Entscheidungsstichwort (Thema)
Verwirkung der Ausübung des Widerrufsrechts
Leitsatz (amtlich)
1. Im Falle einer unwirksamen Widerrufsbelehrung, durch die der Verbraucher entgegen dem Gebot der Deutlichkeit über den Fristbeginn im Unklaren gelassen wird, kann sich die beklagte Bank auch nicht auf einen Vertrauensschutz berufen, wenn diese kein Formular verwendet hat, die dem bezeichnen Muster der Anlage 2 zu § 14 Abs. 1 und 3 BGB InfoV a.F. in der jeweils maßgeblichen Fassung in jeder Hinsicht vollständig entsprochen hat (Fortführung BGH, WM 2011,1799 ff.).
2. Eine Verwirkung der Ausübung des Widerrufsrechts setzt regelmäßig eine illoyal verspätete Inanspruchnahme eines Schuldners voraus, indem unter dem Gesichtspunkt der unzulässigen Rechtsausübung (§ 242 BGB), insoweit neben der zeitlichen Grenze für die Rechtsausübung zusätzlich immer auch ein Umstandsmoment erforderlich ist. Die bloße Hoffnung der Beklagten, auf ihr eigenes Schweigen hin werde auch der Kläger die Anlageentscheidung im Laufe der Zeit vielleicht auf sich beruhen lassen, ist allein nicht geeignet, ein schutzwürdiges Vertrauen zu begründen.
Verfahrensgang
LG Gießen (Urteil vom 05.09.2014; Aktenzeichen 3 O 111/14) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 5.9.2014 verkündete Urteil des LG Gießen teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 2.731,96 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 4.1.2014 zu zahlen.
2. Es wird festgestellt, dass der Beklagten gegen den Kläger aus dem Darlehensvertrag vom 30.12.2003 keine Ansprüche zustehen.
3. Die Verurteilung gem. Ziff. 1. und 2. erfolgt Zug um Zug gegen Übertragung aller Rechte des Klägers aus der Kommanditbeteiligung an der A GmbH & Co ... KG (B-Fonds ...) über einen Beteiligungsbetrag von 25.000 EUR. an die Beklagte.
4. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Annahme der Übertragung der Rechte aus der Kommanditbeteiligung gem. Ziff. 3. seit dem 4.1.2014 in Verzug befindet.
5. Im Übrigen werden die Klage und die Hilfswiderklage abgewiesen und die Berufung zurückgewiesen.
Die Beklagte hat die Kosten der Berufung zu tragen. Im Übrigen bleiben die Kosten des Rechtsstreits gegeneinander aufgehoben
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Der Kläger nimmt die Beklagte auf die Rückabwicklung der von ihm am 18.12.2003 gezeichneten Beteiligung an der A-GmbH & Co ...-KG, B Nr ... (im Folgenden: A I) in Anspruch, indem er zuletzt die Zahlung von 3.300,56 EUR Zug um Zug gegen die Übertragung aller Rechte des Klägers aus der Kommanditbeteiligung an A I sowie die Feststellung, dass der Beklagten gegen den Kläger aus dem zwischen den Parteien zustande gekommenen Darlehensvertrag keine Ansprüche zustehen, geltend gemacht hat.
Mit der Beitrittsvereinbarung vom 18.12.2003 (Anlage K 1) beteiligte sich der Kläger mit einem Nennbetrag von 25.000 EUR zuzüglich eines Agios in Höhe von 420 EUR an dem geschlossenen Fonds A I, wobei sich die Erbringung der Mittel für diese Beteiligung in eine eigenfinanzierte Einlage in Höhe von 14.000 EUR und eine fremdfinanzierte Einlage in Höhe von 11.000 EUR aufspaltete. Mit der Unterzeichnung der Beitrittsvereinbarung unterzeichnete der Kläger zugleich einen Antrag gegenüber der Beklagten auf Anteilsfinanzierung in Höhe von 11.000 EUR in Form einer Inhaberschuldverschreibung nebst Zins- und Tilgungsvereinbarung mit einer Laufzeit bis zum 22.12.2009. Im Fondsprospekt bezüglich des so bezeichneten unternehmerischen Beteiligungsfonds, wegen dessen Inhalt auf die Anlage K 10 Bezug genommen wird, findet sich auf Seite 98 ff. das Formular der Beitrittserklärung, zu der die auf Seite 101 folgenden und so überschriebenen "Widerrufsbelehrungen B 143 für eine Beteiligung an der A-GmbH &...-KG" gehören.
In der so überschriebenen Widerrufsbelehrung Nr. 2 zum Vertrag über die Begebung und Übernahme einer Inhaberschuldverschreibung heißt es unter anderem:
"Widerrufsrecht:
Sie können Ihre
1. in der Beitrittsvereinbarung enthaltene, auf die Aufnahme der Fremdfinanzierung (Vertrag über die Begebung und Übernahme einer Inhaberschuldverschreibung) gerichtete Willenserklärung an den Treuhänder/Verwalter ab Unterzeichnung dieser Beitrittsvereinbarung und
2. die in Ihrem Namen von dem Treuhänder/Verwalter abgegebenen Willenserklärungen zur Aufnahme der Fremdfinanzierung (Vertrag über die Begebung und Übernahme einer Inhaberschuldverschreibung) innerhalb von zwei Wochen ohne Angabe von Gründen in Textform (z.B. Brief, Fax, E-Mail) widerrufen. Die Frist beginnt frühestens mit Erhalt dieser Belehrung. Zur Wahrung der Widerrufsfrist genügt die rechtzeitige Absendung des Widerrufs. Der Widerruf ist zu richten an:
C GmbH ...
... Straße ..., Stadt1
Fax:...
eMail:... de
Im Falle der Erklärung zu 2. handelt die C GmbH ... als Empfangsbote für die D- Bank Stadt2 E-Bank."
Die Teilfinanzierung bei der Beklagte in Höhe des Darlehensbetrages von 11.000 EUR war Ende 2009 vollständig zurück...