Leitsatz (amtlich)
Auch nach RVG sind gezahlte Pflichtverteidigergebühren in voller Höhe auf zu erstattende Wahlverteidigergebühren anzurechnen. Der Anspruch des gerichtlich bestellten Verteidigers gegen den Beschuldigten auf Zahlung der Wahlverteidigergebühren entfällt nach teilweisem Freispruch oder sonstigem teilweisen Obsiegen des Beschuldigten nicht nur in Höhe des darauf entfallenden Anteils, sondern in Höhe der gesamten gezahlten Pflichtverteidigergebühren.
Verfahrensgang
LG Hamburg (Entscheidung vom 01.08.2007; Aktenzeichen 622 Ks 14/06) |
Tenor
1.
Die sofortige Beschwerde der Rechtsanwältin P. gegen den Beschluss der Rechtspflegerin der Großen Strafkammer 22 des Landgerichts Hamburg vom 1. August 2007 wird auf Kosten der Beschwerdeführerin verworfen.
2.
Der Beschwerdewert wird auf 921,30 Euro festgesetzt.
Gründe
I.
Mit der vorliegenden sofortigen Beschwerde begehrt die beschwerdeführende Rechtsanwältin im Kern Festsetzung von dem Verurteilten von Seiten der Staatskasse als notwendige Auslagen zu erstattenden Wahlverteidigergebühren ohne Abzug bereits ausgezahlter Pflichtverteidigergebühren in voller Höhe.
Der Verurteilte wurde durch Urteil des Landgerichts Hamburg vom 27. Januar 2006 wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von zwölf Jahren verurteilt. Auf seine dagegen eingelegte Revision wurde dieses Urteil mit Beschluss des Bundesgerichtshofes vom 26. Juli 2006 im Rechtsfolgenausspruch - mit Ausnahme einer Einziehungsanordnung - aufgehoben und insoweit zu neuer Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Kammer des Landgerichts Hamburg zurückverwiesen. Daraufhin erging das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 14. Dezember 2006, mit welchem gegen den Verurteilten auf Freiheitsstrafe von nunmehr elf Jahren erkannt wurde. Die dagegen eingelegte erneute Revision des Verurteilten wurde mit Beschluss des Bundesgerichtsgerichtshofes vom 16. April 2007 gemäß § 349 Abs. 2 StPO kostenpflichtig verworfen.
Die im vorliegenden Beschwerdeverfahren als Kostengrundentscheidung maßgebliche Kosten- und Auslagenentscheidung des landgerichtlichen Urteils vom 14. Dezember 2006 lautet:
"Er (gemeint: Der Verurteilte) trägt die Kosten des Verfahrens, jedoch hinsichtlich des Rechtsmittelverfahrens lediglich zu dreiviertel; einviertel dieser Kosten und seiner notwendigen Auslagen werden der Staatskasse auferlegt".
Die als gerichtlich bestellte Verteidigerin des Verurteilten tätig gewesene Beschwerdeführerin machte die ihr nach dem RVG zustehenden Gebührenansprüche mit verschiedenen Rechnungen beim Landgericht geltend.
Unter anderem begehrte sie mit Rechnung vom 4. Januar 2007 als "Terminsgebühren Schwurgericht" gemäß Nr. 4121 des Vergütungsverzeichnisses zum RVG (im Folgenden: VV) Erstattung einer "Terminsgebühr - 8.12.06 -" in Höhe von 434,-- Euro nebst Zuschlag gemäß Nr. 4122 VV in Höhe von 178,-- Euro und gemäß Nr. 4121 VV einer "Terminsgebühr - 14.12.06 -" in Höhe weiterer 434,-- Euro sowie des Weiteren für das "Verfahren außerhalb der Hauptverhandlung" einer Gebühr gemäß Nr. 4119 VV in Höhe von 322,-- Euro, insgesamt einen Betrag von 1.650,97 Euro. Davon wurde, unter Abzug des Zuschlages von 178,-- Euro und anteiliger Umsatzsteuer, ein Betrag von 1.444,49 Euro festgesetzt und an die Beschwerdeführerin ausgezahlt. Mit einer weiteren Rechnung vom 4. Januar 2007 begehrte die Beschwerdeführerin als "Pflichtverteidigergebühren" Erstattung der "Kosten für die Verteidigung im (gemeint: ersten) Revisionsverfahren" in Höhe von insgesamt 609,-- Euro. Dieser Betrag wurde antragsgemäß festgesetzt und an die Beschwerdeführerin ausgezahlt.
Die Beschwerdeführerin machte (hier beschwerdegegenständlich) mit als Kostenfestsetzungsgesuch zu wertender Rechnung vom 24. April 2007 insgesamt einen Betrag in Höhe von 1.120,85 Euro geltend für die "Hauptverhandlung nach Zurückverweisung" ("Gebühr gem. VV 4119" in Höhe von 725,-- Euro zu "1/4 = EUR 181,25") und als "Terminsgebühren Schwurgericht" ("Gebühr gem. VV 4121 Terminsgebühr - 8.12.06 -" in Höhe von 975,-- Euro zu "1/4 = EUR 243,--", "Gebühr gem. VV 4121 Terminsgebühr - 14.12.06 -" in Höhe von 975,-- Euro zu "1/4 = EUR 243,--") zuzüglich Umsatzsteuer in Höhe von 107,-- Euro. Für die Verteidigung im (gemeint: ersten) "Revisionsverfahren" setzte die Beschwerdeführerin mit der Rechnung vom 24. April 2007 des weiteren einen Betrag von insgesamt 345,10 Euro an, den sie aus einer "Gebühr gem. 4131 VV Verfahrensgebühr Revisionsverfahren" in Höhe von 1.162,50 Euro zu "1/4 = EUR 290,--" zuzüglich 55,10 Euro Umsatzsteuer errechnete. Der Rechnung vom 24. April 2007 war eine schriftliche Abtretungserklärung des Verurteilten beigefügt, mit welcher er seine Erstattungsansprüche bezüglich des Revisionsverfahrens an die Beschwerdeführerin abgetreten hat.
Mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 1. August 2007 setzte die Rechtspflegerin des Landgerichts die von der Staatskasse aus abgetretenem Recht an die Beschwerdeführerin zu erstattend...