Entscheidungsstichwort (Thema)

Zur Erforderlichkeit von substandtiierten Darlegungen zu Erfindungsbesitz und Wissenstransfer bei Patentvindikationsanspruch

 

Leitsatz (amtlich)

1. Zur Frage des anwendbaren Rechts bei einem Patentvindikationsanspruch hinsichtlich der zu übertragenden ausländischen Patente

2. Zur Frage des erforderlichen Vortrags zur Inhaberschaft der Erfindung nach Art. 60 EPÜ, Art. II § 5 (1) IntPatÜbkG (hier: Verfahren zur Herstellung von Silikonimplantaten)

3. Zur Darlegungslast des Vindikationsklägers in Bezug auf die Kausalität zwischen Erfindung und Patentanmeldung (Wissenstransfer)

 

Normenkette

EPÜ Art. 60;, II § 5; Rom II-VO Art. 8, 13-14

 

Verfahrensgang

LG Frankfurt am Main (Urteil vom 03.04.2019; Aktenzeichen 2-06 O 378/17)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 26.07.2022; Aktenzeichen X ZR 1/21)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt vom 3.4.2019, Az. 2-06 O 378/17 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich der Auslagen des Streithelfers zu tragen.

Dieses Urteil und das Urteil des Landgerichts sind vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund der Urteile vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

 

Gründe

I. Die Parteien streiten um einen Vindikationsanspruch an einem europäischen Patent.

Die Klägerin ist eine in Brasilien ansässigen Herstellerin von Silikonimplantaten. Die Beklagte bezog früher Produkte von der Klägerin und fungierte als deren Distributorin in Deutschland. Der Streithelfer der Beklagten war Gesellschafter und überwiegend auch Geschäftsführer der Beklagten.

Nach dem Ende der Zusammenarbeit im Jahr 2008 meldete die Beklagte das streitgegenständliche europäische Patent EP (...) betreffend ein Verfahren zur Herstellung von Implantaten und dadurch erzeugte Implantate als europäisches Patent an, dessen Erteilung am XX.XX.2015 veröffentlicht wurde.

Das Landgericht hat durch Urteil vom 3.4.2019, auf das gemäß § 540 Abs. 1 ZPO im Hinblick auf die tatsächlichen Feststellungen Bezug genommen wird, die auf Vindikation, Auskunft sowie Feststellung der Schadenersatzpflicht gerichtete Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Klägerin stehe der geltend gemachte Patentvindikationsanspruch nicht zu, da es an einer substantiierten Darlegung fehle, dass die Klägerin der Beklagten das von ihr entwickelte Verfahren mitgeteilt habe. Während die Klägerin nur pauschal auf einen Besuch der Mitarbeiter A und B im Werk Stadt1 verwiesen habe, habe die Beklagte konkret dargelegt, dass der Mitarbeiter B nur einmal im Sommer 1994 für eine Woche in Brasilien gewesen sei und kein Kontakt zu Frau C gehabt habe und auch keinen relevanten Einblick in das Herstellungsverfahren erhalten habe. Auch der Mitarbeiter A habe das Werk der Klägerin nur einmal im Jahr 2003 - also vor dem behaupteten Wissenstransfer - besucht. Aus der Tatsache, dass die Beklagte für die Klägerin aufgrund des zwischen den Parteien geschlossenen D-Vertrages für die Erlangung der für den Vertrieb in Europa notwendigen CE-Zertifizierung zuständig war, lasse sich ein Wissenstransfer nicht entnehmen. Insoweit habe die Beklagte einen Einblick in das Herstellungsverfahren nicht benötigt. Zwar hätten ab Geltung der Medizinprodukterichtlinie im Jahr 2003 auch Angaben zu dem Herstellungsverfahren gemacht werden müssen, was aber nicht den Grad der Spezifizierung der einzelnen Verfahrensschritte erreicht habe. Insofern habe die benannte Stelle die Information auch von der Klägerin erhalten, so dass es nicht ihre Aufgabe gewesen sei, der benannten Stelle die Einzelheiten des Herstellungsverfahrens bei der Klägerin mitzuteilen.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin, mit der sie ihre erstinstanzlichen Klageanträge weiterverfolgt. Sie macht im Wesentlichen geltend, das Landgericht sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass Informationen über die Beschaffenheit der Implantate zum Beleg ihres Erfindungsbesitzes irrelevant sein. Das Landgericht habe es darüber hinaus versäumt, ein Anspruch auf Einräumung einer Mitberechtigung zu prüfen.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

das angefochtene Urteil abzuändern und

1. die Beklagte zu verurteilen, sämtliche nationalen Teile des europäischen Patents EP (...), nämlich

  • Österreich (...)
  • Belgien
  • Schweiz
  • Liechtenstein
  • Tschechische Republik
  • Deutschland (...)
  • Dänemark
  • Spanien (...)
  • Finnland
  • Frankreich
  • Großbritannien
  • Irland
  • Italien (...)
  • Niederlande
  • Polen
  • Portugal
  • Schweden
  • Türkei (...)

auf die Klägerin zu übertragen und in die Umschreibung der nationalen Teile gegenüber den jeweiligen nationalen Patentämtern einzuwilligen;

2. die Beklagte zu verpflichten, der Klägerin darüber Auskunft zu erteilen, in welchem Umfang sie, die Beklagte, seit den 25.11.2015 ein Verfahren zur Herstellung von Implantaten oder Zwischenprodukten solcher Implantate umfassend

a) da...

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