Leitsatz (amtlich)

›1. Eine Berufung bedarf nicht der Annahme nach § 313 Abs. l StPO, wenn neben einer Geldstrafe von nicht mehr als 15 Tagessätzen eine sonstige Maßnahme (hier: Einziehung) verhängt worden ist. Der Wert des eingezogenen Gegenstandes bleibt unbeachtlich.

2. Gegen einen Beschluss, mit dem das Landgericht trotz Fehlens der Annahmebedürftigkeit die Berufung gemäß § 313 Abs. 2 StPO verworfen hat, ist - abweichend von § 322a Satz 2 StPO - die sofortige Beschwerde statthaft.‹

 

Verfahrensgang

LG Hamburg (Beschluss vom 29.06.1998)

AG Hamburg (Urteil vom 16.04.1998)

 

Gründe

I.

Das Amtsgericht Hamburg hat den Angeklagten am 16. April 1998 wegen unerlaubten Anbaues von Betäubungsmitteln zu einer Geldstrafe von 5 Tagessätzen ä DM 25 verurteilt und "die sichergestellten Überführungsstücke" eingezogen (gemeint: brutto 63,6 g Hanfsamen). Die hiergegen am 22. April 1998 eingelegte Berufung des Angeklagten hat das Landgericht Hamburg mit Beschluß vom 29. Juni 1998 wegen offensichtlicher Unbegründetheit nicht angenommen und als unzulässig verworfen (§ 313 StPO). Dagegen hat der Angeklagte unter dem 1. Juli 1998 "Beschwerde" eingelegt. Mit der Erwägung, der Verwerfungsbeschluß sei gemäß § 322a StPO unanfechtbar, hat das Landgericht die "Beschwerde" als Gegenvorstellung behandelt und mit Beschluß vom 27. Juli 1998 eine Abänderung des Verwerfungsbeschlusses abgelehnt. Auch gegen den Beschluß vom 27. Juli 1998 hat der Angeklagte unter dem 15. August 1998 "Beschwerde" eingelegt.

II.

Die "Beschwerde" des Angeklagten ist gemäß § 300 StPO als sofortige Beschwerde gegen den Beschluß des Landgerichts vom 29. Juni 1998 zu behandeln. Entgegen der Auffassung der Staatsanwaltschaft bei dem Hanseatischen Oberlandesgericht ist das Rechtsmittel statthaft und auch im übrigen zulässig eingelegt.

1. Allerdings bestimmt § 322a Satz 2 StPO, daß die Entscheidung des Landgerichts "über die Annahme einer Berufung (§ 313)" unanfechtbar ist. Das gilt auch, wenn die Berufung nicht angenommen worden ist (vgl. OLG Düsseldorf NStE Nr. 1 zu § 322a StPO; Ruß in KK-StPO, 3. Aufl., § 322a Rn. 1). Jedoch ist § 322a Satz 2 StPO unanwendbar, wenn die Berufung einer Annahme überhaupt nicht bedurft hat, weil eine der nach § 313 Abs. 1 StPO das Annahmeerfordernis begründenden Rechtsfolgen entweder nicht oder nicht allein in Rede steht (vgl. OLG Koblenz NStZ 1994, 601; OLG Zweibrücken NStZ 1994, 601, 602; BayObLGSt 1993, 232, Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 43. Aufl., § 322a Rn. 8). Die Nichtanfechtbarkeit gemäß § 322a S. 2 StPO bezweckt nämlich, die Bewertung der Erfolgsaussichten als offensichtlich unbegründet (§ 313 Abs. 2 StPO) von der Prüfung durch eine weitere Instanz auszunehmen; als Ausnahmeregelung ist § 322a Satz 2 StPO eng auszulegen.

2. Hier hat das Amtsgericht zwar auf eine Geldstrafe von nicht mehr als 15 Tagessätzen erkannt, doch bedarf es gleichwohl keiner Annahme der Berufung nach § 313 Abs. 1 StPO, weil das Amtsgericht zusätzlich die Einziehung der "Überführungsstücke" angeordnet hat.

Die Berufung ist stets ohne Annahme zulässig, wenn eine Maßregel der Sicherung oder Besserung, eine Nebenstrafe oder eine sonstige Maßnahme wie Einziehung oder Verfall gegen einen Angeklagten verhängt worden sind (vgl. jeweils ohne Begründung, OLG Zweibrücken, aaO, Ruß, aaO, § 313 Rn. 2; Pfeiffer/Fischer, StPO, § 313 Rn. 2; Kleinknecht/Meyer-Goßner, aaO; § 313 Rn. 6; Böttcher/Mayer, NStZ 1993, 153, 155).

Für ein solches Verständnis vom Anwendungsbereich des § 313 Abs. 1 StPO spricht schon der Wortlaut dieser Vorschrift, der das Ausnahmeerfordernis an die Geldstrafe oder Geldbuße bzw. - bei Freisprechung oder Einstellung -einen hierauf gerichteten Antrag der Staatsanwaltschaft knüpft, ohne andere Rechtsfolgen anzuführen. Darin unterscheidet sich die Vorschrift von den - in § 313 Abs. 3 StPO in Bezug genommenen - §§ 79, 80 OWiG, die die Statthaftigkeit der Rechtsbeschwerde bzw. des Zulassungsantrages ausdrücklich nicht nur nach der Höhe der Geldbuße, sondern auch nach der Nebenfolge abgrenzen. Als Ausnahmevorschrift zu § 312 StPO, der grundsätzlich die Berufung gegen alle Urteile des Amtsgerichts zuläßt, ist § 313 Abs. l StPO eng auszulegen.

Eine solche Auslegung entspricht auch den Vorstellungen des Gesetzgebers. § 313 StPO ist durch Art. 2 Nr. 5 des Gesetzes zur Entlastung der Rechtspflege vom 11. Januar 1993 (BGBl. I, S. 51) eingefügt worden. In der Begründung des Bundesrats-Entwurfes zu diesem Gesetz heißt es: "Sind in dem Urteil für die Tat neben der Geldstrafe noch andere Rechtsfolgen, etwa Fahrverbot, Entzug der Fahrerlaubnis, Verfall, Einziehung u.s.w. festgesetzt, so ist die Regelung über die Zulassungsberufung nicht anwendbar" (BT-Drs. 127 1217, S. 39). Diese Auffassung hat der Rechtsausschuß des Bundestages in seinem Bericht übernommen (BT-Drs. 12/3832, S. 41). Mit dem Gesetzeszweck, offensichtlich unbegründete Berufungen gegen die Anordnung von Bagatellsanktionen auszuscheiden, ist es nicht vereinbar, schlechthin alle daneben ausgesprochenen Maßregeln, N...

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