Normenkette
BGB § 312c Abs. 1, § 312g Abs. 1, § 355
Verfahrensgang
LG Hamburg (Urteil vom 30.11.2021; Aktenzeichen 333 O 3/21) |
Tenor
1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 30.11.2021, Aktenzeichen 333 O 3/21, durch einstimmigen Beschluss gem. § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.
2. Der Beklagte kann hierzu binnen 3 Wochen Stellung nehmen.
Gründe
Die Berufung des Beklagten hat offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg.
I. Der Senat versteht den Berufungsantrag dahingehend, dass der Beklagte die Änderung des erstinstanzlichen Urteils nur in Bezug auf den der Klage stattgebenden Teil begehrt und seine Widerklage nicht weiter verfolgt.
II. Die so verstandene Berufung ist zulässig, hat aber offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern eine Entscheidung des Berufungsgerichts. Eine mündliche Verhandlung ist ebenfalls nicht geboten.
1. Das Landgericht hat der Klage in Höhe von 46.701,24 EUR zzgl. Nebenforderungen zu Recht stattgegeben. Hinsichtlich der Begründung wird vollen Umfangs Bezug genommen auf die Gründe des angefochtenen Urteils. Die Berufungsbegründung bietet keinen Anlass zu einer anderweitigen Beurteilung der Sach- und Rechtslage. Dazu im Einzelnen:
a) Das Landgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass der Beklagte kein Recht hatte, den Vertrag nach §§ 312g Abs. 1, 355 BGB zu widerrufen.
Dabei kann offengelassen werden, ob der Vertrag zwischen den Parteien im vorliegenden Kontext überhaupt als Verbrauchervertrag i.S.d. §§ 312 ff. BGB angesehen werden kann. Ein Grund zum Widerruf lag nicht vor, weder nach § 312c Abs. 1 BGB noch - wie erstmalig in der Berufung geltend gemacht - nach § 312b Abs. 1 Nr. 1 BGB.
aa) Ein Fernabsatzvertrag i.S.d. § 312c Abs. 1 BGB liegt - wie bereits das Landgericht zutreffend ausgeführt hat - nicht vor.
Nach dieser Vorschrift sind Fernabsatzverträge Verträge, bei denen der Unternehmer oder eine in seinem Namen oder Auftrag handelnde Person und der Verbraucher für die Vertragsverhandlungen und den Vertragsschluss ausschließlich Fernkommunikationsmittel verwenden, es sei denn, dass der Vertragsschluss nicht im Rahmen eines für den Fernabsatz organisierten Vertriebs- oder Dienstleistungssystems erfolgt.
Das Landgericht hat zu Recht angenommen, dass - obgleich der anwaltliche Beratungsvertrag zwischen den Parteien per E-Mail geschlossen worden ist - der Kläger in seiner Kanzlei kein "für den Fernabsatz organisiertes Vertriebs- oder Dienstleistungssystem" vorhält.
(1) Der Beklagte hat zwar Recht damit, dass ein Rechtsanwalt, der einen Anwaltsvertrag unter ausschließlicher Verwendung von Fernkommunikationsmitteln abgeschlossen hat, darlegen und beweisen muss, dass seine Vertragsschlüsse nicht im Rahmen eines für den Fernabsatz organisierten Vertriebs- oder Dienstleistungssystems erfolgen (vgl. BGH, NJW 2021, 304, Leitsatz 1). Demgegenüber dürfte die Rechtsauffassung des Klägers, es sei Sache des Beklagten, das Vorliegen eines Vertriebs- oder Dienstleistungssystem i.S.d. § 312c Abs. 1 BGB darzulegen und zu beweisen, nicht zutreffen.
(2) Auf diese Rechtsfrage kommt es allerdings streitentscheidend nicht an, weil bereits nach dem unstreitigen Sachverhalt davon auszugehen ist, dass die Rechtsanwaltskanzlei des Klägers lediglich die technischen Möglichkeiten zum Abschluss eines Anwaltsvertrags im Fernabsatz vorhält, namentlich Homepage, E-Mail, Faxanschluss und Telefon. Das Vorhalten solcher Möglichkeiten allein stellt kein für den Fernabsatz organisiertes Vertriebs- oder Dienstleistungssystem dar. Denn dabei handelt es sich lediglich um technische Möglichkeiten, die auch sonst zur Bewältigung des Betriebs einer Anwaltskanzlei erforderlich sind und keinen Rückschluss darauf zulassen, dass die Kanzlei darauf eingerichtet ist, Verträge im Rahmen eines auf den Fernabsatz ausgerichtetes Vertriebs- oder Dienstleistungssystems zu bewältigen (vgl. BGH, NJW 2018, 690, Rn. 19).
bb) Ein Recht zum Widerruf des Vertrags folgt vorliegend auch nicht aus §§ 312b Abs. 1 Nr. 1, 312g Abs. 1 BGB.
Nach diesen Vorschriften steht dem Verbraucher bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen ein Widerrufsrecht zu. Außerhalb von Geschäftsräumen geschlossene Verträge i.S.d. § 312b Abs. 1 Nr. 1 BGB sind aber nur solche Verträge, die bei gleichzeitiger körperlicher Anwesenheit des Verbrauchers und des Unternehmers an einem Ort geschlossen werden, der kein Geschäftsraum des Unternehmers ist.
Diese Voraussetzungen liegen hier bereits deswegen nicht vor, weil der Beratungsvertrag nebst Honorarvereinbarung vom 25. April 2017 nicht bei gleichzeitiger körperlicher Anwesenheit der Parteien, sondern per E-Mail geschlossen worden ist. Aus der späteren Vereinbarung vom 15. Juni 2017 (Anlage K 2) kann nichts anderes hergeleitet werden. Diese betrifft lediglich die Haftungsbegrenzung und lässt die restlichen Vertragsregeln unb...