Entscheidungsstichwort (Thema)
Diesel-Skandal: Nachbesserungsverlangen als Voraussetzung des Rücktrittsrechts
Leitsatz (amtlich)
Will der Käufer wegen eines Mangels vom Pkw-Kaufvertrag zurücktreten, muss er dem Verkäufer zuvor Gelegenheit zur Nacherfüllung gegeben haben. Dies ist nicht der Fall, wenn der Käufer dem Verkäufer lediglich eine Frist zur Nachlieferung, nicht aber zur Nachbesserung setzt.
Normenkette
BGB §§ 346, 434, 437, 440
Verfahrensgang
LG Kassel (Entscheidung vom 01.02.2018; Aktenzeichen 9 O 789/17) |
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Kassel vom 1.2.2018 - 9 O 789/17 - wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens werden der Berufungsklägerin auferlegt.
Das Urteil und das landgerichtliche Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin darf die Vollstreckung durch die Beklagte gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des gegen die Klägerin vollstreckbaren Betrages abwenden, falls nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Klägerin hat die Beklagte mit der im Juni 2017 erhobenen Klage in der Hauptsache ursprünglich in Anspruch genommen auf Lieferung eines mangelfreien, fabrikneuen, typengleichen Ersatzfahrzeugs aus der Serienproduktion des Herstellers Marke A anstelle eines bei der Beklagten am 7.5.2015 in Erfüllung eines Kaufvertrages vom 6.3.2015 mit einem Kaufpreis von 29.000 EUR übergebenen Neufahrzeugs Marke A Modell1 mit 2-Liter-Motor; hilfsweise hat die Klägerin begehrt, das Fahrzeug derart nachzubessern, dass das Fahrzeug die in der EG-Übereinstimmungserklärung unter Ziffer 49 ausgewiesenen Abgaswerte sowohl auf dem Prüfstand als auch im Straßenbetrieb einhält. Unter Ziffer 49 sind die Kraftstoffverbrauchswerte und die CO2-Emissionswerte für die Fahrbedingungen "innerorts", "außerorts" und "kombiniert" aufgeführt.
Das Fahrzeug ist mit dem Dieselmotor des Typs Identifikationsnummer1 ausgestattet, der ab Werk mit einer Software ausgestattet war, die unter Prüfstandbedingungen des Neuen Europäischen Fahrzyklus (NEFZ) die Abgaswerte durch Veränderung des Grades der Abgasrückführung hinsichtlich des Stickoxidausstoßes (Modus 1) verändert, während unter normalen Fahrbedingungen andere Stickoxid-Abgaswerte (Modus 0) produziert werden.
Der Hersteller des Fahrzeugs hat die Motorsteuerungssoftware zwischenzeitlich derart überarbeitet, dass nach Installation des Software-Updates das Fahrzeug grundsätzlich im Modus 1 betrieben wird. Daneben greift das Softwareupdate in das Dieselverbrennungsverfahren durch Veränderung der Einspritzcharakteristik, des Einspritzdrucks, des Einspritzzeitpunktes etc. ein. Für diese Überarbeitung liegt eine Freigabebestätigung der europäischen Typgenehmigungsbehörde Vehicle Certification Agency (VCA) vor. Der Hersteller bietet das Softwareupdate für die betroffenen Kunden kostenfrei an.
Vorgerichtlich forderte die Klägerin die Beklagte mit Schreiben vom 31.3.2017 auf, ein neues Fahrzeug, das nicht mit der manipulierenden Software versehen ist, zu liefern. Die Beklagte verwies die Klägerin auf die für das von der Klägerin erworbene Modell vorgesehene Softwareaktualisierung. Mit Schreiben vom 3.5.2017 forderte die Klägerin erneut die Neulieferung eines Fahrzeugs ohne Manipulationssoftware. Die Beklagte lehnte dies unter Hinweis auf die vorgesehene Softwareaktualisierung ab.
Im Laufe des Rechtsstreits ist unstreitig geworden, dass eine Ersatzlieferung nicht möglich wäre, weil das von der Klägerin erworbene Produkt nicht mehr hergestellt wird.
Mit Schreiben vom 16.11.2017 hat die Klägerin daraufhin den Rücktritt vom Kaufvertrag erklärt und die Klage anschließend auf Rückzahlung eines um einen auf der Grundlage einer Gesamtlaufleistung von 300.000 km berechneten Nutzungsersatz gekürzten Kaufpreises Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs umgestellt.
Die Klägerin hat geltend gemacht, das Fahrzeug sei infolge der Manipulationssoftware mangelhaft. Durch die Manipulationssoftware, welche die konkrete Messung der Stickoxidwerte verhindere und im Prüfbetrieb niedrigere Ausstoßmengen vorspiegele, weiche das Fahrzeug von der bei vergleichbaren Fahrzeugen üblichen Beschaffenheit ab. Auch erwarte der Durchschnittskäufer nicht, dass die gesetzlich vorgegebenen Abgaswerte nur deshalb (vermeintlich) eingehalten werden, weil eine Software installiert wurde, die dafür sorgt, dass der Prüflaufstand erkannt wird und über eine entsprechende Programmierung der Motorsteuerung nur für diesen Fall den Stickstoffausstoß reduziert.
Das Fahrzeug eigne sich nicht zur gewöhnlichen Verwendung, da das Fahrzeug aufgrund des behördlich angeordneten Rückrufs umgerüstet werden müsse, um mittelfristig keine Nachteile wie Probleme bei der Einfahrt in Umweltzonen, steuerliche Nachteile oder gar den Verlust der Betriebserlaubnis zu erleiden.
Es sei hinsichtlich des Softwareupdates offen, ob dies hinsichtlich Leistung und Kraftstoffve...