Entscheidungsstichwort (Thema)
Schadensschätzung und Abmahnkostenersatz beim Filesharing von Computerspielen
Leitsatz (amtlich)
1. Beim Filesharing von Computerspielen können die nach der sog. Faktorrechtsprechung für das Filesharing von Musiktiteln aufgestellten Grundsätze (vgl. BGH GRUR 2016, 176 -Tauschbörse I) sinngemäß für den im Wege der Lizenzanalogie zu ermittelnden Schadensersatz angewandt werden.
2. Für die nach Maßgabe des § 287 Abs. 1 ZPO vorzunehmende Schadensschätzung spielen neben dem Verkaufspreis des Computerspiels im Verletzungszeitpunkt auch die Aktualität und Attraktivität des Programms ebenso wie die Anzahl und Dauer der ermittelten Verletzungshandlungen eine erhebliche Rolle.
3. Bei den Kosten einer vorgerichtlichen Abmahnung handelt es sich um "sonstige Kosten" im Sinne von Art. 14 der Richtlinie 2004/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums ("Enforcement-Richtlinie").
4. Artikel 14 der Enforcement-Richtlinie wird durch § 97a Abs. 3 UrhG vollständig und richtlinienkonform umgesetzt. Mit der Regelung des § 97a Abs. 3 Satz 2, 4 UrhG hat der Gesetzgeber jedenfalls eine pauschalierte Bewertung von Billigkeitsgründen im Sinne des letzten Halbsatzes von Art. 14 der Enforcement-Richtlinie getroffen.
Normenkette
BGB § 812; UrhG §§ 97, 97a, 102; ZPO § 287
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Urteil vom 27.03.2019; Aktenzeichen 2-06 O 430/18) |
Tenor
Die Entscheidung ist nicht anfechtbar.
Auf die Berufungen der Parteien wird das am 27.3.2019 verkündete Urteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main (2-6 O 430/18) teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst.
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 2.123,50 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 % - Punkten über dem Basiszinssatz aus 1.024 EUR seit 31.12.2016 und aus 1.099,50 EUR seit 24.10.2018 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. Die weitergehenden Berufungen der Klägerin und des Beklagten werden zurückgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits haben die Klägerin 60 % und der Beklagte 40 % zu tragen.
Das Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Streitwert des Berufungsverfahrens beträgt 5.383,50 EUR. Dabei entfallen auf die Berufung der Klägerin 4.259,50 EUR und auf die Berufung des Beklagten 1.124 EUR.
Gründe
I. Die Parteien streiten um Ansprüche auf Schadensersatz und Abmahnkostenerstattung wegen sog. Filesharings.
Die Klägerin hat vorgetragen, sie sei ausschließliche Nutzungsberechtigte der Software des unter der Bezeichnung "X" ab 23. August 2013 in Deutschland vertriebenen Computerspiels (Anlage K 6). Der Verkaufspreis des Spieles habe bei Markteinführung im Einzelhandel knapp 50 EUR und in der sog. "download to own-Version" 39,99 EUR betragen.
Die Klägerin hat, gestützt auf einen Ermittlungsbericht eines von ihr eingeschalteten Dienstleisters sowie auf die Angaben des hierdurch ermittelten Internetproviders und die danach ergangene Entscheidung des Landgerichts Köln (Az. .../13) vorgetragen, dass dieses Computerspiel am 1. September 2013 um 15:24 Uhr vom Internetanschluss des Beklagten aus zum Download angeboten wurde.
Am 24. Februar 2014 hat die Klägerin den Beklagten wegen eines Urheberrechtsverstoßes abgemahnt. Nachdem eine Reaktion des Beklagten ausblieb, hat die Klägerin am 27. Dezember 2016 einen Mahnantrag gestellt, mit dem sie von dem Beklagten die Erstattung der jetzt noch streitgegenständlichen Abmahnkosten (984,60 EUR) sowie Schadensersatz (900,- EUR) verlangt hat. Die letztgenannte Forderung ist am 26. September 2018 auf einen Betrag in Höhe von 4.398,- EUR erweitert worden.
Der Beklagte hat bestritten, dass sein Internetanschluss als Ausgangspunkt der Rechtsverletzung korrekt ermittelt worden ist. Er hat vorgetragen, er kenne das Computerspiel nicht und sei lediglich Inhaber des ordnungsgemäß passwortgeschützten Internetanschlusses. Er könne persönlich ausschließen, den Anschluss zur Tatzeit verwendet zu haben. Der Internetanschluss werde selbständig auch von seiner Ehefrau und seinen im Anwesen wohnenden Eltern benutzt. Ferner hat der Beklagte die Einrede der Verjährung erhoben und Verwirkung eingewandt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird gem. § 540 Abs. 1 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main verwiesen.
Das Landgericht hat den Beklagten zur Zahlung eines Schadensersatzbetrags in Höhe von 1.000,- EUR sowie zur Erstattung der Abmahnkosten der Klägerin in Höhe von 124,- EUR verurteilt. Es hat festgestellt, dass die Klägerin sowohl ihre Aktivlegitimation als auch die vom Internetanschluss des Beklagten ausgehende Urheberrechtsverletzung hinreichend dargelegt habe und dass das pauschale Bestreiten des Beklagten insoweit unerheblich sei. Für die Täterschaft des Beklagten spreche eine tatsächliche Vermutung, denn er sei Inhaber des Internetanschlusses, von dem aus die Rechtsverletzung begangen w...