Fernseher betrage 276 USD. Bei insgesamt 288 Stück, die total beschädigt worden seien, errechne sich ein Gesamtbetrag von 79.488 USD dem noch ein 10 %iger Zuschlag „für den örtlichen Marktwert” hinzuzufügen sei. Entsprechend dem bei Ablieferung maßgebenden Umrechnungskurs von 1,4645 DM für 1 US-Dollar beziffere sich die Klageforderung auf 143.833,53 DM. Verjährung sei nicht eingetreten, weil die zwingende Ausschlussfrist von einem Jahr gem. § 612 HGB gelte, die eingehalten sei.
Die Klägerin hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an sie 143.833,53 DM nebst 9,5 % Zinsen seit dem 15.11.1995 zu zahlen.
Für die Beklagte ist niemand aufgetreten.
Die Streithelfer der Beklagten haben beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie haben geltend gemacht, dass die Klage nicht wirksam zugestellt worden sei. Die Beklagte habe ihren Sitz in S./Korea und verfüge in F. über keine Niederlassung. Die Anschrift der Streithelferin zu 3) sei nur in diesem Einzelfall ...