Entscheidungsstichwort (Thema)
Aufwendungsersatzanspruch der Gemeinde für Schäden an Feuerwehr-Einsatzfahrzeugen
Verfahrensgang
LG Gießen (Urteil vom 06.03.2003; Aktenzeichen 3 O 170/01) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das am 6.3.2003 verkündete Urteil der 3. Zivilkammer des LG Gießen wird zurückgewiesen.
Die Beklagten haben die Kosten der Berufung zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
Die Berufung ist nicht begründet. Zu Recht hat das LG der Klägerin einen Aufwendungsersatzanspruch gem. §§ 683, 670 BGB, 3 Pflichtversicherungsgesetz wegen der Schäden, die bei der Beseitigung der am 18.12.1999 in die Kanalisation gelangten Schwefelsäure an dem eingesetzten Kanalspülfahrzeug entstanden sind, in voller Höhe zuerkannt.
Es ist nicht zweifelhaft, dass der Einsatz der Berufsfeuerwehr der Klägerin zur Beseitigung der in die Kanalisation gelangten Schwefelsäure die Voraussetzungen einer Geschäftsführung ohne Auftrag zu Gunsten des Beklagten zu 1) erfüllt, der diese Gefahrenlage verursacht hatte und für ihre Beseitigung verantwortlich war. Dass die Berufsfeuerwehr der Klägerin bei dem Einsatz zugleich auch eigene Pflichten erfüllte, ist in diesem Zusammenhang ohne Belang (BGH BGHZ 40, 28; Palandt/Sprau, BGB, 61. Aufl., § 677 Rz. 7 m.w.N.).
Es ist anerkannt, dass der Geschäftsführer ebenso wie für Opfer an Leib oder Leben (BGH v. 4.5.1993 – VI ZR 283/92, MDR 1993, 621 = NJW 1993, 2234 [2235]) auch für Sachschäden, die ihm bei der Geschäftsbesorgung entstehen, Ersatz verlangen kann. Derartige Opfer, die bei einem Tätigwerden zur Abwehr einer einem anderen drohenden Gefahr entstehen, zählen zu den Aufwendungen i.S.d. §§ 670, 683 BGB (BGH v. 4.5.1993 – VI ZR 283/92, MDR 1993, 621 = NJW 1993, 2234 [2235]). Voraussetzung ist allerdings, dass sich das Opfer aus der mit der Geschäftsführung verbunden Gefahr ergeben hat. Es muss sich – in Parallele zu den Fällen des Schadensersatzanspruchs aus dem Gesichtspunkt der Herausforderung – um eine tätigkeitsspezifische gesteigerte Gefahr handeln (BGH v. 4.5.1993 – VI ZR 283/92, MDR 1993, 621 = NJW 1993, 2234 [2235]; Seiler in MünchKomm/BGB, 3. Aufl., § 683 Rz. 19 m.w.N.). So liegt es hier. Das mit dem Feuerwehreinsatz zur Unschädlichmachung des Gemischs aus Schwefelsäure und Wasser/Schlamm verbundene Risiko liegt in der hier eingetretenen Schädigung des eingesetzten Materials durch die spezifischen Gefahren der Säure.
Unstreitig war es erforderlich, den Abschnitt der Kanalisation, in welchen die Schwefelsäure gelangt war, zu spülen, das Schwefelsäure-Schlamm-Gemisch aufzusaugen und zu entsorgen. Allerdings war es objektiv nicht erforderlich, für die Druckspülung das nicht korrosionsbeständige Kanalspülfahrzeug der Klägerin einzusetzen. Nach dem Gutachten des Sachverständigen K. hätte die Berufsfeuerwehr der Klägerin die gleiche Maßnahme vielmehr in der Weise ausführen können, dass das Kanalspülfahrzeug der Klägerin allein die Druckspülung in dem betroffenen Kanalabschnitt ausführte und das Tankfahrzeug der Berufsfeuerwehr i.V.m. der vorhandenen säurebeständigen Pumpe, die am Ende des Gefälles hätte aufgestellt werden können, die ablaufende Schlammsuspension aufnimmt. In diesem Fall wäre allein der Spülkopf des nicht korrosionsbeständigen Kanalspülfahrzeuges mit der verdünnten Schwefelsäure in Kontakt gekommen und der Schaden am Kanalspülfahrzeug weitgehend vermieden worden.
Indes steht der Umstand, dass der entstandene Schaden am Kanalspülfahrzeug bei der vom Sachverständigen aufgezeigten Vorgehensweise weitgehend hätte vermieden werden können, dem Aufwendungsersatzanspruch der Klägerin nicht entgegen. Denn die bei dem Feuerwehreinsatz handelnden Bediensteten der Klägerin durften den konkreten Einsatz des Kanalspülfahrzeuges den Umständen nach für erforderlich halten (§ 670 BGB). Maßgeblich ist, ob die Aufwendung aus Sicht des Aufwendenden zum Zeitpunkt der Vornahme, aber vom Standpunkt eines nach verständigem Ermessen Handelnden, erforderlich war (subjektiv-objektive Beurteilung ex ante, Seiler in MünchKomm/BGB, 3. Aufl., § 670 Rz. 8; Palandt/Sprau, BGB, 61. Aufl., § 670 Rz. 4; BGH v. 19.9.1985 – IX ZR 16/85, BGHZ 95, 375 = MDR 1986, 229; Gehrlein, VersR 1998, 1330 [1333]). So liegt es hier. Die handelnden Bediensteten der Klägerin haben deren Kanalspülfahrzeug auf der Grundlage einer sorgfältigen und den Umständen des Falles angemessenen Prüfung eingesetzt. Die Druckspülung des betroffenen Kanalabschnitts war objektiv notwendig, da reines Saugen ohne vorherige Druckspülung nicht den benötigten Reinigungseffekt liefern konnte. Ein säurebeständiges Fahrzeug zur Druckspülung war nach dem Gutachten K. in angemessener Zeit nicht zu beschaffen. Die Bediensteten der Berufsfeuerwehr gingen umsichtig vor, indem sie zunächst Mitarbeiter der unteren Wasserbehörde und des staatlichen Umweltamtes hinzuzogen, ferner die Feuerwehr der Stadt L. mit deren Gerätewagen. Telefonische Nachfragen bei der Firma P. Kanalreinigung und bei TUIS (Transp...