Leitsatz (amtlich)
Legt gegen einen ursprünglich sowohl gegen eine juristische Person als auch gegen deren Organ inhaltsgleich ergangenen Unterlassungstitel nur die juristische Person einen Rechtsbehelf ein und wird daraufhin ihr gegenüber der Titel mangels Vorliegens einer rechtswidrigen Verletzungshandlung aufgehoben, so kann gegen das Organ kein Ordnungsmittel verhängt werden, wenn es nach der Aufhebung des gegen die juristische Person ergangenen Titels die angegriffene Handlung ausschließlich in Ausübung seiner Organstellung für diese juristische Person wieder aufnimmt.
Anschluss an BGH, Beschluss vom 12.01.2012, Az. I ZB 43/11, BeckRS 2012, 4571 - Titelschuldner im Zwangsvollstreckungsverfahren sowie an OLG Hamburg, Beschluss vom 02.10.2007, Az. 5 W 99/07, BeckRS 2008, 7232; Abgrenzung zu OLG Frankfurt a. M., Beschluss vom 12.07.2012, Az. 6 W 77/12, BeckRS 2012, 16601 sowie zu OLG Frankfurt a. M., Beschluss vom 23.04.2019, Az. 6 W 20/19, BeckRS 2019, 11211
Verfahrensgang
LG Hamburg (Aktenzeichen 416 HKO 114/21) |
Nachgehend
Tenor
1. Die sofortige Beschwerde der Gläubigerin gegen den Beschluss des Landgerichts Hamburg vom 08.05.2023, Az. 416 HKO 114/21, wird zurückgewiesen.
2. Die Gläubigerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
3. Die Streitwertfestsetzung im Beschluss des Landgerichts Hamburg vom 08.05.2023 ist gegenstandslos.
4. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
I. Der Schuldner, Antragsgegner und Beschwerdegegner (im Folgenden: Schuldner) ist einer der Geschäftsführer der Antragsgegnerin. Auf Antrag der Gläubigerin, Antragstellerin und Beschwerdeführerin (im Folgenden: Gläubigerin) verbot das Landgericht Hamburg dem Schuldner und der Antragsgegnerin mit Urteil vom 11.02.2022 unter Ziffer I. des Tenors im Wege der einstweiligen Verfügung aus lauterkeitsrechtlichen Gründen, das Bewegungsspielzeug "M" anzubieten. Daraufhin stellten die Antragsgegnerin und der Schuldner den Vertrieb dieses Bewegungsspielzeugs ein. Gegen das Urteil legte nur die Antragsgegnerin Berufung ein; der Schuldner focht es nicht an. Das Berufungsverfahren fand vor dem erkennenden Senat statt (Az.: 15 U 58/23). Mit Urteil vom 09.06.2022 änderte der Senat das Urteil des Landgerichts Hamburg ab, hob die gegen die Antragsgegnerin ergangene einstweilige Verfügung auf und wies den auf ihren Erlass gerichteten Antrag zurück. Kurz darauf fanden sich auf verschiedenen Plattformen im Internet Mitteilungen dergestalt, dass die einstweilige Verfügung gegen die Antragsgegnerin aufgehoben worden sei und der "M" in Kürze wieder erhältlich sein werde. Das Spielzeug wurde sodann (und wird noch) auf der Internetseite der Antragsgegnerin als auch auf Internetseiten anderer Händler wieder zum Kauf angeboten. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Beschluss des Landgerichts vom 08.05.2023 verwiesen.
In den genannten Ankündigungen und Kaufangeboten erblickt die Gläubigerin einen Verstoß des Schuldners gegen das ihm gegenüber nach wie vor wirksame Unterlassungsgebot aus dem Urteil des Landgerichts. Sie hat daher mit Schriftsatz vom 05.07.2022 die Festsetzung eines empfindlichen Ordnungsgeldes gegen den Schuldner wegen Zuwiderhandlungen gegen den Unterlassungstitel gemäß Ziffer I. des Tenors des Urteils des Landgerichts Hamburg vom 11.02.2022 beantragt, die dieser in seiner Funktion als Geschäftsführer der Antragsgegnerin begangen haben soll. Das Landgericht Hamburg hat diesen Antrag mit Beschluss vom 08.05.2023 zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die in Rede stehenden vermeintlichen Verstöße Handlungen des Schuldners betreffen würden, die dieser als Geschäftsführer der Antragsgegnerin vorgenommen habe. Daher seien die Verstöße gemäß § 31 BGB der Antragsgegnerin zuzurechnen. Das habe zur Folge, dass wegen der Verstöße ein Ordnungsgeld allein gegen die Antragsgegnerin verhängt werden könne, die aber zu diesem Zeitpunkt gar nicht mehr zur Unterlassung verpflichtet gewesen sei. Ein Ordnungsgeld gegen den Schuldner komme hingegen nicht in Betracht, weil kein eigenes schuldhaftes Verhalten des Schuldners vorgetragen sei, für das er persönlich einzustehen hätte. In diesem Zusammenhang hat das Landgericht auf die Entscheidung des Bundesgerichtshofs "Titelschuldner im Zwangsvollstreckungsverfahren" (BGH, Beschl. v. 12.01.2012, Az. I ZB 43/11, GRUR 2012, 541 sowie BeckRS 2012, 4571 - Titelschuldner im Zwangsvollstreckungsverfahren) Bezug genommen. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf den angegriffenen Beschluss verwiesen.
Die Gläubigerin hat gegen den ihr am 08.05.2023 zugestellten Beschluss mit am 15.05.2023 beim Landgericht eingegangenem Schriftsatz sofortige Beschwerde eingelegt und beantragt, das in der Antragsschrift vom 05.07.2022 beantragte Ordnungsmittel unter Abänderung des angefochtenen Beschlusses gegen den Schuldner zu verhängen. Sie meint, die Erwägungen der Entscheidung "Titelschuldner im Zwangsvollstreckungsverfahren" des Bundesgerichtshofs seien nicht ...