Entscheidungsstichwort (Thema)

Möglichkeit zur Teilnahme an einem Gewinnspiel als unzulässige Werbegabe zu einem Arzneimittel

 

Leitsatz (amtlich)

Bietet eine im EU-Ausland ansässige Versandapotheke dem deutschen Endabnehmer eine an die Einlösung eines Rezepts gekoppelte Teilnahme an einem Gewinnspiel mit einem E-Bike als Hauptpreis an, liegt darin ein zugleich unlauterer (§ 3a UWG) Verstoß gegen das Verbot von Werbegaben nach § 7 I HWG ; dies gilt ungeachtet der Rechtsprechung des EuGH (GRUR 2016, 1312 - DocMorris/Deutsche Parkinsongesellschaft) zur Unionsrechtswidrigkeit der deutschen Vorschriften über die Preisbindung verschreibungspflichtiger Arzneimittel.

 

Normenkette

HWG § 7; UWG § 3a

 

Verfahrensgang

LG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 05.04.2017; Aktenzeichen 3-8 O 77/15)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 18.11.2021; Aktenzeichen I ZR 214/18)

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin gegen das am 05.04.2017 verkündete Urteil der 8. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Frankfurt am Main wird das angefochtene Urteil abgeändert.

Der Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu EUR 250.000,00, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten zu unterlassen,

gegenüber Endverbrauchern in Deutschland ein Gewinnspiel auszuloben, das an die Einlösung eines Rezeptes gekoppelt ist, wenn dies geschieht wie folgt:

((Abbildung))

Die Beklagte wird weiter verurteilt, an die Klägerin 2.348,94 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 17.11.2015 zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.

Dieses Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte kann die Vollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120.000 EUR abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120.000 EUR leistet.

Die Revision wird zugelassen.

 

Gründe

I. Wegen des Sach- und Streitstandes wird zunächst auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO).

Die Klägerin ist eine Berufsvertretung der Apotheken im Bezirk X. Zu ihren Aufgaben zählt es, die Einhaltung der Berufspflichten der Apotheken zu überwachen.

Die Beklagte ist eine in den Niederlanden ansässige Versandapotheke, die verschreibungspflichtige Arzneimittel an Kunden nach Deutschland liefert.

Im März 2015 warb die Beklagte bundesweit mit einem Flyer für ein "großes Gewinnspiel", mit dem als Hauptpreis ein Gutschein für ein E-Bike im Wert von 2.500,- EUR sowie neun Philips-Sonicare-Diamond-Clean-Sets ausgelobt wurden. Wegen der Gestaltung des Flyers wird auf den Tenor dieses Urteils Bezug genommen. Voraussetzung für die Teilnahme an der Verlosung war das Einsenden eines Rezepts.

Die Klage ist darauf gerichtet, es der Beklagten zu verbieten, gegenüber Endverbrauchern in Deutschland ein Gewinnspiel auszuloben, das an die Einlösung eines Rezepts gekoppelt ist, wenn dies geschieht wie aus dem Tenor dieses Urteils ersichtlich.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Klägerin stehe kein Unterlassungsanspruch aus §§ 3, 3a UWG In Verbindung mit § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 13 HWG zu, weil das Gewinnspiel der Beklagten keinen Vorschub zu einer unzweckmäßigen oder übermäßigen Verwendung von Arzneimitteln leiste. Im Übrigen sei § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 13 HWG im Hinblick auf die Entscheidung des EuGH vom 19.10.2016 (GRUR 2016, 1312 - DocMorris/Deutsche Parkinsonvereinigung) europarechtskonform dahingehend auszulegen, dass diese Vorschrift für EU-ausländische Versandapotheken nicht gilt, soweit es um verschreibungspflichte Arzneimittel gehe, weil EU-ausländische Versandapotheken der deutschen Festpreisbindung für Arzneimittel nicht unterlägen.

Es liege auch kein Verstoß gegen § 7 Abs. 1 HWG vor, denn aus der genannten Entscheidung folge zugleich, dass sich EU-ausländische Versandapotheken nicht an die Preisbindung halten müssten, das heißt die deutschen Festpreise für Arzneimittel unterschreiten dürften. Dann müsse es aber auch möglich sein, einen Barrabatt, einen Bonus oder einen sonstigen geldwerten Vorteil (z.B. die Teilnahme an einem Gewinnspiel) zu gewähren, der den Erwerb festpreisgebundener Arzneimittel günstiger erscheinen lasse. Schließlich sei die Koppelung der Teilnahme des Gewinnspiels an die Einlösung eines Rezepts nicht nach §§ 3, 3a UWG in Verbindung mit § 129 Abs. 2 SGB V, § 2b Abs. 2 Satz 2 des Rahmenvertrages zwischen dem Spitzenverband der Deutschen Krankenkassen und dem Deutschen Apothekerverband unlauter. Denn es handele sich nicht um Marktverhaltensregelungen im Sinne von § 3a UWG.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin. Erstmals in der Berufungsinstanz erhebt die Klägerin den Vorwurf, die Beklagte betreibe einen illegalen Versandhandel, da sie Arzneimittel in Deutschland lagere und innerhalb Deutschlands versende. Sie könne sich deshalb nicht auf eine niederländische Versandhandelse...

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