Tenor

Dem Gerichtshof der Europäischen Union wird zur Auslegung der Artikel 8 und 9 der Richtlinie (EU) 2016/343 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. März 2016 über die Stärkung bestimmter Aspekte der Unschuldsvermutung und des Rechts auf Anwesenheit in der Verhandlung in Strafverfahren (nachfolgend: Richtlinie (EU) 2016/343) folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:

Sind bei Entscheidungen über die Auslieferung zum Zwecke der Strafverfolgung einer in Abwesenheit verurteilten Person aus einem Mitgliedstaat der Europäischen Union an einen anderen Mitgliedstaat die Bestimmungen der Richtlinie (EU) 2016/343, insbesondere in deren Artikeln 8 und 9, in dem Sinne auszulegen, dass die Zulässigkeit der Auslieferung - insbesondere in einem so genannten Fluchtfall - von der Erfüllung der in der Richtlinie genannten Voraussetzungen durch den ersuchenden Staat abhängt?

 

Gründe

I.

1. Die Republik Rumänien ersucht die Bundesrepublik Deutschland auf der Grundlage dreier Europäischer Haftbefehle um die Auslieferung des rumänischen Verfolgten ... jeweils zum Zwecke der Strafvollstreckung.

Im Einzelnen handelt es sich dabei um

(1) den Europäischen Haftbefehl des Gerichts in Deva vom 7. Oktober 2019 (Az.: Nr. 3/2019, 2541/221/2016), dem eine nationale Haftentscheidung des Amtsgerichts Deva (Az.: Nr. 2184/2018) zugrunde liegt, die wiederum auf dem Urteil des Gerichts in Deva Nr. 1179 vom 30. Oktober 2018 (Az.: Nr. 2541/221/2016) beruht, mit dem der Verfolgte in Verbindung mit dem Urteil des Berufungsgerichts Alba Iulia Nr. 607 vom 25. September 2019 in seiner Abwesenheit rechtskräftig wegen dreier Bedrohungsdelikte und eines Brandstiftungsdelikts zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten verurteilt worden ist, die er - abzüglich der in der Zeit vom 1. Januar 2016 bis 14. April 2017 bereits verbüßten Strafhaft sowie weiteren 48 Tagen Strafhaft - noch zu verbüßen hat;

(2) den Europäischen Haftbefehl des Kreisgerichts Hunedoara vom 4. Februar 2020 (Az.: Nr. 1/2020 739/97/2019), dem eine nationale Haftentscheidung des Landgerichts Hunedoara vom 20. Januar 2020 (Az.: 140/2019) zugrunde liegt, die wiederum auf dem Urteil des Landgerichts Hunedoara vom 2. Oktober 2019 (Az.: Nr.112/2019) - rechtskräftig in Verbindung mit dem Urteil des Berufungsgerichts Alba Iulia vom 20. Januar 2020 (Az.: Nr. 15/2020) - beruht, mit dem der Verfolgte in seiner Abwesenheit wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung und im Zusammenhang damit begangener Betäubungsmitteldelikte sowie zweier Verkehrsdelikte und einer Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt worden ist, von der er noch zwei Jahre und vier Monate zuzüglich eines Strafrestes von 1.786 Tagen aus einer gegen ihn mit dem Strafurteil Nr. 20/2015 des Amtsgerichts Hunedoara verhängten Freiheitsstrafe von ursprünglich 19 Jahren, dessen Aussetzung zwischenzeitlich widerrufen worden ist, zu verbüßen hat;

sowie

(3) den weiteren Europäischen Haftbefehl des Gerichts Hunedoara vom 30. Juli 2020 (Az.: Nr. 5/2020 5992/243/2019), hier eingegangen am 12. August 2020, dem eine nationale Haftentscheidung des Landgerichts Hunedoara vom 27. Juli 2020 (Az.: 204/2020) zugrunde liegt, die wiederum auf dem Urteil des Gerichts Hunedoara vom 29. Juni 2020 (Az.: Nr. 198/2020) - rechtskräftig seit dem 27. Juli 2020 - beruht, mit dem der Verfolgte in seiner Abwesenheit wegen eines Verkehrsdelikts und zweier Urkundsdelikte zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten Freiheitsstrafe verurteilt worden ist, die er noch vollständig zu verbüßen hat.

2. Der Verfolgte befindet sich seit dem 31. März 2020 aufgrund des auf Antrag der Generalstaatsanwaltschaft Hamburg am 23. Dezember 2019 erlassenen Auslieferungshaftbefehls des Senats - neu gefasst jeweils am 16. Januar 2020 sowie am 28. Mai 2020 - in Auslieferungshaft in der Untersuchungshaftanstalt Hamburg.

Zuletzt mit Beschluss vom 27. Juli 2020 hat der Senat auf Antrag der Generalstaatsanwaltschaft Hamburg die Fortdauer der Auslieferungshaft gegen den Verfolgten angeordnet. Die nächste Haftprüfung ist nach § 26 Absatz 1 des deutschen Gesetzes zur Internationalen Rechtshilfe in Strafsachen (nachfolgend: IRG) spätestens bis zum 27. September 2020 veranlasst.

Der Verfolgte hat Einwendungen gegen seine Auslieferung erhoben und sich mit der vereinfachten Auslieferung nach § 41 IRG nicht einverstanden erklärt.

Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt der Senat auf die vorgenannten Entscheidungen Bezug.

II.

1. Im Hinblick auf die Zulässigkeit der Auslieferung des Verfolgten zur Strafvollstreckung nach den Vorschriften des IRG hat die Generalstaatsanwaltschaft Hamburg bei den rumänischen Behörden schriftlich mehrere ergänzende Auskünfte, unter anderem betreffend die gerichtlichen Ladungen des Verfolgten zu den Hauptverhandlungen beider Instanzen der den oben genannten Europäischen Haftbefehlen vom 7. Oktober 2019 und vom 4. Februar 2020 zugrunde liegenden Verfahren und seine dortigen Vertretungen durch Verteidiger, eingeholt.

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