Leitsatz (amtlich)

1. Zulässigkeitsvoraussetzung einer Beschwerde gegen die Bejahung der Rechtswegzulässigkeit gem. § 17a Abs. 3 GVG ist nicht eine "formelle Beschwer" des Inhalts, dass sich der Beschwerdeführer bei der Gewährung rechtlichen Gehörs gegen die Zulässigkeit des ordentlichen Gerichts ausgesprochen haben muss. Ausreichend ist vielmehr die in der möglichen Verletzung des verfahrensgrundrechtlichen Anspruchs auf den gesetzlichen Richter (Art. 101 Abs. 1 Satz 1 GG) liegende materielle Beschwer.

2. Eine öffentlich-rechtliche Gebietskörperschaft handelt unternehmerisch im kartellrechtlichen Sinne und unterliegt daher dem Kartellrecht, wenn sie im Rahmen eines Werberechtsvertrags einem Unternehmen gegen Zahlung eines umsatzabhängigen Entgelts das ausschließliche Recht zur Werbung mit Werbeträgern auf Staatsgrund einräumt, auch wenn hiervon Wege erfasst sind, die im öffentlichen Eigentum stehen, an denen nach landeswegerechtlichen Bestimmungen eine hoheitliche Sachherrschaft besteht. Die in diesem Fall gegen die Gebietskörperschaft und weitere Unternehmen gerichtete Klage auf Beseitigung gem. § 33 GWB ist eine bürgerliche Rechtsstreitigkeit i.S.d. §§ 13 GVG, § 87 Satz 1 GWB, für die der ordentliche Rechtsweg eröffnet ist.

 

Normenkette

GVG §§ 13, 17a Abs. 3; GWB § 33; GWB § 87S 1; GG Art. 101 Abs. 1 S. 1

 

Verfahrensgang

LG Hamburg (Beschluss vom 08.04.2011; Aktenzeichen 408 HKO 90/10)

 

Tenor

Die Beschwerden der Beklagten gegen den Beschluss des LG Hamburg vom 8.4.2011 - 408 HKO 90/10, werden zurückgewiesen. Die Beklagten haben die Kosten des Beschwerdeverfahrens nach einem Beschwerdewert von EUR 3.500.000 zu tragen. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Die Klägerin sowie die Beklagten zu 2. bis 4. sind in der Außenwerbung tätige Unternehmen. Die Beklagte zu 1. (Freie und Hansestadt Hamburg) hatte sowohl mit der Klägerin als auch der Beklagten zu 2. Verträge über die Nutzung von Staatsgrund zu Werbezwecken geschlossen. Mit Vertrag vom 29.8.1986 gestattete die Beklagte zu 1. der Klägerin für die Dauer von zunächst 18 Jahren die Aufstellung von 300 sog. Stadtinformationsanlagen sowie 10 großflächigen Werbeträgern (Werberechtsvertrag 1986, Anlage K 4). Der Beklagten zu 2. räumte die Beklagte zu 1. mit Werberechtsvertrag vom 8.3.1989 das alleinige Recht zur Werbung auf ihrem Staatsgrund ein (Werberechtsvertrag 1989, Anlage K 1). Der Vertrag hatte eine Laufzeit vom 1.1.1989 bis 31.12.2008 und beinhaltete ein von der Beklagten zu 1. auszuübendes Recht der Verlängerung um weitere 10 Jahre. Nach § 1 Abs. 13 des Werberechtsvertrags 1989 findet auf den Vertrag "öffentliches Recht Anwendung, soweit die Überlassung des Werberechts an die [Beklagte zu 2.] als Sondernutzung öffentlichen Eigentums anzusehen ist"; dort heißt es weiter: "Im Übrigen gelten die bürgerlich-rechtlichen Vorschriften, die auch dann Anwendung finden, wenn eine eindeutige Abgrenzung nicht möglich ist." Ein vor dem OVG Hamburg im Jahr 1997 um die Abgrenzung der aus den vorgenannten Verträgen resultierenden Werberechte geführter Rechtsstreit zwischen der Beklagten zu 2. und der Beklagten zu 1., in welchem die hiesige Klägerin beigeladen war, wurde durch einen Vergleich des Inhalts beendet, dass die hiesige Klägerin zur Aufstellung von insgesamt 55 Großflächenwerbeanlagen im Format 18/1 berechtigt sein sollte (Anlage K 3).

Nach § 3 Abs. 3 des Werberechtsvertrags 1989 stand der Beklagten zu 2. für den Fall, dass die Beklagte zu 1. das vertragliche Verlängerungsrecht nicht ausübt, ihrerseits das Recht zu, in einen zwischen der Beklagten zu 1. und einem Dritten geschlossenen Werberechtsvertrag mit einer Laufzeit von mindestens 10 Jahren nach den für das Vorkaufsrecht geltenden Regeln einzutreten. Mit dem Werberechtsvertrag 1989 übertrug die Beklagte zu 1. zugleich ihre Gesellschaftsanteile an der Beklagten zu 2. an die Beklagte zu 3., die Werberechte vieler Kommunen bundesweit vermarktete. Zum 1.1.2004 erwarb die Beklagte zu 4. alle Geschäftsanteile an der Beklagten zu 3. Die Beklagte zu 1. entschied sich sodann gegen die Ausübung des Verlängerungsrechts und für eine Neuausschreibung der Werberechte für den Zeitraum der Jahre 2009 bis 2023. Im Hinblick auf die beabsichtigte Neuausschreibung der Werberechte schlossen die Beklagte zu 1. sowie die Beklagten zu 2. bis 4. eine Vereinbarung, welche klarstellte, dass sich das Eintrittsrecht gem. § 3 Abs. 3 Werberechtsvertrag 1989 u.a. nicht auf die der Klägerin zustehenden Werberechte an 55 Großwerbeanlagen im Format 18/1 bezöge (Anlage K 2). Im Zuge der Neuausschreibung erhielt die Klägerin im Oktober 2007 den Zuschlag für Los 2, welches 140 Großwerbeanlagen für Plakate im Format 18/1 umfasste (Werberechtsvertrag 2007). Nach Ziff. 1.1 des Vertrags überträgt die Beklagte zu 1. der Klägerin "das ausschließliche Recht, auf Staatsgrund außerhalb von Gebäuden mit Werbeträgern für Plakate im Format 18/1 auf eigene Kosten und nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen Werbung zu betreiben". Ziff. 1.6 des Werb...

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