Entscheidungsstichwort (Thema)
Verbraucherdarlehensvertrag: Schutzwirkung des § 14 I BGB-InfoV nur bei Übereinstimmung mit Musterwiderrufsbelehrung ohne inhaltliche Bearbeitung
Normenkette
BGB-InfoV § 14; BGB § 242
Verfahrensgang
LG Hanau (Urteil vom 13.05.2015; Aktenzeichen 7 O 1017/14) |
Tenor
Auf die Berufung der Kläger wird das Urteil der 7. Zivilkammer des LG Hanau vom 13.5.2015 wie folgt abgeändert:
Es wird festgestellt, dass der zwischen der Beklagten und den Klägern abgeschlossene Darlehensvertrag Kontonr ... 1 vom 29.4.2008 durch den Widerruf der Darlehensnehmer aufgelöst ist und die Beklagte aus dem Darlehensverhältnis keine Leistung mehr verlangen kann.
Die Beklagte wird verurteilt, an die Kläger 2.203,40 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16.7.2014 zu zahlen.
Die Hilfswiderklage wird abgewiesen.
Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leisten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Hinsichtlich des Sachverhalts wird zunächst auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil, die keiner Änderung oder Ergänzung bedürfen, gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen.
Die Kläger machen gegen die Beklagte einen Anspruch auf Feststellung der Auflösung eines Darlehensvertrags aufgrund Widerrufs und auf Zahlung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten geltend.
Das LG hat die Klage abgewiesen mit der Begründung, dass sie mangels wirksamen Widerrufs unbegründet sei.
Den Klägern stehe kein Anspruch auf Feststellung der Auflösung des streitgegenständlichen Darlehensvertrags zu. Der mit Schriftsatz vom 30.6.2014 erklärte schriftliche Widerruf der auf Abschluss des streitgegenständlichen Darlehensvertrags gerichteten Willenserklärung der Kläger sei verfristet, da die zweiwöchige Widerrufsfrist durch Übergabe der Vertragsunterlagen samt Widerrufsbelehrung in Gang gesetzt worden sei. Zwar sei die erteilte Widerrufsbelehrung zum Darlehensvertrag vom 29.4.2008 (Anlage B 1) fehlerhaft gewesen, weil die Belehrung über den Fristlauf mit "frühestens" nicht dem Deutlichkeitsgebot des § 355 Abs. 2 BGB a.F. genügt habe. Der Beklagten komme jedoch insoweit hinsichtlich der von ihr verwendeten Widerrufsbelehrung der durch die im Zeitraum vom 8.12.2004 bis 31.3.2008 geltende Fassung der Musterbelehrung in Anlage 2 zur anzuwendenden Regelung des § 14 Abs. 1, 3 BGB-InfoV a.F. erzeugte Vertrauensschutz zugute (BGH BGHZ 194, 238).
Zwar sei grundsätzlich vom Erfordernis eines vollständigen Entsprechens von inhaltlicher und äußerer Gestaltung von Widerrufsbelehrung und Musterbelehrung auszugehen mit der Folge, dass die Gesetzlichkeitsfiktion und damit der Vertrauensschutz entfielen, wenn der Unternehmer in den Mustertext selbst eingreife, und zwar unabhängig vom konkreten Umfang der vorgenommenen Änderung, sowie wenn der Verwender den Text der Musterbelehrung einer eigenen inhaltlichen Bearbeitung unterziehe (BGH NJW 2014, 2022 [BGH 18.03.2014 - II ZR 109/13]). Danach sei nicht jede Abweichung vom Mustertext unzulässig; eine schablonenhafte Übereinstimmung von Widerrufsbelehrung und Musterbelehrung sei nicht erforderlich. Jedenfalls Zusätze, die die Musterbelehrung individualisierten, seien schon nach dem in § 14 Abs. 3 BGB-InfoV a.F. deutlich zum Ausdruck kommenden Willen des Gesetzgebers als zulässig zu qualifizieren. Vor diesem Hintergrund stellten die von den Klägern gerügten "Abweichungen" vom Mustertext keine unzulässigen Abweichungen dar. Die verwendete Überschrift, die in Bezug genommen Fußnoten, die angegebene Telefonnummer der Beklagten und ein weiterer Hinweis auf eine Fristüberprüfung im Einzelfall sowie Anweisungen des Mustertextes an die Verwender seien nicht geeignet, den verständigen Verbraucher in seiner Eigenschaft als Darlehensnehmer über den Fristbeginn im Unklaren zu lassen, wie im Einzelnen ausgeführt.
Die Kläger haben am 11.6.2015 gegen das ihnen am 18.5.2015 zugestellte Urteil des LG fristgerecht Berufung eingelegt und diese am 20.7.2015 fristgerecht begründet.
Gegen die Klageabweisung richtet sich die Berufung der Kläger, mit der sie die erstinstanzlichen Anträge weiterverfolgen.
Die Kläger seien nicht in einer den gesetzlichen Vorgaben entsprechenden Weise über ihr Widerrufsrecht belehrt worden, weshalb sie den Widerruf wirksam erklärt hätten. Die Gesetzesfiktion des § 14 Abs. 1 BGB-InfoV a.F. greife nicht; die Auffassung des LG widerspreche der ständigen Rechtsprechung des BGH (Beschluss vom 10.2.2015, II ZR 163/14 zu Zusatzinformationen und BGH II ZR 109/13 zu inhaltlichen Eingriffen in die Musterwiderrufsbelehrung). Das LG überspanne den Bogen der Auslegung des § 14 BGB-InfoV, wo die Möglichkeiten der eigenen Eingriffe enumerativ und abschließend aufgeführt sei...