Entscheidungsstichwort (Thema)
Zuständigkeitsstreit zwischen drei Amtsgerichten, dem AG Hamburg, dem AG Hamburg-Wandsbek und dem AG Hamburg-Harburg
Leitsatz (amtlich)
Die Verweisung aus §§ 621a Abs. 1 S. 1 ZPO, 64 Abs. 3 S. 2 FGG erfasst auch § 43 Abs. 2 FGG.
Normenkette
FGG §§ 36, 43 Abs. 2, § 64 Abs. 3 S. 2; ZPO § 621a Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
AG Hamburg-Harburg (Aktenzeichen 635 F 131/07) |
Tenor
Das AG Hamburg-Harburg (FamG) wird als das zuständige Gericht bestimmt.
Gründe
I. Gegenstand des Verfahrens ist ein Zuständigkeitsstreit zwischen den AG Hamburg, Hamburg-Wandsbek und Hamburg-Harburg, jeweils FamG.
Im Ausgangsverfahren beantragt der Kindesvater das Sorgerecht für seine Tochter. Die Eltern waren nicht miteinander verheiratet und leben dauerhaft getrennt. Beim AG Hamburg-Harburg (608 VIII T 1181) wird eine Vormundschaft für das Kind geführt.
Das FamG Hamburg-Wandsbek hat das Verfahren an das FamG Hamburg abgegeben. Dieses hat nach Prüfung der Frage, bei welchem Gericht die Vormundschaft geführt wird, das Verfahren an das AG Hamburg-Harburg abgegeben.
Das FamG Hamburg-Harburg hat die Übernahme des Verfahrens abgelehnt und die Akte an das AG Hamburg - FamG -, zurückgesandt, welches wiederum die Akte an das AG Hamburg-Wandsbek, FamG zurückgesandt hat.
Das FamG Hamburg-Wandsbek hat sodann das Verfahren zur Entscheidung vorgelegt.
Der Senat ist zur Bestimmung des zuständigen Gerichts berufen. Dies folgt aus § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO, der in analoger Anwendung trotz der generellen Verweisung auf die Vorschriften des FGG in § 621a Abs. 1 S. 1 ZPO an die Stelle von § 5 FGG tritt (Zöller/Philippi, ZPO, 25. Aufl., § 621a Rz. 10). Die Bestimmung des zuständigen Gerichts erfolgt durch das im Rechtszug zunächst höhere Gericht, mithin vorliegend durch das OLG.
Zuständig für das Verfahren nach § 1696 BGB ist das AG Hamburg-Harburg (FamG) als Gericht an dem Ort, an dem die bestehende Vormundschaft für das betroffene Kind geführt wird (§ 43 Abs. 2 FGG).
Die Zuständigkeit des FamG Hamburg-Harburg beruht auf den §§ 36, 43 Abs. 2 FGG. Über die Verweisung in §§ 621a Abs. 1 S. 1 ZPO, 64 Abs. 3 S. 2 FGG finden in selbständigen Familiensachen, und hierum handelt es sich bei dem vorliegenden Verfahren nach § 1680 BGB, die §§ 36, 43 FGG Anwendung.
Der erkennende Senat hält nicht an seiner früher in einem Einzelfall vertretenen Rechtsauffassung fest, § 43 Abs. 2 FGG werde von der Verweisung nicht umfasst und finde keine Anwendung. Anhaltspunkte für eine Beschränkung der Verweisung auf § 43 Abs. 1 FGG lassen sich dem Gesetzeswortlaut nicht entnehmen. Vielmehr bestimmt § 64 Abs. 3 Satz 2 FGG ohne Ausnahme, dass an die Stelle des Vormundschaftsgerichts das FamG tritt.
Auch aus dem Sinn und Zweck der Zuständigkeitsbestimmung lässt sich kein Ausschluss der Anwendung des § 43 Abs. 2 FGG herleiten. Zwar mag es im Einzelfall unter Anwendung von § 43 Abs. 2 FGG dazu kommen, dass ein selbständiges Familienverfahren nicht am Wohnsitz des Kindes geführt wird. Dieser Fall wird jedoch eher selten oder zumindest nicht regelmäßig auftreten, da das Vormundschaftsgericht seinerseits gem. § 46 FGG die Möglichkeit hat, das Verfahren aus wichtigem Grund an das für den Wohnsitz des Kindes zuständige Gericht abzugeben und dieses auch regelmäßig tun wird. Solange dies nicht geschehen ist, ist davon auszugehen, dass der Schwerpunkt der gerichtlichen Tätigkeit in Bezug auf das betroffene Kind an dem Gerichtsort besteht, an dem die Pflegschaft geführt wird. Eine Anknüpfung an diesen, von vornherein feststehenden, Gerichtsort bietet zudem eine Sicherheit in Bezug auf den örtlichen Gerichtsstand, die entfallen würde, wenn im Einzelfall, wie beispielsweise im vorliegenden Ausgangsfall, zunächst zu prüfen wäre, ob ein neuer Wohnsitz des Kindes begründet worden ist.
Die vom Senat bereits mehrfach vertretene Auffassung (2 AR 1/07, 2 AR 6/07) wird in der Literatur geteilt (vergleiche Rotax, Praxis des Familienrechts, 3. Aufl., S. 551, Rz. 754).
Fundstellen
Haufe-Index 1798388 |
OLGR-Nord 2007, 811 |