Leitsatz (amtlich)
Umfang der Aufklärungs- und Beratungspflichten beim Verkauf von Index-Zertifikaten.
Normenkette
BGB § 280 Abs. 1, §§ 281, 312b Abs. 1 S. 1, § 312d Abs. 1 S. 1, § 355; GG Art. 1-2
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Urteil vom 26.04.2010; Aktenzeichen 2/19 O 89/09) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 26.4.2010 verkündete Urt. der 19. Zivilkammer des LG Frankfurt/Main abgeändert.
Die Klage wird insgesamt abgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Das Urt. ist vorläufig vollstreckbar.
Die Rev. wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Von der Darst. eines Tatbestandes wird abgesehen (§§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 ZPO).
II. Die Berufung der Beklagten ist begründet. Dem Kläger steht gegen die Beklagte kein Schadensersatzanspruch wegen fehlerhafter Aufklärung im Zusammenhang mit der Beratung, die zu dem Kauf von 19 Lehman Brothers Treasury Co. B. V. Zertifikaten führte, zu.
Nach dem übereinstimmenden Vortrag der Parteien ist ein Beratungsvertrag stillschweigend durch die Aufnahme des Beratungsgespräches zustande gekommen. Eine Verletzung der aus diesem Vertrag folgenden Beratungs- oder Aufklärungspflichten durch die Beklagte hat der Kläger nicht bewiesen.
Inhalt und Umfang der Beratungspflichten hängen von den Umständen des Einzelfalles ab. Die Beratung muss anleger- und objektgerecht sein. Maßgeblich sind einerseits der Wissensstand, die Risikobereitschaft und das Anlageziel des Kunden und andererseits die allgemeinen Risiken, wie etwa die Konjunkturlage und die Entwicklung des Kapitalmarktes, sowie die speziellen Risiken, die sich aus den besonderen Umständen des Anlageobjekts ergeben. Während die Aufklärung des Kunden über dieses Umstände richtig und vollständig zu sein hat, muss die Bewertung und Empfehlung eines Anlageobjektes unter Berücksichtigung der genannten Gegebenheiten ex ante betrachtet lediglich vertretbar sein. Das Risiko, dass sich eine Anlageentscheidung im Nachhinein als falsch erweist, trägt der Kunde (BGH, Urt. v. 14.7.2009, XI ZR 152/08, Rz. 49 m.w.N.).
Anhand dieses rechtlichen Maßstabes kann die Empfehlung zum Kauf der hier in Rede stehenden Zertifikate nicht als nicht anlegergerecht angesehen werden. Der Kläger hat bei seiner persönlichen Anhörung sein Anlageziel als "wachstumsorientiert" angegeben und zur Erl. hinzugefügt, dass er 10 % seines Portfolios in Geldmarktfonds investiere und den Rest in Aktien. Dem entspricht es, dass sein Wertpapierdepot bei der Beklagten im Umfang von insgesamt rund 150.000,-- EUR zu 95 % aus Aktien, Aktienfonds und Zertifikaten und im Übrigen aus Geldmarktanlagen bestand. Ferner ergibt sich aus den Angaben des Klägers bei seiner persönlichen Anhörung, dass sein bisheriger schriftsätzlicher Sachvortrag, dass er darauf hingewiesen habe, dass er sich demnächst im Ruhestand befinden werde und deshalb daran interessiert sei, das Geld so sicher wie möglich ohne weitere Risiken anzulegen, unwahr war. Danach kann nicht festgestellt werden, dass die dem Kläger empfohlenen Zertifikate, die einem mittleren Risikobereich zuzuordnen waren (OLG Bamberg, Urt. v. 7.6.2010, 4 U 241/09, Rz. 62, juris), mit Rücksicht auf die erhebliche Risikobereitschaft des Klägers und sein Anlageziel ungeeignet waren.
Es kann ferner nicht festgestellt werden, dass die Beratung des Klägers durch die Zeugin Z1 nicht objektgerecht war. Insbesondere kann nicht festgestellt werden, dass der Kläger nicht über die Struktur, die Funktionsweise und die Risiken, die sich aus Veränderungen des Index des EuroSTOXX 50 ergaben, aufgeklärt wurde. Zwar hat der Kläger bei seiner Anhörung angegeben, dass ihm weder irgendwelche Risiken genannt worden seien, noch die Relevanz des Indexverlaufes für die Frage der Bonuszahlungen angesprochen worden sei. Gegen die Richtigkeit seiner Darst. bestehen jedoch Zweifel, weil die Zeugin Z1 nachvollziehbar dargelegt hat, dass sie den Kläger bei der telefonischen Beratung anhand der ihr vorliegenden Produktinformation eingehend darüber aufgeklärt hat, dass es sich um indexunterstützte Zertifikate handele, unter welchen Voraussetzungen es zu einer vorzeitigen Rückzahlung oder zu Bonuszahlungen komme, und dass die Zertifikate im Falle eines Kursverlustes von 40 % oder mehr in ihrem Wert einem Indexzertifikat vergleichbar seien. Die Aussage der Zeugin Z1 war überzeugend, weil sie sich zur Unterstützung ihres Gedächtnisses auf die von ihr seinerzeit angefertigten Notizen über den Inhalt des Gespräches beziehen konnte.
Die v. Kläger beantragte Vernehmung des Zeugen Z2, der während des telefonischen Beratungsgesprächs im Büro des Klägers anwesend war und das Telefongespräch über die auf laut gestellte Telefonanlage mithörte, durfte nicht erfolgen. Denn die Aussage des Zeugen Z2 über den Inhalt der Beratung und Aufklärung hätte als Beweismittel nicht verwertet werden dürfen, weil seine Vernehmung insoweit die Rechte der Zeugin Z1 aus Art. 2 Abs. 1 iVm. Art. 1 Abs. 1 GG verletzt hätte. Dass von Art. 2 Abs. 1 iVm. Art. 1 Abs. 1 GG erfasste allgemei...