Leitsatz (amtlich)
1. § 144 Abs. 1 InsO lässt auch die nicht akzessorischen Sicherungsrechte Dritter wieder aufleben.
2. Ist aufgrund des Abstraktionsprinzips die ursprüngliche Sicherheit erloschen, ist dies ohne Rechtsgrund erfolgt und verpflichtet einen Dritten, der Sicherheit für eine Verbindlichkeit des Gemeinschuldners geleistet hat, zur Neubestellung der Sicherheit. Seiner Inanspruchnahme aus dem Sicherungsrecht durch den Sicherungsnehmer kann sich nach den Grundsätzen von Treu und Glauben nicht auf das Nichtbestehen des Sicherungsrechts berufen und ist so zu behandeln, als wäre er seiner Pflicht zur Neubestellung nachgekommen.
Verfahrensgang
LG Wiesbaden (Urteil vom 06.09.2002; Aktenzeichen 9 O 103/02) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das am 6.9.2002 verkündete Urteil des LG Wiesbaden - Aktenzeichen 9 O 103/02 - wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Beklagte zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des nach dem Urteil vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe
Zur Sicherheit eines der X GmbH von der Klägerin gewährten Darlehens hatte der Geschäftsführer der X GmbH, Herr Y, der Klägerin seine Ansprüche aus einer Lebensversicherung bei der Beklagten abgetreten. Nachdem die Forderungen der Klägerin gegen die Klägerin zunächst erfüllt worden waren, trat die Klägerin die Lebensversicherungsansprüche an Herrn Y zurück ab. In der Folgezeit focht der Insolvenzverwalter der X GmbH die zur Darlehenstilgung führenden Leistungen an die Klägerin jedoch an, so dass diese herausgegeben werden mussten. Die Klägerin ist der Ansicht, ihr stünden damit auch wieder die Rechte aus der Lebensversicherung zu und begehrt mit der vorliegenden Klage Auskunft über die Höhe des Rückkaufswerts.
Das LG hat dies ebenso gesehen und der Klage auf Auskunft über den Rückkaufswert der Lebensversicherung stattgegeben. Auf den Tatbestand dieses Urteils wird wegen der weiteren Sachverhaltsdarstellung Bezug genommen.
Dagegen richtet sich die auf Klageabweisung gerichtete Berufung der Beklagten, die der Ansicht ist, die Abtretung sei weggefallen, die Ansprüche aus der Lebensversicherung stünden allein Herrn Y zu. Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil und begehrt Zurückweisung der Berufung. Wegen des Weiteren Vortrags der Parteien zu den Umständen der Insolvenzanfechtung wird auf die Schriftsätze vom 17.9.2003 und 22.10.2003 (Bl. 132, 134 d.A.) Bezug genommen.
Die Berufung ist zulässig, insb. an sich statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Sie hat in der Sache indes keinen Erfolg.
Die Klägerin kann von der Beklagten Auskunft über die Höhe des Rückkaufswerts verlangen, weil sie Gläubigerin der Ansprüche aus dem Lebensversicherungsvertrag ist. Diese durch die Sicherungsabtretung vom 12.4.1999 erlangte Rechtsposition hat sie durch die Rückabtretung an Herrn Y unter dem 4.9.2000 nicht verloren. Gemäß § 144 Abs. 1 InsO ist ihre Forderung mit der Rückgewähr im Rahmen der Insolvenzanfechtung wieder aufgelebt. § 144 InsO erfasst auch die nichtakzessorischen Sicherungsrechte gegen einen Dritten.
Nach einhelliger Auffassung in Rechtsprechung und Lehre erfasst § 144 Abs. 1 InsO die unanfechtbar begründeten akzessorischen und nichtakzessorischen Sicherheiten, soweit diese vom Gemeinschuldner selbst gestellt wurden. Rühren die Sicherheiten von einem Dritten her, ist ihr Wiederaufleben nach § 144 InsO zumindest für die akzessorischen Sicherheiten (insb. für die Bürgschaft) ebenfalls allgemein anerkannt. Streitig ist allein die im vorliegenden Fall gegebene Konstellation eines nichtakzessorischen Sicherungsrechts gegen einen Dritten.
Während ein Teil der Literatur (Kreft in Heidelberger Kommentar zur InsO, 2. Aufl. 1999, § 144 Rz. 3; Hirte in Uhlenbruck, InsO, 12. Aufl. 2003, § 144 Rz. 7) sich über diese Frage nicht auslässt oder sich auf den undifferenzierten S. beschränkt, es lebten alle Sicherheiten wieder auf, wird die mit der Berufung vertretene Auffassung eines endgültigen Erlöschens des Sicherungsrechts von Weis (Weis in Hess/Weis/Wienberg, InsO, 2. Aufl. 2001, § 144 Rz. 12) und Dauernheim (Dauernheim in Frankfurter Kommentar zur InsO, § 144 Rz. 3) vertreten. Der Senat schließt sich indes der - soweit erkennbar - in der Literatur überwiegend vertretenen gegenteiligen Auffassung an, wonach § 144 Abs. 1 InsO auch die nichtakzessorischen Sicherungsrechte Dritter wiederaufleben lässt, die geteilt wird von Jaeger/Henckel (Jaeger/Henckel, KO, 1997, § 39 Rz. 13), Paulus (Paulus in Kübler/Prütting, InsO, Stand 4/02, § 144 Rz. 3) und Kirchhof (Kirchhof in MünchKomm/InsO, 2002, § 144 Rz. 10).
Hat ein Dritter Sicherheit für eine Verbindlichkeit des Gemeinschuldners geleistet, so hat er sich der Sicherungsabrede zwischen dem Gemeinschuldner und dem Gläubiger unterworfen. Sola...