Verfahrensgang

LG Wiesbaden (Aktenzeichen 10 O 14/21)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das am 20.1.2022 verkündete Urteil des Landgerichts Wiesbaden, 10. Zivilkammer, wird zurückgewiesen. Das Urteil des Landgerichts wird ohne Sicherheitsleistung für vorläufig vollstreckbar erklärt.

Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung aus dem Urteil durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 115 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in Höhe von 115 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages erbringt.

 

Gründe

I. Der Kläger verlangt von der Beklagten, die einen Online-Shop betreibt, es zu unterlassen, diese Website mit bestimmten Diensten in der Weise "auszuliefern", dass beim Seitenaufruf personenbezogene oder personenbeziehbare Daten des Klägers an den jeweiligen Betreiber der Dienste übermittelt werden, sofern dies ohne seine Einwilligung erfolgt.

Wegen des Sach- und Streitstandes in erster Instanz wird auf den Tatbestand des landgerichtlichen Urteils verwiesen, der wie folgt zu ergänzen und zu verdeutlichen ist:

Der Kläger hat mit der Replik auf die Klageerwiderung dargelegt, dass er am 18.12.2020 in dem Online-Shop der Beklagten Waren bestellt habe und eine Bestellbestätigung vorgelegt (Anlage K 20).

Bei den im Klageantrag bezeichneten 17 Diensten handelt es sich überwiegend um von der Fa. Google zur Verfügung gestellte Apps bzw. Funktionen, die den Betrieb der Online-Shop-Seite in bestimmter Weise unterstützen. So verwaltet der Google Tag Manager die Einstellungen der Website. Die Programme Google Fonts und Fonts Awesome stellen Schriftarten zur Verfügung. Die Funktionen Analytics und Trbo analysieren das Verhalten der Besucher bzw. dienen der Datenanalyse. Das Programm Cquotient generiert Empfehlungen an Kunden ("Andere Kunden, die diese Ware gekauft haben, haben sich auch für folgende Waren interessiert"). Darüber hinaus sind Funktionen von Youtube und Facebook eingebunden.

Es ist unstreitig, dass diese Funktionen von Drittanbietern in die Website der Beklagten "eingebettet" sind ("embedding"), das heißt, dass sich die Daten der Programme nicht auf dem Server, auf dem die Website gespeichert ist, befindet, sondern der Nutzer (bzw. sein Browser) auf von Dritten, den Diensteanbietern, betriebene Webseiten verwiesen/gelenkt wird. Dabei wird dem Dritt-Server die aktuelle IP-Adresse des aktuellen Nutzers der Website mitgeteilt, um den Abruf von dort zu ermöglichen (sog. Cloud-Lösung). Der Kläger hält dies für unzulässig und verweist auf die Möglichkeit, die (erhobenen) Nutzerdaten auf eigenen Servern oder bei dem Dienst "Matomo" zu speichern.

Der Kläger hat behauptet, dass neben der IP-Adresse "das Programm" auch zahlreiche Nutzungsdaten aus dem Bestellvorgang, so Informationen über Hard- und Software seiner Endgeräte, an Google in den USA übermittle (Liste Bl. 4 d.A.). Die Empfängerin sei in der Lage sein Nutzungsverhalten zu analysieren, auch weil Google die Daten mit Daten aus anderen von ihm betriebenen Internetdiensten zusammenführen könne.

Der Kläger hält die Einbindung jener Dienste und deren seitenübergreifendes Tracking (Ausspähen von Daten) für mit den Artt. 6, 44, 26 und 32 DS-GVO für nicht vereinbar. Für die Rechtswidrigkeit dieser Weitergabe hat der Kläger unter anderem auf den Cloud Act (Anlage K 6) berufen, wonach US-Regierungsbehörden einseitig ohne Gerichtsbeschluss personenbezogene Daten anfordern können.

Die Beklagte hat sich unter anderem darauf berufen, dass der Nutzer über das bei Aufruf der Website erscheinende Cookie-Banner (Screenshot Bl. 45 d.A.) vor einer Nutzung die Einwilligung auch für den Einsatz der Drittdienste erteile. Sie hat ferner dargelegt, dass sie mit jedenfalls sechs Diensten Verträge geschlossenen hat (Anlagen B 3 - B 6), wonach diese als Auftragsverarbeiter i.S. von Art. 28 DS- GVO für sie tätig werden.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, weil sie mangels Bestimmtheit unzulässig sei. Der Begriff der IP-Adresse sei unbestimmt und auch die nähere Bestimmung, die Übermittlung welcher personenbezogenen und personenbeziehbaren Daten untersagt werden solle, könne nicht dem Vollstreckungsverfahren überlassen werden. Die Klage sei darüber hinaus auch unbegründet. Es fehle Vortrag, wann der Kläger was in welchem konkreten Online-Shop gekauft habe. Vor allem ergebe sich aus der DS-GVO kein Unterlassungsanspruch. Auf Anspruchsgrundlagen nach nationalem Recht, etwa §§ 1004, 823 BGB, könne, da es sich um vollharmonisiertes Gemeinschaftsrecht handele, nicht zurückgegriffen werden. Es fehle eine Öffnungsklausel. Art. 79 Abs. 1 DS-GVO lasse nur verwaltungsrechtlichen Rechtsschutz "unbeschadet".

Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers, mit der er zunächst seine erstinstanzlichen Klageanträge gleichlautend weiterverfolgt hat.

Er rügt, dass das Landgericht seinen Vortrag zu der am 18.12....

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