Entscheidungsstichwort (Thema)
Kein Recht eines Vaters auf Umgang mit seiner 16-jährigen Tochter, wenn diese den Umgang eindeutig ablehnt
Normenkette
GG Art. 6 Abs. 2 S. 1; BGB § 1684
Verfahrensgang
AG Hamburg (Beschluss vom 04.07.2007; Aktenzeichen 285 F 263/05) |
Tenor
Auf die Beschwerde des Vaters gegen den Beschluss des AG Hamburg vom 4.7.2007, Aktenzeichen 285 F 263/05, wird dieser dahingehend abgeändert, dass das Umgangsrecht des Vaters mit seiner Tochter bis zu ihrer Volljährigkeit ausgeschlossen wird.
Gerichtskosten werden nicht erhoben; außergerichtliche Kosten nicht erstattet.
Gründe
1. Der Vater begehrt mit seiner Beschwerde die Regelung eines Umgangsrechts mit seiner jetzt 16-jährigen Tochter A.
A. lebt bei ihrer alleinsorgeberechtigten Mutter und - seit 1995 - deren Ehemann Prof. G. Mit ihrem Vater hat A. zu keinem Zeitpunkt zusammengelebt. Mit Beschluss vom 26.2.2004 hat das AG Hamburg den Umgang zwischen Vater und Tochter dahingehend geregelt, dass er in Begleitung durch Prof. G. jeweils in den Monaten Dezember, März, Juni und September für 3 Stunden stattfinden sollte.
Im Rahmen eines Verfahrens gem. § 1696 BGB hat die Mutter beantragt, die Umgangsregelung aufzuheben. Der Vater hingegen beantragte, die Umgangsregelung grundsätzlich aufrechtzuerhalten, den Umgang aber unbegleitet stattfinden zu lassen und zeitlich auszudehnen. Das AG hat den Beschluss vom 26.2.2004 aufgehoben und den Antrag des Vaters auf Regelung des zukünftigen Umgangs mit seiner Tochter zurückgewiesen.
Im Hinblick auf die Einzelheiten der Vorgeschichte und das Vorbringen der Beteiligten wird auf die Ausführungen im Beschluss des AG vom 4.7.2007 verwiesen.
2. Die Beschwerde ist zulässig. Sie führt zur Abänderung der amtsgerichtlichen Entscheidung, weil auf Antrag der Umgang zu regeln ist; eine Zurückweisung des Antrags genügt dieser Anforderung nicht (BGH FamRZ 1994, 158). Das Elternrecht eines nichtsorgeberechtigten Elternteils ist verletzt, wenn das Gericht eine Regelung des Umgangs ablehnt, ohne dass ersichtlich ist, für welche Dauer ein Umgang nicht stattfinden soll (BVerfG FamRZ 2005, 1815).
Auch nach der Auffassung des Beschwerdegerichts ist allerdings A's Wohl gefährdet, wenn sie zum Umgang mit ihrem Vater gegen ihren ernsthaft geäußerten und nachvollziehbaren Willen gezwungen wird. Gemäß § 1684 Abs. 4 S. 2 BGB wird deshalb das Recht des Vaters auf Umgang mit seiner Tochter bis zu ihrem 18. Geburtstag ausgeschlossen.
3. Das Umgangsrecht des nichtsorgeberechtigten Elternteils steht ebenso wie die elterliche Sorge des anderen Elternteils unter dem Schutz des Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG. Können sich die Eltern über die Ausübung des Umgangsrechts nicht einigen, haben die Gerichte eine Entscheidung zu treffen, die sowohl die beiderseitigen Grundrechtspositionen der Eltern als auch das Wohl des Kindes und dessen Individualität als Grundrechtsträger berücksichtigt (vgl. BVerfGK 31, 194,206; 64, 180,188). Die gesetzliche Regelung des § 1684 Abs. 4 BGB ermöglicht im Zusammenspiel mit den verfahrensrechtlichen Regelungen der §§ 50a, 50b FGG gerichtliche Entscheidungen, welche die Umgangsbefugnis einschränken oder ausschließen, wenn das Kind dies aus ernsthaften Gründen wünscht und ein erzwungenes Umgangsrecht das Kindeswohl beeinträchtigen würde (vgl. BVerfG, 13.7.2005, 1 BvR 1245/05, juris Rz. 10; BVerfGE 64, 180, 191).
a) Das auf Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG beruhende Umgangsrecht steht jedem Elternteil zu, der mit einem Kind nicht zusammen lebt; darüber hinaus ist es auch ein Recht des Kindes auf Kontakt zu dem abwesenden Elternteil, bzw. zu den Eltern (§ 1684 BGB). Es soll Eltern und Kindern ermöglichen, die verwandtschaftlichen Beziehungen aufrecht zu erhalten und zu vertiefen, Entfremdungen vorzubeugen und dem Liebesbedürfnis beider Teile Rechnung zu tragen. Dem liegt die Vorstellung zugrunde, dass zum Wohl des Kindes in der Regel der Umgang mit bei den Eltern gehört (§ 1626 Abs. 3 S. 1 BGB). Dies gilt auch, wenn der umgangsberechtigte Elternteil mit dem Kind nicht zusammengelebt hat, die Beziehung somit erst geknüpft werden muss.
b) Dieses Recht gilt aber nicht schrankenlos, es findet vielmehr seine Begrenzung in den Rechten des Kindes. Nach der gefestigten Rechtsprechung des BVerfG (FamRZ 1968, 478) sind Kinder selbst Träger subjektiver Rechte, sie sind Wesen mit eigener Menschenwürde und einem eigenem, auf Art. 2 Abs. 1 GG beruhenden Recht auf Entfaltung ihrer Persön lichkeit. Lehnt ein Kind Kontakte ab, so ist zu prüfen, ob die Weigerung zum Umgang auf ernsthaften Gründen beruht, die zu einer tief greifenden Störung des Eltern-Kind-Verhältnisses geführt haben. Bei Kindern ab dem 12. Lebensjahr ist in der Regel davon auszugehen, dass sie die Bedeutung des Umgangsrechts verstehen und ihr Wille daher beachtlich ist (FA-FamR/Büte, 6. Aufl. 2008, Kap. 4, Rz. 526). Eine erzwungene Durchsetzung des Umgangsrechts ist dann mit dem Persönlichkeitsrecht des Kindes nicht vereinbar.
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