Entscheidungsstichwort (Thema)
Tatrichterliche Entscheidung zum Mord an einem hessischen Regierungspräsidenten aus politischen Gründen
Normenkette
StGB §§ 57a, 66a, 211
Tenor
Der Angeklagte X wird wegen Mordes zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt.
Die Schuld des Angeklagten X wiegt besonders schwer.
Die Anordnung der Sicherungsverwahrung des Angeklagten X bleibt vorbehalten.
Im Übrigen wird der Angeklagte X freigesprochen.
Die Wärmebildkamera des Typs FLIR Scout TK Compact und das Fahrzeug VW Caddy, amtliches Kennzeichen …, Fahrzeugidentifikationsnummer …, werden eingezogen.
Der Angeklagte Y wird wegen vorsätzlichen unerlaubten Besitzes eines wesentlichen Teils einer vollautomatischen Schusswaffe zum Verschießen von Patronenmunition zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wird.
Im Übrigen wird der Angeklagte Y freigesprochen.
Die Maschinenpistole „Madsen“, Modell 50, wird eingezogen.
Im Umfang ihrer Verurteilungen haben die Angeklagten die Kosten des Verfahrens zu tragen. Im Übrigen fallen diese Kosten und die notwendigen Auslagen der Angeklagten der Staatskasse zur Last.
Angewendete Vorschriften:
betreffend den Angeklagten X:
§§ 211 Abs. 1 und Abs. 2 Gr. 1 Var. 4, Gr. 2 Var. 1, 57a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, 66a Abs. 2, 74 StGB.
betreffend den Angeklagten Y:
§§ 1 Abs. 2, Abs. 3, Abs. 4, 2 Abs. 3; 51 Abs. 1 in Verbindung mit Anlage 2 Abschnitt 1 Nr. 1.2.1.1 WaffG, § 56 StGB, § 54 Abs. 1 Nr. 1 WaffG.
Gründe
Vorbemerkung:
Bewaffnet mit einem mit fünf Patronen des Kalibers 38 geladenen Revolver der Marke Rossi begab sich der Angeklagte X am 1. Juni 2019 um ca. 23:20 Uhr bei nächtlicher Dunkelheit auf die Terrasse des in Stadt3-Stadtteil1 gelegenen Wohnhauses des Präsidenten des Regierungspräsidiums der Stadt1 Vorname1 Vorname7 A. Währenddessen saß A, der die Situation für vollkommen ungefährlich hielt und nicht damit rechnete, angegriffen zu werden, auf einem Gartenstuhl auf der Terrasse, rauchte eine Zigarette und beschäftigte sich mit seinem Tablet-Computer („Typ1“). Der Angeklagte X trat von rechts kommend auf A zu und gab in der Absicht, ihn zu töten, aus einer Distanz von etwa 100 bis 150 Zentimetern mit dem Revolver einen gezielten Schuss auf den Kopf von A ab, der dadurch einen Schädel-Hirndurchschuss erlitt, in dessen Folge er verstarb. Der Angeklagte X handelte dabei nicht aus persönlichen Gründen, sondern aufgrund einer aus Rassismus und Ausländerfeindlichkeit resultierenden Ablehnung der politischen Überzeugung As in Bezug auf Flüchtlinge und dem Verständnis von A als Repräsentant der vom Angeklagten X verhassten, eine liberale Flüchtlingspolitik vertretenden und umsetzenden Politiker. Überdies wollte der Angeklagte X A, den er als „Volksschädling“ ansah, bestrafen.
Der Senat hat den Angeklagten X des Mordes schuldig gesprochen und die besondere Schwere der Schuld festgestellt, die Tatmittel eingezogen und die Anordnung der Sicherungsverwahrung des Angeklagten X vorbehalten.
Soweit dem Angeklagten X in der Anklageschrift des Generalbundesanwalts beim Bundesgerichtshof vom 28. April 2020 weiter vorgeworfen worden war, sich am 6. Januar 2016 tateinheitlich des versuchten Mordes und der vollendeten gefährlichen Körperverletzung schuldig gemacht zu haben, indem er dem Nebenkläger Vorname8 L mit einem Messer in den Rücken stach, hat der Senat den Angeklagten X aus tatsächlichen Gründen freigesprochen.
Den Angeklagten Y hat der Senat wegen vorsätzlichen Besitzes eines wesentlichen Teils einer vollautomatischen Schusswaffe zum Verschießen von Patronenmunition zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt, weil dieser spätestens ab 2014 bis zum 26. Juni 2019 eine Maschinenpistole „Madsen“, Modell 50, als Dekorationswaffe aufbewahrte, bei der ein wesentlicher Teil, nämlich das Griffstück, weiterhin funktionsfähig war. Der Senat hat diese Maschinenpistole eingezogen.
Von dem dem Angeklagten Y weiter zur Last gelegten Vorwurf, sich der Beihilfe zum Mord strafbar gemacht zu haben, indem er dem Angeklagten X Hilfe zur Tötung von A leistete, hat der Senat den Angeklagten Y aus tatsächlichen Gründen freigesprochen.
Eine Verständigung nach § 257c StPO hat nicht stattgefunden.
A. Der Angeklagte X
I. Verurteilung
1. Feststellungen
a) Die Person des Angeklagten X
Der Angeklagte X wurde am XX.XX.1973 in Stadt6 geboren. (…)
Der Angeklagte X entwickelte bereits frühzeitig eine ausgeprägt ausländerfeindliche Einstellung, die er darin bedingt sieht, dass auch, sein Vater ausländerfeindlich gewesen ist; von diesem habe er diese Einstellung übernommen. Eine weitere Ursache sieht der Angeklagte darin, dass er während des Besuchs der Gesamtschule gewalttätige Auseinandersetzungen und Erniedrigungen erlebte, die aus seiner Sicht insbesondere von einer Gruppe türkischstämmiger Schüler einer Parallelklasse ausging.
Die nach seiner Schulzeit auf Wunsch seines Vaters begonnene Ausbildung als Beruf3 brach der Angeklagte X im Jahr 1990 ab, nachdem er das Inter...