Leitsatz (amtlich)
Ein Gerichtswechsel im Rahmen der Erprobungsabordnung verhindert die Mitwirkung an einem Tatbestandsberichtigungsantrag nicht.
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des Landgerichts Hamburg vom 04.02.2019, Az. 316 O 35/17, aufgehoben.
Die Sache wird zur weiteren Veranlassung an das Landgericht zurückgereicht.
Gründe
Die zulässige Beschwerde ist begründet.
1. Die sofortige Beschwerde ist zulässig, insbesondere statthaft.
Zwar findet nach § 320 Abs. 4 S. 4 ZPO eine Anfechtung des Beschlusses über die Tatbestandsberichtigung nicht statt. Dieser Rechtsmittelausschluss gilt jedoch nur, wenn das Gericht über den Tatbestandsberichtigungsantrag in der Sache entschieden hat. Ist aus prozessualen Gründen eine Entscheidung über den Antrag abgelehnt worden, etwa wegen Richterverhinderung, ist das Rechtsmittel des § 567 Abs. 1 ZPO statthaft (vgl. Vollkommer in: Zöller, ZPO, 31. Aufl., § 320 Rn. 14 m. w. Nachw.).
2. Die sofortige Beschwerde ist auch begründet.
Über den Tatbestandsberichtigungsantrag war in der Sache zu befinden, weil die erkennende Einzelrichterin hinsichtlich der Beschlussfassung nicht aus - hier allein in Betracht kommenden - Rechtsgründen verhindert war i.S.v. § 320 Abs. 4 S. 2 ZPO.
Wie das Landgericht in seinem Nichtabhilfebeschluss vom 1. März 2019 zutreffend herausgearbeitet hat, ist allerdings umstritten, ob beim Wechsel eines Richters vom erkennenden Gericht an ein anderes Gericht - wie hier wegen der Abordnung der Einzelrichterin an das Hanseatische Oberlandesgericht anzunehmen - oder etwa in eine Behörde von einer rechtlichen Verhinderung in Bezug auf die Abarbeitung von Tatbestandsberichtigungsanträgen für am Ausgangsgericht abgefasste Urteile auszugehen ist.
Teilweise wird in vergleichbaren Fällen eine rechtliche Verhinderung des Wechselnden verneint, weil bzw. soweit mit dem Wechsel kein Verlust des Richterstatus verbunden ist (so etwa BGH, Beschluss vom 26. April 2006, - 5 StR 21/06 -, NStZ 2006, 586 zur Unterschriftsleistung nach § 275 Abs. 2 StPO; i.E. ebenso BVerwG, Beschluss vom 24. April 2018, - 2 C 36/16 -, Rn. 1 - beck-online; aus der Literatur vgl. etwa Musielak in: MünchKomm-ZPO, 5. Aufl., § 315 Rn. 6; Rensen in Wieczorek/Schütze, ZPO, 4. Aufl., § 315 Rn. 14; Valerius in: MünchKomm-StPO, 1. Aufl., § 275 Rn. 32 m. w. Nachw.).
Die Gegenauffassung führt für eine rechtliche Verhinderung an, dass der Ausscheidende nicht mehr im Namen desjenigen Gerichts Recht sprechen könne, das er verlassen habe (vgl. OLG Stuttgart, Beschluss vom 20. Januar 1976, OLGZ 1976, 241 unter Hinweis auf §§ 27, 28 DRiG; unklar BVerwG, Beschluss vom 11. Oktober 1993, - 2 B 32/93 -, Rn. 5 zu einem nicht näher spezifizierten "Ausscheiden ... aus dem Senat" und § 119 VwGO - juris; ebenso unklar BGH, Beschluss vom 2. April 1981, - III ZB 1/81 -, Rn. 3 - juris: Eine Versetzung könne Verhinderungsgrund i.S.v. § 315 ZPO sein). Das Landgericht hat außerdem verfassungsrechtliche Bedenken geltend gemacht und darauf verwiesen, dass der ausgeschiedene Richter nicht mehr gesetzlicher Richter i.S.v. Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG sei (vgl. dazu auch KG, Beschluss vom 7. September 2015, - 8 U 23/14 -, Rn. 2 - juris, unter Berufung auf BGH, Urt. v. 1. Februar 2002, - V ZR 357/00 -, Rn. 15 - beck-online, sowie auf BFH, Beschluss vom 8. Mai 2003, - IV R 63/99 -, wo allerdings die besonderen Umstände des Einzelfalls ausdrücklich hervorgehoben werden [unzulässiger Berichtigungsantrag]).
Der Senat schließt sich der erstgenannten Auffassung an. Wie der Bundesgerichtshof - unter Hinweis auf die oben zitierte strafrechtliche Rechtsprechung zu § 275 StPO - in jüngerer Zeit bereits entschieden hat, führt jedenfalls der Spruchkörperwechsel innerhalb eines Gerichts nicht dazu, dass ein Richter als im Sinne des Zivilprozessrechts rechtlich verhindert anzusehen wäre (vgl. BGH, Urteil vom 21. Januar 2016, - I ZR 90/14 -, Rn. 14 - juris, zu § 315 ZPO). Nichts anderes kann für einen Gerichtswechsel gelten. Entscheidend ist, dass der Richter durch diesen Wechsel nicht seine Amtsgewalt als Richter verliert (was einen rechtlichen Hinderungsgrund darstellen würde). Die vom Landgericht aufgeworfenen verfassungsrechtlichen Bedenken - die weder in der kammergerichtlichen Entscheidung noch in der o.g älteren Entscheidung des BGH (Urt. v. 1. Februar 2002, - V ZR 357/00 - Rn. 15) näher spezifiziert werden - teilt der Senat nicht. Die erstinstanzlich erkennende Einzelrichterin war bis zur Abfassung des Urteils "gesetzliche Richterin" für das Verfahren. Nach der vom Senat vertretenen Auffassung bleibt sie dies schlicht für einen letzten Verfahrensschritt - auch nach einem Wechsel aus dem Gericht. Damit wird auch nicht die Zuständigkeit eines anderen, nun insoweit für das Verfahren zuständig gewordenen "gesetzlichen Richters" in verfassungsrechtlich bedenklicher Weise beschnitten. Vielmehr ist die Alternative zum hier vertretenen Rechtsstandpunkt, dass der Tatbestandsberichtigungsantrag überhaupt nicht in der Sache beschieden wird.