Leitsatz (amtlich)

Urlaube von Verfahrensbeteiligten als Teil der normalen und auch zwingend erforderlichen justiziellen Abläufe stellen im Rahmen einer Entscheidung über die Fortdauer der Untersuchungshaft als solche keine vermeidbaren Verfahrensverzögerungen dar, sind aber bei länger andauernden Verfahren zumindest teilweise durch eine intensivere Terminierung und Verhandlung in den verbleibenden Zeiträumen auszugleichen.

 

Normenkette

StPO §§ 112, 120

 

Verfahrensgang

AG Hamburg (Entscheidung vom 13.05.2016; Aktenzeichen 162 Gs 507/16)

 

Tenor

Auf die Beschwerde des Angeklagten wird der Haftbefehl des Amtsgerichts Hamburg vom 13. Mai 2016 (Az.: 162 Gs 507/16), zuletzt bestätigt durch Beschluss des Landgerichts Hamburg, Große Strafkammer 2, vom 13. Juni 2017, aufgehoben.

Die notwendigen Auslagen des Angeklagten im Beschwerdeverfahren trägt die Staatskasse.

 

Gründe

Der wegen besonderer Eilbedürftigkeit zunächst ohne Gründe ergangene Senatsbeschluss vom 6. Oktober 2017 wird wie folgt ergänzt:

I.

Der Angeklagte G. ist in einem gegen ihn wegen des Vorwurfs des Totschlags zu Lasten der Geschädigten M. geführten Strafverfahren am 12. Mai 2016 polizeilich festgenommen worden und befindet sich seit dem Folgetag aufgrund Haftbefehls des Amtsgerichts Hamburg vom 13. Mai 2016 fortlaufend in Untersuchungshaft. Der Haftbefehl war auf die Haftgründe der Flucht- und Verdunkelungsgefahr sowie der Schwerkriminalität gem. § 112 Abs. 2 Nr. 2 und 3, Abs. 3 StPO gestützt.

Die Staatsanwaltschaft Hamburg hat gegen den Angeklagten am 5. August 2016 Anklage zum Landgericht Hamburg, Große Strafkammer - Schwurgericht - erhoben. Die zuständige Große Strafkammer 2 des Landgerichts hat nach vorsorglicher zeitnaher Absprache möglicher Hauptverhandlungstermine mit Beschluss vom 12. September 2016 das Hauptverfahren eröffnet und die Untersuchungshaft aus den Gründen des amtsgerichtlichen Haftbefehls aufrechterhalten.

Nach Durchführung der Hauptverhandlung in der Zeit vom 26. Oktober 2016 bis zum 13. Juni 2017 hat die Große Strafkammer den Angeklagten mit Urteil vom 13. Juni 2017 wegen Totschlags zu einer Freiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt und mit Beschluss vom selben Tage den amtsgerichtlichen Haftbefehl unter Bezugnahme auf die Gründe seines Erlasses aufrechterhalten sowie die Fortdauer der Untersuchungshaft angeordnet.

Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner am 27. September 2017 bei dem Landgericht eingelegten und insbesondere auf den Gesichtspunkt während der Durchführung der landgerichtlichen Hauptverhandlung eingetretener Verfahrensverzögerungen gestützten Beschwerde, der die Große Strafkammer 2 mit Beschluss vom 29. September 2017 nicht abgeholfen hat.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die Beschwerde als unbegründet zu verwerfen.

Der Senat hat eine ergänzende Stellungnahme der Großen Strafkammer 2 des Landgerichts Hamburg zu den Gründen für die geringe Termindichte bei Anberaumung und Durchführung der Hauptverhandlung eingeholt und hierzu den Verfahrensbeteiligten rechtliches Gehör gewährt. Ein Verteidiger des Angeklagten hat ergänzend Stellung genommen.

II.

Auf die zulässige Beschwerde (§§ 304 Abs. 1, 306 Abs. 1 StPO) des Angeklagten war der Haftbefehl des Amtsgerichts Hamburg, zuletzt bestätigt durch Haftfortdauerbeschluss der Großen Strafkammer 2 des Landgerichts Hamburg vom 13. Juni 2017, aus Gründen der Verhältnismäßigkeit aufzuheben und der Angeklagte aus der Untersuchungshaft zu entlassen.

1. Zwar liegen die Voraussetzungen für die Anordnung der Untersuchungshaft nach § 112 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2, Abs. 3 StPO weiterhin vor. Insbesondere besteht gegen den Angeklagten weiterhin der nunmehr durch Urteil des Landgerichts Hamburg vom 13. Juni 2017 näher konkretisierte dringende Tatverdacht des Totschlags gem. § 212 Abs. 1 StGB.

Ferner besteht auch weiterhin die Gefahr, dass der Angeklagte sich dem Strafverfahren entziehen werde, § 112 Abs. 2 Nr. 2 StPO. Ebenfalls sind außerdem die Voraussetzungen des aus § 112 Abs. 3 StPO für bestimmte Formen der Schwerkriminalität folgenden Haftgrundes erfüllt. Ob nach Ergehen des erstinstanzlichen Urteils weiterhin der Haftgrund der Verdunkelungsgefahr gem. § 112 Abs. 2 Nr. 3 StPO besteht, kann hier dahinstehen. Mildere Maßnahmen als der Vollzug der Untersuchungshaft i. S. d. § 116 Abs. 1 StPO sind zur Verfahrenssicherung nicht hinreichend geeignet.

Schließlich steht die Anordnung der Haft auch ersichtlich nicht i. S. d. §§ 112 Abs. 1 Satz 2, 120 Abs. 1 Satz 1 StPO zur Bedeutung der Sache und der durch die landgerichtliche Verurteilung vorläufig auf ein Maß von acht Jahren Freiheitsstrafe konkretisierten Straferwartung außer Verhältnis.

2. Jedoch erweist sich die Fortdauer der Untersuchungshaft aufgrund eines Verstoßes gegen das Gebot besonders beschleunigter Verfahrensführung in Haftsachen als unverhältnismäßig, da es im Verfahrensablauf zu erheblichen und vermeidbaren sowie dem Angeklagten nicht zurechenbaren Verfahrensverzögerungen gekommen ist.

a) Bei der Anordnung und Aufrechterhaltung d...

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