Entscheidungsstichwort (Thema)
Wettbewerbswidrige Irreführung bei Werbung für kostenpflichtiges Web-Branchenverzeichnis
Leitsatz (amtlich)
1. Für eine Irreführung (§ 5 UWG) kann ausnahmsweise auch die Täuschung eines eher geringen Teils des angesprochenen Verkehrs ausreichen, wenn nach den Gesamtständen die Werbung gezielt auf eine solche Täuschung angelegt ist und schützenswerte Interessen des Unternehmens, in dieser Weise werben zu dürfen, nicht ersichtlich sind, weil die Werbeadressaten, die das Angebot richtig verstehen, eine Inanspruchnahme der angebotenen Leistung nicht ernsthaft in Betracht ziehen werden.
2. Wird das mit dem Unterlassungsantrag begehrte Verbot der konkreten Verletzungshandlung auf mehrere darin verwirklichte Wettbewerbsverstöße gestützt, haben die Klage oder der Eilantrag schon dann in vollem Umfang Erfolg, wenn die Verletzungshandlung nur einen der gerügten Wettbewerbsverstöße enthält (ständige Senatsrechtsprechung im Anschluss an BGH GRUR 2001, 453 - TCM-Zentrum). Hat das Gericht erster Instanz das von ihm ausgesprochene Verbot der konkreten Verletzungshandlung auf einen dieser Wettbewerbsverstöße gestützt, ist das Berufungsgericht nicht gehindert, das Verbot dieser Verletzungshandlung mit einem anderen der gerügten Verstöße zu begründen.
Normenkette
UWG § 1
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Aktenzeichen 3-8 O 96/08) |
Gründe
I. Die Antragsgegnerin zu 1), deren Geschäftsführer der Antragsgegner zu 2) ist, warb für ein von ihr im Internet unterhaltenes Branchenverzeichnis mit einer Aussendung, deren Vorder- und Rückseiten nachfolgend wiedergegebenen werden:
(Es folgen Abbildungen, die aus technischen Gründen nicht dargestellt werden können - die Red.)
Die Antragstellerin, die das Branchentelefonbuch "X." herausgibt, beanstandet diese Aussendung unter mehreren Gesichtspunkten als wettbewerbswidrig.
Das LG hat den Antragsgegnern mit Beschlussverfügung vom 20.8.2008 die Werbung mit diesem Formular untersagt. Auf den Widerspruch der Antragsgegner hat es die einstweilige Verfügung mit Urteil vom 29.10.2008 bestätigt. Hiergegen wenden sich die Antragsgegner mit der Berufung.
Von der weiteren Darstellung des Sachverhalts wird gem. §§ 540 II i.V.m. 313a I, 1 ZPO abgesehen.
II. Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.
Die Antragstellerin stützt das mit dem Eilantrag begehrte Verbot der konkreten Verletzungshandlung auf mehrere darin verwirklichte Wettbewerbsverstöße. Wie das LG zutreffend ausgeführt hat, ist ein solcher Unterlassungsantrag nach der Rechtsprechung des BGH (GRUR 2001, 453 - TCM-Zentrum, Rz. 30) schon dann in vollem Umfang begründet, wenn die Verletzungshandlung nur einen der gerügten Wettbewerbsverstöße enthält; auf die Frage, ob die beanstandete Verletzungshandlung auch im Übrigen wettbewerbswidrig ist, kommt es dann nicht mehr an.
Die sich daraus ergebende Möglichkeit des Gerichts, sich gegebenenfalls nur mit einem das Verbot rechtfertigenden Verstoß zu befassen, besteht nach Auffassung des erkennenden Senats auch im Rahmen des Berufungsverfahrens, wobei das Berufungsgericht durch ein in erster Instanz auf einen bestimmten Wettbewerbsverstoß gestütztes Verbot nicht gehindert ist, das ausgesprochene Verbot der konkreten Verletzungshandlung nicht mit dem vom Erstgericht angenommenen, sondern mit einem anderen der gerügten Wettbewerbsverstöße zu begründen. Denn nachdem die genannte Rechtsprechung des BGH es dem Kläger oder Antragsteller im Ergebnis ermöglicht, sein Prozessrisiko dadurch zu begrenzen, dass er das angestrebte Verbot einer konkreten Verletzungshandlung alternativ auf mehrere darin verwirklichte Wettbewerbsverstöße stützen kann, muss ihm diese Möglichkeit auch im Berufungsrechtszug und unabhängig vom Inhalt der erstinstanzlichen Entscheidung erhalten bleiben. Dass durch eine Auswechslung der dem Verbotsausspruch zugrunde liegenden Begründung der Unterlassungstitel einen anderen Inhalt erhalten kann, steht dieser prozessualen Behandlung nicht entgegen; hieraus kann sich im Verfügungsverfahren allerdings das Erfordernis einer erneuten Vollziehung (§ 929 II ZPO) ergeben.
Es erscheint zweifelhaft, ob die beanstandete Werbeaussendung bereits deshalb als irreführend (§ 5 UWG) eingestuft werden kann, weil - wie das LG angenommen hat - der Hinweis "Preis p. M. 89 EUR" beim angesprochenen Verkehr unzutreffende Vorstellungen über die Preisgestaltung hervorruft.
Im Hinblick auf die oben dargestellten Erwägungen kann diese Frage jedoch dahinstehen. Denn der Antragstellerin steht der geltend gemachte Unterlassungsanspruch jedenfalls aus §§ 3 I, 5, 8 III Nr. 1 UWG zu, weil - wie die Antragstellerin bereits mit der Antragsschrift geltend gemacht hat - die beanstandete Werbeaussendung geeignet ist, einen nach den Gesamtumständen hinreichend großen Teil des angesprochenen Verkehrs über ihren wahren Charakter zu täuschen, nämlich den unzutreffenden Eindruck zu erwecken, mit der Unterzeichnung und Rücksendung des Formulars werde lediglich eine Aktualisierung der Eintragungsdaten im ...