Entscheidungsstichwort (Thema)
Nachhaftung gem. § 117 VVG für sog. Kurzkennzeichen
Leitsatz (amtlich)
Auch bei sog. "Kurzkennzeichen" ist der Versicherer gegenüber Dritten ebenfalls der Nachhaftung nach § 117 VVG unterworfen.
Normenkette
VVG § 117
Verfahrensgang
LG Darmstadt (Entscheidung vom 02.02.2017; Aktenzeichen 3 O 192/16) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das am 2.2.2017 verkündete Urteil des Einzelrichters der 3. Zivilkammer des Landgerichts Darmstadt wird zurückgewiesen und das Urteil wegen der teilweisen Klagerücknahme zur Klarstellung wie folgt neu gefasst:
Unter Abweisung der weitergehenden Klage wird die Beklagte verurteilt, an den Kläger 9.732,36 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 6.2.2016 zu zahlen.
Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger von den vorgerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 887,03 EUR der Rechtsanwälte X freizustellen.
Die Kosten des Rechtsstreits in erster und zweiter Instanz haben die Beklagte zu 95% und der Kläger zu 5% tragen.
Das Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Gebührenstreitwert für das Berufungsverfahrens wird auf 10.334,93 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Parteien streiten über die Nachhaftung gemäß § 117 VVG bei einem so genannten Kurzkennzeichen.
Der Kläger nimmt die Beklagte wegen eines Verkehrsunfalls in Anspruch, der sich am 15.6.2014 ereignete. Der Unfallverursacher hatte für sein Fahrzeug mit dem Kurzzeitkennzeichen ... bei der Beklagten Versicherungsschutz für die Zeit vom 10.6. bis 14.6.2014. Gegenüber dem Geschädigten verweigerte die Beklagte die Regulierung des Schadens in Höhe von 8.384,32 EUR, weil der Schaden nach Ablauf des 14.6.2014 entstanden war. Daraufhin hat sich der Geschädigte an den Kläger gewandt. Dessen Regulierungshelfer, die Versicherung1, hat den Schaden bezahlt und dem Kläger neben der Schadenssumme eine Regulierungsgebühr in Höhe von 1.348,04 EUR in Rechnung gestellt. Nachdem die Beklagte eine Regulierung auch gegenüber dem Kläger verweigert hat, hat dieser mit der Klage eine Forderung von 10.334,94 EUR geltend gemacht, sowie die Feststellung verlangt, dass die Beklagte verpflichtet sei, weitere Aufwendungen des Klägers anlässlich des Unfalls zu ersetzen.
Der Kläger hält die Beklagte für eintrittspflichtig und beruft sich auf den Wortlaut des § 117 VVG sowie auf eine Entscheidung des Landgerichts Darmstadt vom 30.6.2015, in welcher ebenfalls auf den Wortlaut der Vorschrift abgestellt worden war.
Die Beklagte ist der Ansicht, sie sei nicht einstandspflichtig, und hat dies damit begründet, dass eine Nachhaftung von einem Monat bedeuten würde, dass der Versicherungsvertrag nur für fünf Tage abgeschlossen werde, die Versicherung aber insgesamt einen Monat und fünf Tage hafte. Es bestehe zudem kein Rechtsschein für das Bestehen von Versicherungsschutz für den Geschädigten, da auf dem Kfz-Kennzeichen die Dauer des Versicherungsschutzes und der Zulassung aufgedruckt sei. Außerdem komme eine Nachhaftung nach § 117 Abs. 2 S. 5 VVG nicht in Betracht, wenn es keine Stelle gebe, welche zur Entgegennahme einer Mitteilung über das Nichtbestehen bzw. die Beendigung des Versicherungsverhältnisses bestimmt sei. Bei Kurzkennzeichen sei dies der Fall, weil bei diesen keine Mitteilung gemäß § 25 Abs. 5 FZV erforderlich sei. Die Beklagte verweist auf Entscheidungen des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 9.9.2011, des Amtsgerichts Jülich vom 20.12.2013, letztere Entscheidung bestätigt vom Landgericht Aachen mit Hinweisbeschluss vom 10.3.2014. Schließlich wendet sich die Beklagte gegen die Höhe der vorgerichtlichen Anwaltskosten.
Bezüglich des weiteren Sach- und Streitstandes und der Anträge in erster Instanz wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils (Bl. 249 ff. d.A.) verwiesen.
Das Landgericht hat der Klage mit dem angefochtenen Urteil in der geforderten Höhe stattgegeben und lediglich den Feststellungsantrag zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt: Aus § 25 FZV ergebe sich nicht, dass es keine zuständige Stelle für die Mitteilung des Erlöschens des Versicherungsschutzes gebe. Vielmehr würden der Zulassungsstelle bei der Bekanntgabe der Deckung gleichzeitig auch die Angaben über das Ende der Versicherungsdauer mitgeteilt. Einziger Unterschied bei Kurzkennzeichen sei, dass die Zulassungsstelle nicht tätig werden und keine Stilllegung durchführen müsse. Die Rechtsscheinsargumentation überzeuge nicht, weil gerade ein Vertrag vorgelegen habe. Der Hinweis auf die Kommentierung greife nicht, da der Rechtschein erörtert werde im Zusammenhang mit jenen Fällen, in denen ein Versicherungsvertrag gerade nicht zustande gekommen sei. Nur bei diesen Fällen bedürfe es eines Rechtsscheins. Nicht dagegen in Fällen, in denen ein Vertrag rechtswirksam zustande gekommen war und beendet ist.
Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten, mit der sie die Klageabweisung unter weitgehender Wiederholung ihrer bisherigen Argumente weiterverfolgt.
Ergänzend trägt ...