Verfahrensgang
LG Hamburg (Entscheidung vom 20.06.2011; Aktenzeichen 609 StVK 633/10) |
LG Hamburg (Entscheidung vom 20.06.2011; Aktenzeichen 609 StVK 56/11) |
Tenor
1. Die Verfahren 2 Ws 85/11 - sofortige Beschwerde des Verurteilten betreffend versagte Reststrafenaussetzung - und 2 Ws 87 + 90/11 - sofortige Beschwerden von Staatsanwaltschaft Hannover und Verurteiltem betreffend Sicherungsverwahrung - werden zur gemeinsamen Entscheidung verbunden. Das Verfahren 2 Ws 85/11 führt.
2. Die sofortige Beschwerde des Verurteilten gegen den Beschluss des Landgerichts Hamburg, Große Strafkammer 9, vom 20. Juni 2011 betreffend Reststrafenaussetzung (Az.: 609 StVK 633/10) wird verworfen.
3. Die sofortigen Beschwerden der Staatsanwaltschaft Hannover und des Verurteilten gegen den Beschluss des Landgerichts Hamburg vom 20. Juni 2011 betreffend die Sicherungsverwahrung (Az.: 609 StVK 56/11) werden verworfen.
4. Die Beschwerdeführer tragen die Kosten ihrer Rechtsmittel. Die dem Verurteilten durch das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft Hannover entstandenen notwendigen Auslagen werden der Staatskasse auferlegt.
Gründe
I. Die Verfahrensverbindung ist mit Rücksicht auf den zwischen dem Verfahren betreffend die Reststrafenaussetzung und dem Verfahren betreffend die Sicherungsverwahrung nach §§ 454 b Abs. 3, 463 Abs. 1 StPO bestehenden Entscheidungsverbund angezeigt (vgl. §§ 2 ff. StPO).
Die vorgenannten Vorschriften erheischen nach ihrem Sinnzusammenhang in Fällen der vorliegenden Art eine Verbundentscheidung im Sinne der Gleichzeitigkeit und inhaltlichen Einheitlichkeit der Entscheidung sowie der Einheitlichkeit des Entscheidungsträgers; sie begründen das Gebot, nicht allein über die Aussetzung der Freiheitsstrafe, sondern zugleich auch über die Aussetzung der Sicherungsverwahrung zu entscheiden. § 454 b Abs. 3 StPO, der über § 463 Abs. 1 StPO sinngemäß auch für die Maßregelvollstreckung gilt, ordnet an, dass bei unterbrochener Vollstreckung und darauf folgender Anschlussvollstreckung sämtliche Aussetzungsentscheidungen erst dann ergeben, wenn über die Aussetzung der Vollstreckung der Reste aller Strafen bzw. der Maßregel gleichzeitig entschieden werden kann (bzw. die Maßregel vollzogen ist; siehe im Einzelnen §§ 67 ff . StGB).
Aus den §§ 57 Abs. 1, 67 c Abs. 1 StGB als materiell-rechtlicher Entscheidungsgrundlage folgt maßgebend, dass bei Entscheidungen über die Reststrafenaussetzung im Falle zeitiger Freiheitsstrafe einheitlich und gleichzeitig auch über die Aussetzung der Vollstreckung der zudem notierten Maßregel der Sicherungsverwahrung zur Bewährung entschieden werden muss. Aus dem wesentlichen Zweck der bedingten Entlassung nach § 57 StGB folgt, dass diese grundsätzlich dem Verurteilten die Freiheit verschaffen soll. Schließen sich an den Strafvollzug freiheitsentziehende Maßregeln der Besserung und
(hier:) Sicherung an, so kommt die Aussetzung des Strafrestes nicht in Frage, es sei denn, dass zugleich gemäß § 67 c Abs. 1 StGB die Aussetzung des Maßregelvollzugs angeordnet wird.
Allerdings wird die alsdann zu stellende Prognose regelmäßig negativ ausfallen; dies muss aber nicht stets und ausnahmslos der Fall sein. Ist ausnahmsweise eine günstige Prognose zu stellen, so ist zugleich mit der Reststrafenaussetzung nach § 67 c Abs. 1 StGB die Aussetzung der Unterbringung (auch in der Sicherungsverwahrung) anzuordnen, denn es ist mit den Zwecken des Rechtsfolgensystems im Ganzen unvereinbar, zwar die - umfassenderen - Voraussetzungen der Aussetzung des Strafrestes zu bejahen, dessen ungeachtet aber gleichwohl eine weitere Unterbringung - obwohl diese engere Voraussetzungen (nach § 66 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 StGB u.a. den Hang zu erheblichen Straftaten) aufweist - für erforderlich zu halten. Mit einer günstigen Täterprognose ist die Annahme, dass der Zweck der Maßregel die Unterbringung erfordert, schlechterdings unvereinbar. Gleichermaßen wäre es widersinnig, den bewährungswürdigen Verurteilten aus der Strafhaft vorzeitig in die Sicherungsverwahrung zu entlassen. "Kann die Bewährungsprobe nach § 26 Abs. 1 StGB (jetzt: § 57 Abs. 1 StGB) verantwortet werden, so erfordert auch der Zweck der Sicherungsverwahrung, die Allgemeinheit (vor dem Verurteilten) zu schützen, seine Unterbringung nicht mehr. Mit der positiven Entscheidung nach § 26 Abs. 1 (57 Abs. 1) StGB ist daher zugleich entschieden, dass die Sicherungsverwahrung nicht vollstreckt werden darf. Divergierende Entscheidungen sind hier nicht möglich" (OLG Stuttgart, MDR 1975, 241).
Die danach zur Vermeidung divergierender Entscheidungen gleichzeitig erforderliche Prüfung vorzunehmen, ob der Zweck einer angeordneten freiheitsentziehenden Maßregel die Unterbringung noch weiterhin erfordert, ist das Gericht im Fall des vorhergehenden Vollzugs einer Freiheitsstrafe deshalb nach § 67 c Abs. 1 StGB stets auch verpflichtet. Demgemäß ist die obergerichtliche Rechtsprechung schon immer davon ausgegangen, dass über die Aussetzung von Maßregel und Strafrest einheitlich zu entscheiden ist und die Ents...