Leitsatz (amtlich)
Flugreisekosten nach Nr. 7004 RVG-VV sind - soweit eine Flugreise grundsätzlich angemessen ist - nach § 91 Abs. 1 ZPO nur in Höhe der Kosten für einen Flug in einer Kategorie der Economy-Class mit Umbuchungsmöglichkeit erstattungsfähig.
Die Angemessenheit von Übernachtungskosten (Nr. 7006 RVG-VV) orientiert sich dem Grunde nach allein an der Frage der Zumutbarkeit eines Reisebeginns zur Nachtzeit. Ein Reiseantritt vor 6.00 Uhr morgens ist in der Regel nicht zumutbar. Die Partei und ihr Rechtsanwalt sind nicht gehalten, angemessene Flugkosten im Falle zusätzlich notwendig werdender Kosten einer Unterbringung durch besondere Anstrengungen - etwa einer deutlich längeren Bahnfahrt - wieder zu reduzieren.
Verfahrensgang
LG Hamburg (Beschluss vom 14.07.2009; Aktenzeichen 312 O 99/09) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin wird der Kostenfestsetzungsbeschluss des LG Hamburg, Zivilkammer 12, vom 14.7.2009 abgeändert.
Die von der Klägerin an die Beklagte nach dem gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbaren Urteil des LG vom 12.5.2009 zu erstattenden Kosten werden auf EUR 2.382,85 festgesetzt.
Von den Kosten des Beschwerdeverfahrens haben die Klägerin 4/5 und die Beklagte 1/5 nach einem Beschwerdewert von EUR 590,95 zu tragen.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
Die nach §§ 11 Abs. 1 RPflG, 104 Abs. 3, 567, 569 ZPO zulässige sofortige Beschwerde hat teilweise Erfolg. Im Übrigen ist sie unbegründet und zurückzuweisen.
Mit der Beschwerde wendet sich die Klägerin gegen die Festsetzung von Kosten einer Flugreise in der Business Class sowie die zusätzliche Festsetzung von Kosten der Übernachtung zzgl. anteiliger Taxikosten.
Die im angegriffenen Beschluss mit EUR 2.504,30 festgesetzten Kosten sind wie aus dem Tenor ersichtlich um EUR 121,45 zu reduzieren, denn der Beklagten steht gegen die Klägerin wegen der Reise ihres Prozessbevollmächtigten von Düsseldorf nach Hamburg und zurück lediglich ein Anspruch auf Erstattung von Flugreisekosten zu, die bei der Inanspruchnahme eines Fluges im Tarif Economy Flex angefallen wären ( EUR 465,55 netto). Ein Anspruch auf Erstattung von Flugreisekosten in der Business Class (hier EUR 587,00) besteht nicht. An seiner davon abweichenden Auffassung (vgl. die von der Rechtspflegerin angeführte Entscheidung des OLG Hamburg vom 23.4.2008 - 8 W 43/08) hält der Senat nach Beratung nicht fest (unten 1.).
Die Klägerin hat der Beklagten daneben aber in der festgesetzten Höhe auch die Kosten der Unterbringung des Rechtsanwalts der Beklagten zu erstatten, die durch die Anreise des Rechtsanwalts am Vortag bedingt sind, sowie die insgesamt angefallenen Taxikosten. Soweit der Senat in anderer Sache (Beschl. v. 5.11.2009 - 4 W 290/09) eine abweichende
Auffassung vertreten hat, wonach im Falle der Anreise des Rechtsanwalts am Tag vor dem Gerichtstermin in jedem Fall allein die Kosten einer Bahnreise zu erstatten sind, wird daran nicht festgehalten (unten 2.).
1. Mit der etwa vom OLG Frankfurt (AGS 2008, 409 f.) vertretenen Auffassung ist der Senat der Ansicht, dass Flugreisekosten, die bei Nutzung der Business Class anfielen, nicht mehr in einem angemessenen Verhältnis zu den Kosten stehen, die auf eine Anreise mit der Bahn entfielen, denn die Partei ist - soweit es um die Bemessung erstattungsfähiger Reisekosten geht - gehalten, unter mehreren gleichartigen Maßnahmen die kostengünstigere auszuwählen, so dass die Kosten einer Flugreise nur dann erstattungsfähig sind, wenn sie nicht außer Verhältnis zu den Kosten der Benutzung der Bahn (1. Klasse) stehen (BGH Rpfleger 2008, 279 ff.). Angesichts der auch im vorliegenden Fall deutlichen Differenz der von der Beklagten geltend gemachten Flugreisekosten ( EUR 587 netto) zu den für die Benutzung der Bahn anzusetzenden Kosten ( EUR 200 netto) folgt aus dem Gebot, unter mehreren gleichartigen Maßnahmen die kostengünstigste Maßnahme zu wählen jedenfalls, dass unter mehreren verfügbaren Flugreisetarifen der den Umständen nach günstigere Flugtarif zu wählen ist, der die Beförderung in gleicher Weise wie die Bahn gewährleistet, ohne den Reisenden unverhältnismäßigen Belastungen und/oder Risiken auszusetzen.
a) Das erfordert regelmäßig, einen Flug in der Economy Class statt in der Business Class
zu wählen, denn die durch die Wahl der Economy Class ggü. der teureren Business Class entstehenden Belastungen bzw. Nachteile stehen in keinem Verhältnis zu den in der Business Class anfallenden höheren Kosten. Der Reisekomfort ist in gleicher Weise hinreichend gegeben. Auf besondere Serviceleistungen besteht kein Anspruch. Das gilt auch für die in der Business Class verbesserte Sitzplatzsituation. Sie rechtfertigt die Inanspruchnahme der teureren Klasse nicht. Der Senat misst insbesondere der Möglichkeit zum ungestörten Aktenstudium keine Bedeutung zu.
Zum einen ist beim Studium von Akten oder sonstigen Unterlagen mit - unterstellter-maßen - vertraulichem Inhalt im Flugzeug unter keinen Umst...