Leitsatz (amtlich)

›Ein Beweisverfahren zur gütlichen Einigung ist mit folgenden Fragestellungen zulässig und stellt keinen Ausforschungsbeweis dar:

1. Mit welcher Dezibel-Ziffer wirken sich die Schalleinwirkungen - Wohngeräusche in Zimmerlautstärke und/oder darüber hinausgehende Wohngeräusche - aus, die von den Bewohnern der im Hause 18a in Hamburg-Altona zum Nachbarhaus 18 belegenen Wohnungen ausgehen und von den Bewohnern der Wohnungen des Hauses 18, die zum Nachbarhaus 18a gelegen sind, wahrgenommen werden?

2. Welches sind die Ursachen für Schallbrücken, ggf. auf welche jeweils aneinandergrenzenden Räumlichkeiten lasse sich diese Ursachen lokalisieren?

3. Welche bauplanerischen, baustatischen, Bauleitungs- Bauausführungs- sowie bautechnischen Maßnahmen hätten derartige "Schallbrücken" verhindern können?

4. Welche Aufwendungen planerischer, konstruktiver, bauleitender, ausführender sowie sonstiger bautechnischer Art sind erforderlich, um die Schallbrücken auf ein den maßgebenden DIN-Normen entsprechendes Maß zu reduzieren und welcher Geldaufwand ist dafür erforderlich? ‹

 

Gründe

I. Die Antragsteller begehren gemäß § 485 Abs. 2 ZPO die Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens über die aus dem Tenor dieses Beschlusses ersichtlichen Fragen. Das Landgericht hat die Beweisanträge für unzulässig gehalten, da die Antragsteller nicht die Feststellung eines Zustandes anstrebten und die Beweisfrage zu 2) und damit zusammenhängend zu 3) und 4) auf einen Ausforschungsbeweis hinausliefen.

II. Die gegen den Beschluss vom 28. 2. 2006 zulässige Beschwerde der Antragsteller hat im Wesentlichen Erfolg. Die Beweisanträge entsprechen § 485 Abs. 2 ZPO. Das rechtliche Interesse an dem begehrten Sachverständigen-Beweis ist gegeben. Es erscheint nicht ausgeschlossen, dass die Parteien eine gütliche Einigung auf der Grundlage des Gutachtens erzielen können; denn auch die Antragsgegner gehen davon aus, dass ein Sachverständiger die Ursachen für die Geräuschübertragungen von einem Gebäude zum anderen klären kann und sachverständige Feststellungen darüber für das weitere Vorgehen verwertbar sind.

Die Beweisfrage zu 1) bezieht sich auch auf die Feststellung des Zustandes einer Sache. Es soll nämlich festgestellt werden, ob und in welchem Maße die Haustrennwand zwischen den Wohngebäuden U.....straße ... und .. über die DIN-Normen hinaus Schallübertragungen von Geräuschen, die gewöhnlich mit der Wohnnutzung einhergehen, zulässt und in welchem Maße derartige Emissionen aus dem Haus U.....straße ... in dem Nachbarhaus in den angrenzenden Wohnungen wahrgenommen werden. Die Beweisfrage zu 1) bezieht sich auf den objektiv messbaren Schallschutz der Wohnungstrennwände zweier aneinander gebauter Gebäude. Die dazu erforderlichen Feststellungen kann ein Sachverständiger mit geeigneten Messgeräten treffen.

Die Messungen konzentrieren sich dabei nicht auf Lärmstörungen, die von einer natürlichen Geräuschquelle ausgehen, sondern beziehen sich auf deren Durchlässigkeit zu den Nachbarwohnungen zur Klärung der Frage, ob ein Baumangel vor liegt, oder die Wohnungstrennwände den Anforderungen an den Schallschutz nach den geltenden DIN-Normen entsprechen. Insofern ist die begehrte Beweiserhebung nicht mit dem Fall vergleichbar, der der Entscheidung des Landgerichts Hamburg vom 30. 7. 1999 - 307 T 74/99 - zugrunde liegt (MDR 1999, 1344), in dem es um nächtliche Lärmbelästigungen aus eine Gaststätte für eine in Betracht kommende Mietminderung der Bewohner in einer angrenzenden Wohnung ging.

Die Beweisfragen zu 2) - 4) betreffen die Ermittlung der Ursachen, die nach § 485 Abs. 2 Ziffer 2 ZPO ausdrücklich für die Fälle vorgesehen ist, in denen, wie vorliegend, die Klärung eines Sachmangels dahinter steht. Die Antragsgegner waren als Architekt und Statiker bei der Modernisierung des einen und Errichtung des anderen Teils des Gesamtkomplexes U.....straße 18 und 18a für die Antragstellertätig und für Planung, Statik - unter Einschluss der Berechnungen für den Schallschutz - und Bauleitung verantwortlich. Das Gutachten soll den Antragstellern Erkenntnisse darüber an die Hand geben, ob die Antragsgegner die mit der Beweisfrage zu 1) möglicherweise ermittelten Sachmängel zu vertreten haben und in welcher Weise sowie mit welchem finanziellen Aufwand eine Mängelbeseitigung erfolgen kann.

Die Benennung und Bestellung des Sachverständigen ist dem Landgericht gemäß § 572 Abs. 3 ZPO über tragen.

Die Kostenentscheidung über die Beschwerde ergeht nach §§ 91 Abs. 1, 100 Abs. 1 ZPO. Der Beschwerdewert entspricht dem Wert des selbständigen Beweisverfahrens.

Da den Beweissicherungsanträgen stattzugeben war, ist die vom Landgericht getroffene Kostenentscheidung aufzuheben und nach Abschluss des Beweisverfahrens nach § 494a ZPO zu verfahren.

Eine Abänderung des vom Landgericht in dem angefochtenen Beschluss festgesetzten Streitwerts ist nicht veranlasst. Verlässliche Anhaltspunkte für eine Unrichtigkeit der Höhe der geschätzten Mängelbeseitigungskosten liegen nicht vor, der ...

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