Entscheidungsstichwort (Thema)
Irreführung durch unzutreffende Werbeangaben
Leitsatz (amtlich)
Eine durch Werbeangaben veranlasste geschäftliche Entscheidung kann schon darin liegen, dass der Werbeadressat zur Entgegennahme weiteren Informationsmaterials in näheren Kontakt mit dem Werbenden tritt; sind solche Werbeangaben unzutreffend, liegt daher eine relevante Irreführung auch dann vor, wenn der Werbeadressat vor dem Abschluss des Vertrages über seinen Irrtum aufgeklärt wird.
Normenkette
UWG § 2 Abs. 1 Nr. 9, § 5
Verfahrensgang
LG Darmstadt (Urteil vom 19.01.2016; Aktenzeichen 16 O 186/15) |
Tenor
Die Berufung der Antragsgegnerin gegen das am 19.01.2016 verkündete Urteil der 4. Kammer für Handelssachen des LG Darmstadt wird zurückgewiesen.
Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Das Urteil ist rechtskräftig.
Gründe
Von der Darstellung des Sachverhalts wird gem. § 540 Abs. 2 i.V. § 313a Abs. 1 S. 1 ZPO abgesehen.
Das Rechtsmittel der Antragsgegnerin hat keinen Erfolg, weil das LG ihr mit Recht untersagt hat, gegenüber Aktionären A AG im Rahmen von Akquisitionsbemühungen zur Gewinnung neuer Kommanditisten mit dem streitgegenständlichen Informationsblatt "Das Angebot an die A" gem. Anlage AST 6 und der dort enthaltenen Aussage "Für Sie ändert sich im Übrigen nichts" zu werben. Der Unterlassungsanspruch der Antragstellerin ergibt sich aus §§ 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1,3, 5 UWG.
1. Das LG hat die streitbefangene Aussage mit Recht als irreführend bewertet.
Das LG konnte die Angaben in dem o.g. Informationsblatt aus eigener Sachkunde bewerten, weil für deren Auslegung keine besonderen Fachkenntnisse erforderlich sind (vgl. dazu BGH GRUR 2004, 244 [BGH 02.10.2003 - I ZR 150/01] Tz. 20 - Marktführerschaft).
Die Aussage "Für Sie ändert sich im Übrigen nichts" wird von den angesprochenen Aktionären in dem hier gewählten Kontext so verstanden, dass ihre eigene Rechtsposition und ihre wirtschaftlichen Spielräume, namentlich die Freiheit der Auswahl unterschiedlicher Lieferanten und die Zahlungsabwicklung, durch die Annahme des Angebotes nicht tangiert wird.
Dies ergibt sich zwanglos aus dem Wortlaut dieser Angabe und darüber hinaus aus einer unbefangenen Lektüre der jeweils in der rechten Spalte der fünf vorhergehenden Info - Blöcke enthaltenen Angaben. Dort ist ausschließlich davon die Rede, welche Angebote den Aktionären gemacht werden, wie sie davon profitieren und welche langfristigen Vorteile sie daraus ziehen können. Wenn es dann im sechsten Info - Block lautet "Für Sie ändert sich im Übrigen nichts", so lässt sich dies aus Sicht der Aktionäre ohne weiteres so verstehen, dass ansonsten mit dem Wechsel keine Änderungen für sie, insbesondere keine Nachteile verbunden sind.
Die Antragsgegnerin kann nicht mit dem Argument gehört werden, dass die angesprochenen Aktionäre den Satz wegen seines Fettdrucks als Überschrift des sechsten Info - Blocks verstehen und ihn deswegen auf die dort nachfolgenden Aussagen beziehen werden. In allen Info-Blöcken dient das Stilmittel des Fettdrucks nicht als Überschrift sondern ausschließlich zur Hervorhebung inhaltlich bedeutender Angaben.
Es wäre im Übrigen auch nicht nachvollziehbar, warum der Leser die Aussage "Für Sie ..." auf den Fortbestand der Fa. A beziehen sollte. Eine Aussage in dem von der Beklagten behaupteten Sinne würde vielmehr lauten "Für Ihre Beziehungen zur Fa..A." oder "Für Ihren Auftritt als A." etc.
2. Tatsächlich enthält der Gesellschaftsvertrag der Antragsgegnerin für die eintretenden Kommanditisten erhebliche Nachteile gegenüber ihrer bisherigen Rechtsposition als Teilhaber der A AG (Anlage AST 8):
§ 15 des Gesellschaftsvertrags dient der Kanalisierung des Einkaufsverhaltens der Kommanditisten und statuiert entsprechende Informationspflichten gegenüber der Komplementärin der Antragsgegnerin. Diese Verpflichtungen bestanden in der Satzung der A AG nicht. In § 7 Abs. 3 lit. e des Gesellschaftsvertrags ist ferner ein außerordentliches Kündigungsrecht der Komplementärin der Antragsgegnerin vorgesehen, sofern der Kommanditist nicht an der Zentralregulierung mit Delkredere teilnimmt. Auch diese Regelung war in der Satzung der Firma A AG nicht enthalten. Ob sie branchenüblich ist oder nicht, spielt keine Rolle.
3. Die durch das Informationsblatt hervorgerufene Fehlvorstellung ist geeignet, eine erhebliche Anzahl der angesprochenen Aktionäre zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen. Diese besteht schon darin, dass die Aktionäre durch das Informationsblatt veranlasst werden, in näheren Kontakt zu der Antragsgegnerin zu treten und deren weiteres Informationsmaterial entgegenzunehmen (BGH GRUR 2015, 698, [BGH 18.12.2014 - I ZR 129/13] Tz. 20 - Schlafzimmer komplett).
Die Antragsgegnerin kann sich deshalb nicht darauf berufen, dass die bei der Hauptversammlung der A AG übergebenen weiteren Unterlagen, namentlich der Inhalt des Gesellschaftsvertrags der Antragsgegnerin (Anlage AST 8), die durch die streitbefangene Passage hervorgerufene Irreführung ausrä...