Entscheidungsstichwort (Thema)

Notarhaftung: Verletzung der Pflicht zur gestaltenden Beratung bei Kettenschenkung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Zur Verletzung der notariellen Pflicht zur gestaltenden Beratung im Fall einer so genannten Kettenschenkung oder gestuften Schenkung.

2. Einem lediglich mit der Beratung über Fragen des ehelichen Güterrechts beauftragten Rechtsanwalt ist es nicht als Pflichtverletzung vorzuwerfen, wenn er den Mandanten nicht erkennt und deshalb nicht darauf hinweist, dass eine spezielle notarielle Vertragsgestaltung zur Steuervermeidung deshalb fehlerhaft ist, weil in dem Text schuldrechtliche Gestaltung und dingliches Geschäft sowie die entsprechenden Eintragungseinträge nicht übereinstimmen.

 

Normenkette

BeurkG § 17 Abs. 1; BNotO § 19

 

Verfahrensgang

LG Limburg a.d. Lahn (Urteil vom 28.08.2014; Aktenzeichen 4 O 92/14)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das am 28.8.2014 verkündete Urteil des LG Limburg unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:

Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.888,79 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 1.185,- EUR seit dem 16.7.2012 und aus 703,79 EUR seit dem 26.4.2014 zu zahlen.

Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 235,76 Euro nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 26.4.2014 zu zahlen.

Von den Kosten des Rechtsstreits haben der Beklagte 86 % und der Kläger 14 % zu tragen mit Ausnahme der Kosten der Beweisaufnahme im Berufungsverfahren, die der Beklagte in vollem Umfang zu tragen hat.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 

Gründe

I. Der Kläger nimmt den Beklagten als Notar wegen einer angeblichen Pflichtverletzung im Zusammenhang mit der Beurkundung eines Grundstücks-Übergabevertrages, die von Rechtsanwalt A als Notarvertreter vorgenommen worden ist (im Folgenden einheitlich: der Beklagte), auf Schadensersatz in Höhe von insgesamt 2.184,43 EUR nebst vorgerichtlicher Anwaltskosten in Anspruch.

Wegen des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand des landgerichtlichen Urteils verwiesen. Zu ergänzen ist, dass die Steuerschuld erst durch eine Teilherabsetzung im Einspruchsverfahren auf den verlangten Betrag von 1.185,- EUR festgesetzt worden ist.

Das LG hat die Klage abgewiesen. Dem Beklagten sei eine Pflichtverletzung im Hinblick auf die Hinweispflicht nach § 8 Abs. 1 S. 4, Abs. 4 ErbStDV vorzuwerfen, ein Anspruch sei jedoch deswegen ausgeschlossen, weil dem Kläger gegen Rechtsanwalt B eine anderweitige Ersatzmöglichkeit zustehe.

Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers, mit der er seine Klage in vollem Umfang weiterverfolgt. Er rügt unter anderem, das LG habe seinen Beweisantritt dafür, dass das Mandat mit Rechtsanwalt B sich nur auf Fragen der Zugewinnauseinandersetzung beschränkt habe, übergangen. Der Fehler in dem Vertrag betreffend die Schenkungssteuer habe sich Rechtsanwalt B auch keineswegs aufdrängen müssen.

Der Beklagte verteidigt das landgerichtliche Urteil. Er legt mit der Berufungserwiderung auch die drei zwischen dem 16.6. und dem 5.10.2010 erstellten Entwürfe des notariellen Vertrages vor (Bl. 137 ff. d.A.).

Das Berufungsgericht hat Beweis erhoben durch Verwertung der Handakte des Rechtsanwalts B im Wege des Urkundenbeweises sowie Vernehmung der Zeugen Z1 und Z2.

Von der weiteren Darstellung des Sach- und Streitstandes wird nach § 540 Abs. 2 in Verbindung mit § 313a Abs. 1 S. 1 ZPO und § 26 Nr. 8 EGZPO abgesehen.

II. Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers hat in der Sache überwiegend Erfolg.

Dem Kläger steht gegen den Beklagten aus § 19 Abs. 1 BNotO in Verbindung mit § 46 S. 1 BNotO ein Schadensersatzanspruch in Höhe von 1.888,79 Euro zu.

1. Das LG hat im Ergebnis zu Recht angenommen, dass dem Beklagten eine notarielle Pflichtverletzung vorzuwerfen ist.

Eine solche mag zwar bereits in dem unstreitig gebliebenen Umstand liegen, dass der Beklagte entgegen § 8 Abs. 1 S. 4, Abs. 4 ErbStDV nicht auf die Möglichkeit eines Anfalls von Schenkungssteuer beim Erwerb des hälftigen Miteigentumsanteils durch den Kläger hingewiesen hat. Es ist jedoch zweifelhaft, ob eine hinreichende Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass es dann zu einer anderen Vertragsgestaltung gekommen wäre.

Die entscheidende und für den Schaden auch ursächliche Pflichtverletzung liegt jedoch darin, dass der Beklagte bzw. sein amtlich bestellter Vertreter dem Kläger und den anderen Beteiligten einen nicht fachgerechten Vertragsentwurf für die Übergabe des hälftigen Miteigentumsanteils empfohlen hat. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs trifft den Notar aus § 17 Abs. 1 BurkG die Pflicht zur sachgerechten Gestaltungsberatung für das von den Erklärenden gewünschte Rechtsgeschäft. Dabei muss er ihnen auch den kostengünstigsten Weg zu dem von ihnen angestrebten Erfolg aufzeigen (vgl. zum Ganzen etwa Winkler, BeurkG, 14. Aufl., § 17 Rz. 247; Ga...

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