Entscheidungsstichwort (Thema)

Zum Berechnungsdurchgriff im Vertragskonzern bei Anpassung der Betriebsrenten im Rahmen des § 16 BetrAVG

 

Leitsatz (amtlich)

1. Für die Anpassung von Versorgungsbezügen ist im Rahmen des § 16 BetrAVG zunächst die wirtschaftliche Lage der Versorgungsschuldnerin entscheidend. Für einen Berechnungsdurchgriff auf die wirtschaftlichen Verhältnisse des herrschenden Unternehmens genügt es nicht, dass zwischen der Versorgungsschuldnerin und dem herrschenden Unternehmen ein Beherrschungsvertrag besteht. Hierfür bedarf es weiterer Voraussetzungen. Es muss sich insbesondere eine konzerntypische Gefahr tatsächlich nachteilig auf die Vermögensverhältnisse des Versorgungsschuldners ausgewirkt haben.

2. Es gibt keinen allgemeinen Erfahrungssatz, dass die wirtschaftliche Lage eines konzernabhängigen Unternehmens regelmäßig durch nachteilige, im Konzerninteresse erfolgende Vorteilsverschiebungen beeinträchtigt wird.

 

Normenkette

BetrAVG § 16

 

Verfahrensgang

LG Frankfurt am Main (Urteil vom 21.02.2014; Aktenzeichen 2-8 O 129/13)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 27.09.2016; Aktenzeichen II ZR 57/15)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das am 21.2.2014 verkündete Urteil des LG Frankfurt/M. (Az.: 2-08 O 129/13) wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Dieses Urteil und das Urteil des LG Frankfurt/M. sind vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung der Beklagten aus dem Urteil gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht zuvor die Beklagte Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision zum BGH wird zugelassen.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 17.917,92 EUR festgesetzt.

 

Gründe

A. Der Kläger macht gegen die Beklagte, bei deren Rechtsvorgängerinnen er früher als Vorstand beschäftigt war, die Anpassung seiner monatlichen Leistungen aus einer Versorgungsregelung zum 1.1.2010 geltend und begehrt eine entsprechende Nachzahlung aus dieser Betriebsrentenerhöhung.

Rechtsgrundlage für die Betriebsrente ist ein Versorgungsvertrag zwischen dem Kläger und einer Rechtsvorgängerin der Beklagten, der Fa.A. AG, vom 20.7.1988 (Anlage 1b, Bl. 144 d.A.), den der Kläger im Hinblick auf seine Beschäftigung als Vorstand abgeschlossen hatte.

Die Beklagte ist ein konzerngebundenes Unternehmen der B. AG (2). Sie ist durch Formwechsel nach §§ 190 ff. UmwG aus der A AG hervorgegangen. Sie ist eine Tochtergesellschaft der B. AG. Die B. AG ist die umfirmierte C. AG. Zwischen der Beklagten und der B. AG besteht seit 1.10.2000 ein Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag, dem die Gesellschafterversammlung der Rechtsvorgängerin der Beklagten am 28.1.2001 zugestimmt hatte und der zum 1.1.2010 noch fortbestand. Die B. AG ist die alleinige Gesellschafterin der Beklagten. Die Beklagte ist seit Aufgabe ihres operativen Geschäfts zum Jahresende 2007 nicht mehr ausreichend mit Mitteln ausgestattet, um Betriebsrentenanpassungen zu finanzieren. Die wirtschaftlichen Verhältnisse bei der B. AG würden dies dagegen möglich machen. Die B. AG hatte in den Jahren 2009 bis 2012 insgesamt aufgrund der Konzernverbindung Verluste der Beklagten i.H.v. etwa 9,8 Mio. EUR übernommen. Auf den Schriftsatz der Beklagten vom 12.6.2013 (Bl. 96 bis 99d. A) wird wegen der wirtschaftlichen Verhältnisse bei der Beklagten Bezug genommen.

Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes im ersten Rechtszug und der dort gestellten Anträge wird auf die tatsächlichen Feststellungen des LG in dem angefochtenen Urteil Bezug genommen, soweit der Senat keine abweichenden Feststellungen getroffen hat (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).

Der Kläger hat im Verfahren vor dem LG die Auffassung vertreten, maßgeblich für die Beurteilung der wirtschaftlichen Lage des Arbeitgebers sei im Rahmen der Betriebsrentenanpassungsprüfung allein die wirtschaftliche Lage des herrschenden Unternehmens, der mit der Beklagten in einem Vertragskonzern verbunden B. AG, abzustellen und nicht auf diejenige der Beklagten. Hierzu hat er sich auf eine Entscheidung des BAG vom 26.5.2009 (3 AZR 369/07) berufen. Er hat die Ansicht vertreten, das Gericht habe dort seine gefestigte Rechtsprechung zum sog. Berechnungsdurchgriff bei Bestehen eines Beherrschungsvertrages im Vertragskonzern aufgegeben. Der Berechnungsdurchgriff auf die wirtschaftliche Lage des herrschenden Unternehmens sei bei Bestehen eines Beherrschungsvertrages an keine weiteren einschränkenden Voraussetzungen mehr geknüpft. Die Beklagte ist dem entgegengetreten.

Mit dem am 21.2.2014 verkündeten und dem Kläger am 6.3.2014 zugestellten Urteil hat das LG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die von der höchstrichterlichen Rechtsprechung aufgestellten Voraussetzungen für einen Berechnungsdurchgriffs im Vertragskonzern nicht vorlägen. Es setzt sich dabei intensiv mit der vom Kläger zur Begründung seiner Rechtsauffassung herangezogenen Entscheidung des BAG auseinander und kommt zu dem Ergebnis, dass dieser keine Änderung der hö...

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