Entscheidungsstichwort (Thema)
Kein Wettbewerbsverstoß durch Arbeitnehmerüberlassung ohne erforderliche Erlaubnis
Leitsatz (amtlich)
Die Vorschrift des § 1 AÜG, wonach die gewerbliche Arbeitnehmerüberlassung der behördlichen Erlaubnis bedarf, dient dem Schutz der überlassenen Arbeitnehmer und stellt daher keine Marktverhaltensregelung i.S.v. § 4 Nr. 11 UWG dar.
Normenkette
AÜG § 1; UWG § 4 Nr. 11
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Urteil vom 27.02.2014; Aktenzeichen 2-3 O 177/13) |
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das am 27.2.2014 verkündete Urteil der 3. Zivilkammer des LG Frankfurt/M. (Az.: 2-3 O 177/13) wird zurückgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Zwangsvollstreckung des Beklagten durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Zwangsvollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe
I. Die Parteien sind Dienstleistungsunternehmen im Bereich Messeservice. Der Beklagte wirbt in seinem Internetauftritt "X.de" mit der Vermittlung von Personal mit deutscher Muttersprache und guten Englischkenntnissen (Anlage K 1).
Der Beklagte verfügt im Gegensatz zu der Klägerin nicht über eine Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung i.S.d. § 1 Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes (AÜG). Er schließt mit den von ihm vermittelten - größtenteils weiblichen - Personen vorformulierte Verträge ab, wie sie in Anlage K 5 dargestellt sind. Den als "Auftrag" überschriebenen Verträgen liegen die aus Anlage K 6 ersichtlichen Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Beklagten zugrunde. Der Beklagte stellt die von den vermittelten Messehostessen erbrachten Leistungen seinen jeweiligen Kunden in Rechnung und zahlt dann das vereinbarte Honorar an das Messepersonal aus.
Die Klägerin wirft dem Beklagten vor, unerlaubt Arbeitnehmerüberlassung zu betreiben, womit er sich zugleich wettbewerbswidrig verhalte. Er verschaffe sich in unlauterer Weise Wettbewerbsvorteile, indem er sich zum einen Kosten und Aufwendungen für das Zulassungsverfahren, zum anderen Personalverwaltungskosten spare und außerdem gegenüber den Kunden und dem Messepersonal den Eindruck vermittle, besonders "unbürokratisch" zu agieren. Die Klägerin hat den Beklagten auf Unterlassung, Auskunft, Schadensersatz und auf Erstattung der Abmahnkosten in Anspruch genommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird gem. § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil Bezug genommen.
Das LG hat die Klage abgewiesen. Ein wettbewerbsrechtlicher Unterlassungsanspruch bestehe nicht, weil es sich bei der Erlaubnispflicht nach § 1 AÜG um eine reine Marktzutritts- nicht aber um eine Marktverhaltensregel i.S.d. § 4 Nr. 11 UWG handle. Deliktische Ansprüche seien ebenfalls nicht gegeben. Das mit den Annexansprüchen verfolgte Begehren könne deshalb ebenfalls keinen Erfolg haben.
Mit der Berufung verfolgt die Klägerin ihr erstinstanzliches Ziel weiter. Sie wirft dem LG vor, § 4 Nr. 11 UWG nicht richtig angewendet, § 1 AÜG unzutreffend ausgelegt und die §§ 9, 10 AÜG in ihrer rechtlichen Tragweite für den hiesigen Streitgegenstand übersehen zu haben.
Es müsse berücksichtigt werden, dass die für die Erlaubniserteilung nach § 3 AÜG erforderlichen Kenntnisse und sonstigen Voraussetzungen auch Auswirkungen auf das Marktverhalten eines Verleihers hätten und dass dieser Vorschrift daher eine Schutzfunktion für die Marktpartner inne wohne.
Ferner habe das LG übersehen, dass die Messehostessen als abhängig beschäftigte Arbeitnehmerinnen zugleich Verbraucherinnen i.S.v. § 2 Abs. 2 UWG seien. In seinem Urteil vom 31.5.2012 (Az. I ZR 45/11 - Missbräuchliche Vertragsstrafe) habe der BGH klargestellt, dass eine Marktverhaltensregelung bereits dann vorliege, wenn ein Verstoß gegen die sachliche Sorgfalt des Unternehmers bestehe und wenn dieser Verstoß geeignet sei, Verbraucher davon abzuhalten, berechtigte Ansprüche geltend zu machen. Dies müsse sinngemäß auf die Situation der Messehostessen übertragen werden, die in der Regel nicht darüber informiert seien, das ihnen sozialversicherungsrechtliche Ansprüche bei einer Beschäftigung durch einen Verleiher i.S.d. Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes zustünden.
Die Klägerin beantragt, das angefochtene Urteil abzuändern und
1. den Beklagten zu verurteilen, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000 EUR, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr
Arbeitsvermittlung in Form der Vermittlung von Standpersonal an Aussteller auf Messen gemäß den Bedingungen in Anlagen K 5 und 6 zur Klageschrift zu betreiben, solange und soweit er nicht ...