Entscheidungsstichwort (Thema)

Berechnung des Gebührenanspruchs für die Abwehr einer teilweise unberechtigten Schutzrechtsverwarnung durch gleichlautendes Schreiben gegenüber 400 Fachhändlern

 

Leitsatz (amtlich)

1. Mahnt ein Patentinhaber 400 Fachhändler wegen einer Patentverletzung mit gleichlautenden Schreiben teilweise unberechtigt ab und treten die Fachhändler ihre Ansprüche wegen der unberechtigen Schutzverwarnung an ihren Zulieferer ab, der diese Ansprüche dann durch einen Rechtsanwalt geltend machen lässt, entsteht nicht für jeden abgemahnten Händler ein gesonderter Gebührenanspruch. Vielmehr handelt es sich bei der Wahrnehmung der Rechte der abgemahnten Händler um eine einheitliche Angelegenheit im Sinne von § 15 RVG.

2. Bei der Bemessung der Höhe des Gegenstandswertes kann es nach der Novembermann-Rechtsprechung (BGH, Urteil vom 6.6.2019 - I ZR 150/18 - Der Novembermann) gerechtfertigt sein, für jeden abgemahnten Händler einen Einzelstreitwert anzusetzen und diesen mit der Anzahl der Abmahnungen zu multiplizieren.

 

Normenkette

RVG-VV Nr. 2300; RVG § 14 Abs. 1 S. 1, § 15

 

Verfahrensgang

LG Frankfurt am Main (Urteil vom 20.07.2011; Aktenzeichen 2-06 O 609/10)

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteils des Landgerichts Frankfurt am Main vom 20.7.2011 teilweise abgeändert.

Die Beklagten zu 2) und 3) werden - neben der Verurteilung der Beklagten zu 1) - als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 15.861,50 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit dem 28.1.2011 zu zahlen.

Die Klägerin hat die Kosten der Revisionsverfahren zu tragen.

Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 2) und 3) in den Berufungsverfahren werden der Klägerin auferlegt.

Im Übrigen bleibt die Kostenentscheidung der Schlussentscheidung vorbehalten.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagten zu 2) und 3) können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten zu 2) und 3) vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.

 

Gründe

I. Die Klägerin nimmt die Beklagten auf Schadensersatz wegen unberechtigter Schutzrechtsverwarnungen in Anspruch.

Die Beklagte zu 1) war Inhaberin des - inzwischen für nichtig erklärten - Patents DE 44 04 978, das eine Antennenanordnung für Satellitenempfänger betrifft.

Die Klägerin vertreibt Satellitenreceiver mit implementierter sog. DiSEqC-Funktion. Im Februar 2007 ließ die Beklagte zu 1) durch ein Drittunternehmen zahlreiche Abnehmer der Klägerin aus dem Fachhandel zur Abgabe eines schriftlichen Angebots über eine drehbare Satellitenempfangsanlage auffordern. Abnehmer der Klägerin, die darauf eingingen, wurden im März 2007 von dem Beklagten zu 2), der mit der Beklagten zu 3) eine Rechtsanwaltskanzlei betrieb, als anwaltlicher Vertreter der Beklagten zu 1) wegen unmittelbarer Verletzung des Patents abgemahnt (im Folgenden: erste Verwarnung) (Anlage K8). Mit Schreiben vom 2.4.2007 legitimierte sich der Prozessbevollmächtigte der Klägerin gegenüber der Beklagten zu 1) und wies die Abmahnung für 400 Abnehmer der Klägerin zurück, nachdem die Klägerin eine Kostenübernahmeerklärung abgegeben und ihre Abnehmer entsprechend informiert hatte.

Mit Schreiben vom 22.6.2007 mahnte der Beklagte zu 2) als anwaltlicher Vertreter der Beklagten zu 1) die Abnehmer der Klägerin wegen mittelbarer Patentverletzung ab (im Folgenden: zweite Verwarnung) (Anlage K12).

Die Klägerin hat die Beklagten wegen unberechtigter Schutzrechtsverwarnungen auf Schadensersatz in Höhe von 1,5 Mio. Euro aus eigenem bzw. aus abgetretenem Recht der verwarnten Abnehmer in Anspruch genommen. Das Landgericht hat die Beklagte zu 1) zur Zahlung von 272.800 EUR verurteilt und die Klage im Übrigen abgewiesen.

Nach Einlegung der Berufung durch die Klägerin ist über das Vermögen der Beklagten zu 1) das Insolvenzverfahren eröffnet und der Rechtsstreit insoweit unterbrochen worden. Hinsichtlich der gegen die Beklagten zu 2) und 3) gerichteten Klage hat der Senat die Berufung durch Teilurteil zurückgewiesen. Auf die Revision der Klägerin hat der BGH dieses Teilurteil aufgehoben und die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen (BGH, Urteil vom 1.12.2015 - X ZR 170/12 = BGHZ 208, 119 - Unberechtigte Schutzrechtsverwarnung II = 1. RU).

Mit Teilurteil vom 9.3.2017 hat der Senat die gegen die Beklagten zu 2) und 3) gerichtete Berufung erneut zurückgewiesen. Auf die erneute Revision der Klägerin hat der BGH auch dieses Teilurteil aufgehoben und die Sache zurückverwiesen, soweit die gegen die Beklagten zu 2) und 3) gerichtete Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts den Antrag betreffen...

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