Entscheidungsstichwort (Thema)
Anlageberatung: Schadensersatzanspruch wegen Verletzung der Aufklärungspflicht beim Kauf von Lehman Global Champion-Zertifikaten
Leitsatz (amtlich)
1. Zur gebotenen Offenlegung des von der Emittentin Lehman Brothers gewährten Rabatts auf den Emissionspreis von 3,5 % als umsatzabhängig gewährte Emissionsvergütung
2. Zum möglichen rechtlichen Charakter des Auftrags zur Beschaffung empfohlener Wertpapiere als Kommissionsgeschäft oder im Eigenhandel auszuführendes Festpreisgeschäft und zur Informationspflicht gegenüber dem Kunden über die konkrete Gestaltung
Normenkette
BGB § 280
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Urteil vom 23.12.2010; Aktenzeichen 2-21 O 571/09) |
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das am 23.12.2010 verkündete Urteil der 21. Zivilkammer des LG Frankfurt/M. wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass von den Kosten der ersten Instanz die Klägerin 11 % und die Beklagte 89 % zu tragen haben.
Die Kosten des Berufungsverfahrens werden der Beklagten auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Beiden Parteien bleibt nachgelassen, die Vollstreckung der jeweils anderen Partei gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die andere Partei vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe
I. Die Klägerin hat die Beklagte aus abgetretenem Recht des ... (kurz: Zedent) wegen angeblich fehlerhafter Anlageberatung auf Schadensersatz Zug um Zug gegen Rückübereignung der erworbenen Wertpapiere in Anspruch genommen.
Der Zedent erwarb am 6.2.2007 im Verlauf eines Telefonats mit dem Mitarbeiter der Rechtsvorgängerin der Beklagten (kurz: Beklagte) A 300 Stück Lehman Brothers Global Champion Zertifikate zu einem Gesamtkaufpreis i.H.v. 300.000 EUR.
Der Mitarbeiter A hatte den Zedenten telefonisch kontaktiert und ihm die Zertifikate empfohlen, nachdem der Zedent aus einem Verkauf von Dresdner Bank Balanced Zertifikaten II einen Betrag i.H.v. 299.918 EUR zur Verfügung hatte.
Bei dem Lehman Brothers Global Champion Zertifikat handelt es sich um eine Schuldverschreibung, die als Bonuszertifikat ausgestaltet ist. Fälligkeit und Bonuszahlung richten sich nach der Entwicklung der drei Aktienindizes Dow Jones EURO STOXX 50, des Standart & Poor's 500 und des Nikkei 225. Am Ende eines jeden von drei Beobachtungszeiträumen erhält der Anleger einen Bonus i.H.v. 8,75 % des Nennbetrages des Zertifikats, sofern keiner der zugrunde liegenden Basiswerte seine Kursschwelle berührt oder unterschritten hat. Die Kursschwelle wird bei Emission fixiert und beträgt für jeden Basiswert 60 % seines Schlusskurses am Festlegungstag. Berührt oder unterschreitet einer der drei genannten Indizes seine Barriere, entfällt von da an die Bonuszahlung und die Rückzahlung richtet sich nach der Wertentwicklung des Index, der seine Kursschwelle während der Laufzeit am tiefsten unterschritten hat.
Aus dem Geschäft erhielt die Beklagte einen einmaligen "Ertrag" i.H.v. 3,5 %, worüber sie den Zedenten nicht aufklärte.
Im Mai 2008 erhielt der Zedent eine Bonuszahlung i.H.v. 26.250 EUR. Im April 2009 erwarb der Zedent Anteile an dem CB Geldmarkt Deutschland I Fonds i.H.v. insgesamt 600.000 EUR.
Die Klägerin hat behauptet, der Mitarbeiter A habe dem Zedenten während des Telefonats garantiert, dass die Anlage 100 % sicher sei, und ihm versichert, dass das Kapital zu 100 % erhalten bleibe und keine Risiken bestünden. Immerhin habe der investierte Betrag 1/3 des gesamten verfügbaren Vermögens des Zedenten ausgemacht. Einen Prospekt oder schriftliche Produktinformationen habe der Zedent vor seiner Anlageentscheidung nicht erhalten. Tatsächlich habe der Zedent jedoch keinerlei Erfahrungen mit Zertifikaten gehabt. Soweit der Zedent bereits früher Zertifikate erworben habe, sei er nie über deren Funktionsweise und Risiken ordentlich aufgeklärt worden. Der Zedent sei davon ausgegangen, dass es sich um eine Festgeld oder Geldmarktfond ähnliche Geldanlage handele. Er sei weder über das Emittentenrisiko noch die fehlende Einlagensicherung aufgeklärt worden. Er hätte dem Erwerb der Zertifikate jedenfalls am Telefon niemals zugestimmt, wenn er über deren Funktionsweise und Risiken und über die von der Beklagten vereinnahmten Erträge aufgeklärt worden wäre. Er hätte alternativ in Festgeld investiert und hierbei eine durchschnittliche Rendite von 4,4 % Zinsen erwirtschaftet.
Auch auf einen Anruf der für die Buchhaltung des Zedenten zuständigen Mitarbeiterin X des Steuerbüros C noch im Frühjahr 2007 habe der Mitarbeiter A ausdrücklich bestätigt, dass die Geldanlage 100 %-tig sicher sei und keine Risiken bestünden.
Für den Zeitraum vom 6.2.2007 bis zum 28.12.2009 habe der Zedent entsprechend der sonst getätigten Alternativanlage einen Zinsverlust i.H.v. 34.863,58 EUR erlitten.
Die Beklagte hat behauptet, bei dem Zedenten handele es sich um einen im Bereich ...