Leitsatz (amtlich)

Schadenersatz wegen Ausschluss vom Vergabeverfahren

 

Normenkette

BGB §§ 241, 280, 311

 

Verfahrensgang

LG Frankfurt am Main (Urteil vom 19.01.2016; Aktenzeichen 3-9 O 154/14)

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 19.1.2016 verkündete Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main (AZ. 3-09 O 154/14) abgeändert.

Die Beklagte wird verurteilt an die Klägerin EUR 220.881,16 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 10.1.2014 zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu zahlen.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

Die Revision wird zugelassen.

 

Gründe

I. Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Schadenersatz in Anspruch, da sie meint, von der Beklagten rechtswidrig in einem Vergabeverfahren ausgeschlossen worden zu sein.

Die erstinstanzlichen Anträge und die tatsächlichen Feststellungen des Landgerichts werden gemäß § 540 Abs. 1 ZPO in Bezug genommen und wie folgt ergänzt:

In den Verdingungsunterlagen hieß es unter der Überschrift "Ausführung der Bauleistung" (Anlage K12, Bl. 136):

"3.4 StahlbauDer AN hat die Zulässigkeit der Baustoffe und Bauteile immer nachzuweisen. Weiterhin hat der AN den AG unmittelbar nach Auftragsvergabe die Hersteller/Lieferanten bzw. die stahlverarbeitenden Betriebe zu benennen. ...Alle Baustoffe, Bauteile, Schweiß- und Beschichtungsstoffe dürfen erst eingebaut werden, wenn die entsprechenden Eignungsnachweise vom AN vorgelegt wurde."

Die Ausschreibungsunterlagen enthielten in der Leistungsbeschreibung (Anlage K2, Bl. 90 d.A.) in den Abschnitten "1.07 Lärmschutzelemente", "02.07 Lärmschutzelemente" sowie "03.07 Lärmschutzelemente" jeweils identisch folgende Beschreibung:

"Wandelemente aus Leichtmetall entsprechend akustischen statischen und konstruktiven Erfordernissen nach RiL 804.5501 und Zeichnung zwischen den Pfosten einbauen, einschl. erf. Dämmung der Fugen. ....".

Nach Ziff. 8 der genannten Richtlinie 804.5501 dürfen als Bauprodukte für Lärmschutzwände grundsätzlich nur solche eingesetzt werden, deren Verwendung und Einsatzbedingungen in dieser Richtlinie geregelt sind und die über einen Verwendbarkeitsnachweis iSd (eisenbahnspezifischen) Bauregellisten verfügen.

Die Klägerin gab am 6.10.2010 ein Angebot ab; es handelte sich hierbei um das günstigste Angebot. Hierbei bot sie ein Wandelement an, das im Zeitpunkt der Angebotsabgabe nicht über die gemäß Ziff. 8 der Richtlinie genannte Zulassung verfügte. Das von der Klägerin angebotene Produkt entsprach bereit im Zeitpunkt des Angebots jedoch den in der genannten Richtlinie vorgesehenen akustischen, statischen und konstruktiven Anforderungen. Die Zulassung für das von der Klägerin angebotene Produkt wurde vom Eisenbahnzulassungsamt nach Abgabe des Angebots, am 13.10.2010 erteilt (Bl. 107ff. d.A.). Am 15.11.2010 wurde die Klägerin von dem Vergabeverfahren mit der Begründung ausgeschlossen, das Wandelement habe zum Zeitpunkt der Angebotsabgabe nicht über eine entsprechende Zulassung verfügt (Anlage K5, Bl. 99 d.A.). Dies rügte die Klägerin mit Schreiben vom 16.11.2010 unter Fristsetzung als vergaberechtswidrig (Anlage K6, Bl. 101 d.A.) und drohte im Fall der Nichtabhilfe die Einleitung eines Vergabenachprüfungsverfahrens an. Noch vor Ablauf der gesetzten Frist übersandte die Klägerin mit Schreiben vom 17.11.201 der Beklagten den Zulassungsbescheid für die angebotenen Wandelemente. In einem Gespräch der Parteien am 24.11.2010 war Gegenstand jedenfalls die Frage der Einleitung des Nachprüfungsverfahrens. Die Klägerin bestätigte am Folgetag "die Rücknahme unserer Einspruch-Rüge" (Anlage B1, Bl. 168 d.A.). Ob Gegenstand des Gesprächs und des nachfolgenden Schreibens Anlage B1 auch ein Verzicht auf Schadenersatzansprüche der Klägerin war, ist zwischen den Parteien streitig.

Mit Datum vom 19.12.2013 übersandte die Klägerin an die A GmbH ein Schreiben, mit dem sie unter dem Betreff "BV - LSW Stadt1, linksrheinisch Zentrum Süd, Schadenersatzforderung" eine Schadenersatzforderung in Höhe der Klageforderung geltend machte und dem sie eine Schadensberechnung beifügte (Bl. 119 d.A.). Die A GmbH war im Entwurf des Bauvertrags als vertragsabwickelnde Stelle bezeichnet (Bl. 31 d.A.). Die Schadensberechnung, die dem genannten Schreiben an die A GmbH beigefügt war, hatte die Klägerin unter dem 19.12.2013 auch an die Buchhaltung der Beklagten in der Straße1 in Stadt2 gesandt, die im Entwurf des Bauvertrags als "Rechnungsadresse" bezeichnet war (Bl. 31 d.A.).

Die Klägerin beantragte am 24.12.2013 den Erlass eines Mahnbescheids. Die Hauptforderung bezeichnete sie im Antrag mit "Schadenersatzanspruch vom 19.12.2013"; die Höhe des im Mahnantrag genannten Forderu...

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