Leitsatz (amtlich)
I. Ein Rückgabeantrag im Sinne des Art. 7 Abs. 1 lit. 1 b) KSÜ ist ein Antrag nach dem Haager Übereinkommen über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung vom 25. Oktober 1980 (HKÜ).
II. Eine gemäß Art. 23 Abs. 2 lit. b KSÜ erforderliche Anhörung des Kindes kann auch von einer national zuständigen Stelle durchgeführt werden, die dem Gericht einen Bericht vorlegt, indem die Wünsche und Gefühle des Kindes aufgeführt sind (vgl. OLG Oldenburg, Beschluss vom 30. April 2012, 4 UF 14/12, FamRZ 2012, 1887, juris Rn. 34f; Andrae, NZFam 2016, 1011, 1015).
Normenkette
KSÜ Art. 23 Abs. 2, Art. 7 Abs. 2 Buchst. b; KiEntFÜbk
Verfahrensgang
AG Hamburg (Beschluss vom 02.03.2020; Aktenzeichen 278 F 14/20) |
Tenor
I. Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Amtsgerichts Hamburg, Az. 278 F 14/20, vom 2. März 2020 wird zurückgewiesen.
II. Der Antragsgegner trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III. Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 3.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Der Antragsgegner wendet sich mit seiner Beschwerde gegen die erstinstanzliche Anerkennung einer russischen Gerichtsentscheidung, wonach das Aufenthaltsbestimmungsrecht für die gemeinsame Tochter der Antragstellerin zugesprochen wurde.
Die Beteiligten sind die Eltern der 10-jährigen A.. Die Mutter hat die russische Staatsangehörigkeit. Der Vater hat die deutsche und die iranische Staatsangehörigkeit. A. hat die deutsche, russische und iranische Staatsangehörigkeit.
Die Eltern lebten beide in Hamburg. Sie trennten sich im Herbst 2013. Die Ehe wurde im Jahr 2015 geschieden.
Zwischen den Eltern war ein Gerichtsverfahren wegen der elterlichen Sorge beim Amtsgericht Hamburg anhängig. Mit Beschluss vom 14. Dezember 2015 regelte das Familiengericht das Aufenthaltsbestimmungsrecht für A. in der Weise, dass die Betreuung in der Woche zwischen den Eltern aufgeteilt wurde. Gegen diesen Beschluss legte der Antragsgegner Mitte Januar 2016 Beschwerde ein, mit der er die Übertragung der elterlichen Sorge auf sich allein begehrte. Zu diesem Zeitpunkt hatte der Antragsgegner bereits die Vermutung, dass die Antragstellerin A. nach Russland verbracht hatte.
Spätestens Ende Januar 2016 zogen die Antragstellerin und A. nach K. in Russland, wo sie seitdem leben. Mit Beschluss des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg vom 3. Juni 2016 wurde dem Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung das Aufenthaltsbestimmungsrecht für A. übertragen. Das Beschwerdeverfahren wurde nach dem Umzug der Mutter in der Hauptsache nicht zu Ende geführt.
Durch Beschluss des M. Bezirksgerichts der Stadt K. vom 26. Februar 2018, Az.: 2-2/18, wurde das Aufenthaltsbestimmungsrecht für A. der Antragstellerin zugesprochen.
Mit Antrag vom 27. Juni 2019 hat die Antragstellerin beim Amtsgericht Hamburg die Anerkennung des Beschlusses des M. Bezirksgerichts vom 26. Februar 2018, Az.: 2-2/18, bezüglich des Aufenthaltsbestimmungsrechts für A. beantragt. Sie befürchte, dass der Antragsgegner für den Fall der Einreise in die Bundesrepublik Deutschland aus dem Beschluss des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg vollstrecken und A. an sich nehmen werde.
Mit Beschluss vom 2. März 2020 hat das Amtsgericht Hamburg festgestellt, dass die Entscheidung des Moskauer Bezirksgerichts der Stadt K. anerkannt wird. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die Anerkennung nach Art. 23, 24 Haager Kinderschutzübereinkommen (KSÜ), 32 IntFamRVG zu erfolgen habe, da keine Anerkennungshindernisse gegeben seien. Das Bezirksgericht Moskau sei gemäß Art. 7 KSÜ international und örtlich zuständig, da sich A. mehr als ein Jahr vor Erlass der Ausgangsentscheidung im dortigen Gerichtsbezirk mit Kenntnis des Antragsgegners aufgehalten habe und ein Antrag auf Rückführung nicht dargelegt worden sei. Auch sei davon auszugehen, dass A. sich dort eingelebt habe. A. sei trotz der fehlenden Anhörung durch den erkennenden Spruchkörper hinreichend beteiligt worden, indem sie durch eine vom Gericht beauftrage Person angehört und das Ergebnis dieser Anhörung in das Verfahren eingebracht worden sei. Auch sei der Antragsgegner hinreichend beteiligt worden.
Gegen den ihm am 6. März 2020 zugestellten Beschluss hat der Antragsgegner mit Schriftsatz vom 26. März 2020 Beschwerde eingelegt. Auf den gerichtlichen Hinweis vom 26. Mai 2020, dass bisher nicht zu erkennen sei, aus welchen Gründen die bisher nicht begründete Beschwerde gegen die sorgfältig begründete Entscheidung des Amtsgerichts Aussicht auf Erfolg haben sollte, begründete der Antragsgegner mit Schriftsatz vom 10. Juni 2020 seine Beschwerde. Er ist der Ansicht, dass das russische Gericht A. kein ausreichendes rechtliches Gehör gewährt habe. Die Anhörung müsse unmittelbar im gerichtlichen Verfahren stattfinden. Etwas anderes verstoße gegen Art. 12 UN-Kinderrechtskonvention sowie gegen § 57 russisches FamGB sowie § 157 ZPO RF. Das russische Gericht hätte selbständig und unmittelbar das gesamte Verfahren analysieren müssen, alle Beweise untersuchen u...