Entscheidungsstichwort (Thema)
Schutz von Computerprogrammen (Dekompilierung; Entfernung des google-codes auf Quellcodeebene)
Leitsatz (amtlich)
1. Nimmt der Unterlassungsantrag auf das kopierte Produkt Bezug, genügt dies der Beschreibung der konkreten Verletzungsform im Hinblick auf die im Raum stehende identische Übernahme.
2. Gemäß § 69a Abs. 2 UrhG ist ein Computerprogramm in jeder Ausdrucksform geschützt, d.h. auch durch Darstellung eines Objektcodes.
3. Bei komplexen Computerprogrammen besteht eine Vermutung für die hinreichende Individualität der Programmgestaltung.
4. Das Recht auf Bearbeitung nach § 69c Abs. 1 Nr. 1, 2 UrhG wird durch Dekompilierung eines Computerprogramms verletzt.
5. Die Gewährung eines Testzugangs stellt eine öffentliche Zugänglichmachung des Computerprogramms dar.
6. Eine unangemessene niedrige Vergütungsvereinbarung ist nicht unwirksam, sondern löst ggf. einen Anspruch auf Einwilligung in eine Änderungsvereinbarung gem. § 32 Abs. 3 UrhG aus.
Normenkette
UrhG § 31 Abs. 5, § 32 Abs. 3, § 69a Abs. 2, § 69c Abs. 1 Nrn. 1-2, § 69d; ZPO § 148
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Urteil vom 14.08.2013; Aktenzeichen 2-6 O 97/12) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des LG Frankfurt/M. vom 14.8.2013 und die Anschlussberufung des Klägers zu 2) werden zurückgewiesen.
Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Dieses Urteil und das Urteil des LG sind vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Parteien streiten um urheberrechtliche Unterlassungs-, Auskunfts-, Schadensersatz- und Zahlungsansprüche bezüglich der Entwicklung und Nutzung einer Software zur Verwaltung von Unternehmensdaten.
Wegen der tatsächlichen Feststellungen und der erstinstanzlich gestellten Anträge wird gem. § 540 Abs. 1 ZPO auf den Tatbestand des landgerichtlichen Urteils Bezug genommen.
Das LG Frankfurt/M. hat die Beklagte u.a. verurteilt, es zu unterlassen, das Computerprogramm mit der Bezeichnung "X ...", das als Anlage K46 in Objektcodeform auf Datenträger in der Version Y beigefügt ist, zu bearbeiten und/oder zu dekompilieren und solche Werke zu verbreiten, anzubieten, zu vervielfältigen, zu vertreiben und insbesondere im Internet öffentlich zugänglich zu machen. Darüber hinaus hat das LG die Beklagte zur Auskunftserteilung an die Klägerin zu 1) über den Umfang der unter den Ziff. 1) und 2) näher bezeichneten Verletzungshandlungen ab dem 1.6.2011 verpflichtet, insbesondere über die Intensität der Nutzung und/oder Verwertung des dort beschriebenen Computerprogramms sowie über die seit dem 1.6.2011 durch Verwertung des Computerprogramms erzielten Umsätze, einschließlich etwaiger Lizenz-, Wartungs- oder Pflegeerlöse, aufgeschlüsselt nach Kalenderjahren. Des Weiteren hat das LG die Beklagte verurteilt, der Klägerin zu 1) Auskunft zu erteilen über die mit der unter Ziff. 1) näher beschriebenen Software "X ..." zwischen dem 1.1.2011 und 30.5.2011 erzielten Umsätze, sowie zur Zahlung und Feststellung einer Ersatzpflicht für Schäden aus Verstößen gegen die Unterlassungsgebote. Der Widerklage der Beklagten gegen die Kläger zu 1) und 2) und Herrn A als Drittwiderbeklagten auf Erstattung von Kosten im Zusammenhang mit dem Abmahnschreiben, hat das LG ebenfalls zum Teil stattgegeben.
Gegen das Urteil legte die Beklagte am 13.9.2013 Berufung ein.
Die Beklagte ist der Auffassung, die Klage sei mangels Bestimmtheit der Klageanträge zu 1) - 4) und 8) unzulässig. Es fehle an der Angabe eines bestimmten Gegenstandes und Grundes. Die Beklagte begründet dies insbesondere unter Hinweis auf die Ausführungen des Gerichts auf Seite 42 des angefochtenen Urteils damit, dass die als Anlage K46 vorgelegte Zusammenstellung von Dateien nicht eine konkrete Verletzungsform beschreibe, sondern vielmehr ein Werkoriginal darstelle. Die als Anlage K46 mitgeteilte Software sei gerade nicht Gegenstand der vermeintlichen Rechtsverletzungen, wie sie in den Ziff. 1) und 2) des Urteilstenors beschrieben werden, die beschriebenen Verletzungshandlungen bezögen sich nur auf einen Teil der als Anlage K46 vorgelegten Software. Dies habe das erstinstanzliche Gericht auf Seite 41, letzter Absatz, des angefochtenen Urteils selbst ausgeführt. Die Verletzungshandlung sei nach dem Tenor des LG auf eine Kern- oder Core-Software beschränkt. Auch Fremdsoftware-Bestandteile seien im Urteil nicht näher bezeichnet. Insofern sei widersprüchlich, dass sich nach der Begründung des Auskunftsanspruchs dieser nicht nur auf den vollständigen als Anlage K46 vorgelegten Objektcode inklusive Fremdsoftware beziehen solle, sondern durch diesen noch nicht einmal abschließend umrissen sei, was gegen § 308 Abs. 1 ZPO verstoße. Die Annahme des LG, dass ein Sachverständiger einen Verstoß ohne wei...