Entscheidungsstichwort (Thema)
Kindesunterhalt und nachehelicher Unterhalt: Umfang der Auskunfts- und Belegpflicht der Parteien. Voraussetzungen einer Schätzung der unterhaltsrelevanten Einkünfte
Leitsatz (amtlich)
Die Feststellung der unterhaltsrechtlich relevanten Einkünfte bereitet in der Praxis häufig erhebliche Schwierigkeiten, weshalb das FamG gehalten ist, die von den Parteien gemachten Angaben einer genauen Überprüfung zu unterziehen. In der Regel lassen sich zuverlässige Aussagen zu den Einkünften nur anhand schriftlicher Unterlagen treffen, deren Beschaffung und unterhaltsrechtliche Auswertung deshalb zu den wichtigsten richterlichen Aufgaben gehören. Insbesondere zählen zu solchen Unterlagen Verdienstbescheinigungen und Steuerbescheide mit entsprechenden Steuererklärungen nebst dazu gehörigen Belegen und Unterlagen, die für die steuerlichen Ermittlungen oder aus wirtschaftlichen Gründen notwendig sind, wie Aufzeichnungen, Gewinn- und Verlustrechnungen, Bilanzen oder Einnahme-Überschuss- Rechnungen (BGH FamRZ 1993, 898; Wendl/Staudigl/Dose, Unterhaltsrecht, 6. Aufl., § 1, Rz. 31 m.w.N.).
Normenkette
BGB §§ 1361, 1578; ZPO § 538; BGB §§ 1570, 1573, 1601; ZPO §§ 273, 287 Abs. 2, § 643 Abs. 1-2
Verfahrensgang
AG Bad Homburg (Urteil vom 09.02.2006; Aktenzeichen 93 F 395/05 UE, UK) |
Tenor
1. Auf die Berufung des Beklagten wird das angefochtene Teilurteil des AG - FamG - Bad Homburg v. d. H. vom 9.2.2006 aufgehoben.
2. Das Verfahren wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Berufungsverfahrens - an das AG - FamG - Bad Homburg v. d. H. zurückverwiesen.
3. Berufungswert: Berufung gegen die Klägerin zu 1): 11.136 EUR Berufung gegen den Kläger zu 2): 4.116 EUR Gesamtwert der Berufungen: 15.252 EUR
4. Den Klägern zu 1) und 2) wird Prozesskostenhilfe gem. §§ 114 ff. ZPO zur Verteidigung gegen das gegnerische Rechtsmittel gewährt. Zur Wahrnehmung der Rechte in diesem Rechtszug wird ihnen Rechtsanwältin A, O1, beigeordnet.
Gründe
Wegen des Tatbestandes wird auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO).
Das AG - FamG - Bad Homburg v. d. H. hat den Beklagten mit dem angefochtenen Teilurteil vom 9.2.2006 verurteilt, ab November 2005 an die Klägerin zu 1) eine monatliche Unterhaltsrente i.H.v. 928 EUR und an den Kläger zu 2) eine monatliche Unterhaltsrente i.H.v. 343 EUR zu zahlen. Hierbei ist es davon ausgegangen, dass der Beklagte monatliche Ausgaben i.H.v. 3.588,49 EUR hat. Ausgehend von diesen Kosten hat es angenommen, dass dem Beklagten ein Nettoeinkommen in mindestens dieser Höhe zur Verfügung steht. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf den Inhalt des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
Gegen dieses Urteil hat der Beklagte Berufung eingelegt und den Prozessantrag gestellt, das Urteil aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das AG - FamG - Bad Homburg v. d. H. zurückzuverweisen.
In der Sache verfolgt der Beklagte seinen erstinstanzlichen Antrag auf Klageabweisung weiter. Die Kläger verteidigen das angefochtene Urteil und beantragen, die Berufung zurückzuweisen.
Wegen des weiter gehenden Parteivorbringens wird auf den Inhalt der vorgetragenen Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Die Berufung des Beklagten ist zulässig. Sie wahrt sämtliche Form- und Fristerfordernisse (§ 511 ff. ZPO) und hat in dem aus dem Urteilstenor ersichtlichen Umfang Erfolg.
Die von dem AG durchgeführte Einkommensschätzung ist verfahrensfehlerhaft, da sie auf unzureichenden Erwägungen beruht, der gerichtlichen Verpflichtung zur Feststellung des für Unterhaltszwecke zur Verfügung stehenden Einkommens nicht genügt und wesentliches tatsächliches Vorbringen außer Betracht lässt (vgl. BGHv. 11.4.2001 - XII ZR 152/99, FamRZ 2001, 1603). Im Hinblick auf die notwendige weitere Sachaufklärung und die sich daraus voraussichtlich ergebende aufwendige Beweisaufnahme, insb. durch die nicht auszuschließende Notwendigkeit der Einholung eines Sachverständigengutachtens, war auf den Antrag des Beklagten das Urteil aufzuheben und das Verfahren an das AG - FamG - Bad Homburg v. d. H. zurückzuverweisen (§ 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO).
Streitgegenstand des Rechtsstreits ist zum einen der Ehegattenunterhaltsanspruch der Klägerin zu 1) für die Zeit nach Rechtskraft der Scheidung und zum anderen der Anspruch des Klägers zu 2) auf Zahlung von Kindesunterhalt.
Der Unterhaltsanspruch der Klägerin zu 1) stützt sich dem Grunde nach auf §§ 1570, 1573 BGB. Nachdem die Parteien mit notariellem Vertrag vom 22.9.1998 vor dem Notar B zu Urkundenrolle Nr.../1998 wechselseitig auf den nachehelichen Unterhalt verzichtet haben, dieser Verzicht aber erst ab Erreichen der Volljährigkeit des Klägers zu 2) oder im Falle des Wegfalls der Unterhalts- oder Betreuungsbedürftigkeit des Kindes gilt, kann die Klägerin Unterhalt jedenfalls für die Zeit der Betreuungsbedürftigkeit des Klägers zu 2) verlangen.
Der daneben geltend gemachte Anspruch des Klägers zu ...