Normenkette
BGB § 844; SGB VII § 106 Abs. 3, 3. Alt
Verfahrensgang
LG Hanau (Urteil vom 06.02.2002; Aktenzeichen 4 O 1296/01) |
Tenor
Auf die Berufung des Beklagten wird das am 6.2.2002 verkündete Urteil der 4. Zivilkammer des LG Hanau abgeändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits und die den Streithelferinnen entstandenen Kosten zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Klägerin macht wegen der Tötung ihres Ehemannes, der bei Arbeiten in unmittelbarer Nähe einer Gleisstrecke von einem Zug erfasst wurde, Schadensersatzansprüche gegen den Beklagten geltend.
Die Streithelferin zu 1) hatte die Firma V. mit Baumaßnahmen an der Tiefenentwässerung an den Gleisanlagen auf der Bahnstrecke Fulda-Frankfurt beauftragt. Der Auftrag umfasste auch die Sicherung der Bauarbeiter gegen die Gefahren aus dem laufenden Bahnbetrieb. Den Teilauftrag „Kamerabefahrung und Dokumentation der Tiefenentwässerung” gab die Firma V. an die Firma U. weiter, die Arbeitgeberin des Ehemannes der Klägerin war. Mit der Sicherung der Bauarbeiter wurde die Firma P. GmbH beauftragt, deren Mitarbeiter der Beklagte ist.
Wegen der tatsächlichen Feststellungen wird im Übrigen auf das angefochtene Urteil Bezug genommen. Allerdings ist zwischen den Parteien unstreitig, dass die Arbeiten an den Kanälen im Unfallzeitpunkt noch nicht gänzlich beendet waren, sondern noch ein Kabel über eine Seilwinde aus einem Schacht gezogen werden musste, sowie dass, als sich dieses verhakte, ein deutlich spürbarer Ruck durch das Fahrzeug ging, bei dem sich der zu Tode gekommene Ehemann der Klägerin und der Beklagte aufhielten.
Das LG hat der Klage stattgegeben.
Mit der Berufung macht der Beklagte geltend, die Arbeitgeberin des Getöteten, die Firma H. sowie deren Mitarbeiter Sch. hätten es pflichtwidrig unterlassen, die hierfür zuständige Stelle der Streithelferin zu 1) von der Fortsetzung der Arbeiten an der Bahnstrecke zu informieren. Seiner Ansicht nach seien diese nur nach den §§ 104, 105 SGB VII von der Haftung frei, weshalb die Grundsätze des gestörten Gesamtschuldnerausgleichs eingriffen und der Haftungsanteil des Beklagten zu kürzen sei. Ferner sei ein Mitverschulden des getöteten Ehemannes der Klägerin zu berücksichtigen.
Der Beklagte und die Streithelferinnen beantragen, unter Abänderung des Urteils des LG Hanau vom 6.2.2002 die Klage abzuweisen, soweit der Beklagte ohne Berücksichtigung der auf den Sozialversicherungsträger kraft Gesetzes übergegangenen Ansprüche aus dem Unfallgeschehen vom 30.8.1999 verurteilt worden ist, und – unabhängig davon –, soweit er zu mehr als 50 % der Unfallfolgen verurteilt worden ist.
Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Sie ist der Auffassung, dass ein Haftungsausschluss nach § 106 Abs. 3, 3. Alt. SGB VII hier nicht eingreife.
In der mündlichen Verhandlung hat der Beklagte den Berufungsantrag dahin erläutert, dass er in erster Linie Abänderung des Urteils und vollständige Klageabweisung begehre.
Die Berufung ist zulässig.
Der vom Beklagten gestellte Antrag ist als hinreichend bestimmter Berufungsantrag i.S.d. §§ 520 Abs. 3 S. 2 Nr. 1, 253, Abs. 2 Nr. 2 ZPO anzusehen. Im Wege der Auslegung und unter Zuhilfenahme der weiteren Ausführungen der Berufungsbegründungsschrift lässt sich entnehmen, dass der Beklagte nicht nur hinsichtlich der Feststellung seiner Schadensersatzpflicht für zukünftigen Unterhaltsschaden, sondern auch hinsichtlich der Verurteilung zur Zahlung der Beerdigungskosten das erstinstanzliche Urteil insoweit angreift, als dieses nicht einen etwaigen gesetzlichen Übergang der Ansprüche auf den Sozialversicherungsträger und insoweit eine mangelnde Aktivlegitimation der Klägerin berücksichtigt. Nicht im Wege der Auslegung entnommen werden kann dem Antrag hingegen, dass der Beklagte mit seiner Berufung von Anfang an die vollständige Klageabweisung begehrte. Aus den ausführlichen Darlegungen in der Berufungsbegründung zu seinem Mitverschuldensanteil von 50 % und der ausdrücklichen Einschränkung im Antrag, die Klage abzuweisen, „soweit …” ergibt sich vielmehr ein zunächst nur teilweiser Angriff gegen das erstinstanzliche Urteil, zumal auch der Beklagte nie die Rechtsauffassung vertreten hat, die geltend gemachten Ansprüche seien insgesamt auf den Sozialversicherungsträger übergegangen. Allerdings ergibt sich aus der in der mündlichen Verhandlung erfolgten „Erläuterung” seines Antrags dahingehend, dass er in erster Linie Abänderung des Urteils und vollständige Klageabweisung begehre, der eindeutige Wille, jedenfalls nunmehr das Urteil insgesamt anzugreifen. Darin ist eine bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung zulässige Erweiterung der Berufung zu sehen. Denn eine neue Begründung für die begehrte vollständige Klageabweisung wird nicht angeführt; vielmehr soll die bisherige Begründung, insb. der im erstinstanzlichen Urteil nicht berücksichtigte Forderungsübergang auf den Sozialversicherungsträger, auch diesen Antrag tragen (vgl...