Leitsatz (amtlich)

Wenn in einem Umgangsverfahren ein Elternteil vor Inanspruchnahme des Gerichts keine Beratung oder Vermittlung durch das Jugendamt in Anspruch nimmt, kommt im Einzelfall die Ablehnung von Verfahrenskostenhilfe wegen Mutwilligkeit in Betracht.

 

Normenkette

ZPO § 114 Abs. 1

 

Verfahrensgang

AG Hamburg-Bergedorf (Beschluss vom 11.07.2022; Aktenzeichen 414b F 120/22)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde des Vaters gegen den Beschluss des Amtsgerichts Hamburg - Bergedorf vom 11. Juli 2022 wird zurückgewiesen.

 

Gründe

I. Der Vater begehrt die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für ein Umgangsverfahren.

Der Vater reichte unter dem 21. Juni 2022 einen Antrag auf Regelung des Umgangs der Mutter mit dem gemeinsamen Sohn Joshua ein. Dieser lebte zunächst in einer Wohngruppe bevor er in den Haushalt des Vaters wechselte. Der jüngerer Sohn Julien und ein älterer Sohn Justin leben bei der Mutter. Der Umgang Joshuas findet vierzehntägig am Wochenende sowie donnerstags nachmittags statt. Der Vater möchte erreichen, dass der Umgang der Mutter mit Joshua in einer Zeit stattfindet, in der der gemeinsame Sohn Justin nicht bei der Mutter ist. Er hat vorgetragen, dass die Mutter den Umgang mit den Söhnen am Wochenende gemeinsam ausüben möchte, so dass sie am darauffolgenden Wochenende frei hat. Mit Verfügung vom 21. Juni 2022 wies das Amtsgericht darauf hin, dass es einen Regelungsbedarf nicht erkennen könne. Die Eltern seien sich über die Zeiten des Umgangs einig. Die Gestaltung des Umgangs obliege der Mutter. Ihr könne nicht vorgeschrieben werden, den weiteren Sohn beim Umgang auszuschließen. Der Vater habe zunächst zu versuchen mit der Mutter beim Jugendamt eine Absprache zu treffen bevor er Verfahrenskostenhilfe in Anspruch nehmen könne. Darauf teilte der Vater mit, dass er es zum Wohle des Kindes für angezeigt halte, den Umgang zu reduzieren.

Mit Beschluss vom 11. Juli 2022 hat das Amtsgericht den Antrag auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe zurückgewiesen. Gegen die Entscheidung wendet sich der Vater mit seiner sofortigen Beschwerde. Mit Schriftsatz vom 22. Juli 2022 ergänzt der Vater, dass es auch das Jugendamt für wünschenswert erachte, dass Joshua ungeteilte Zeit mit seiner Mutter verbringe. Die Mutter ändere auch die Umgangszeiten eigenmächtig ab. Es bedürfe im Interesse Joshuas einer verbindlichen Umgangsregelung.

II. Die gemäß §§ 76 Abs. 2, 127 Abs. 2 bis 4, 567ff ZPO zulässige sofortige Beschwerde des Vaters hat in der Sache keinen Erfolg. Das Amtsgericht hat den Antrag auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe zu Recht abgelehnt.

Gemäß § 114 Abs. 1 ZPO erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht aufbringen kann, auf Antrag Verfahrenskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.

Dem Antrag auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe steht nicht entgegen, dass das Amtsgericht bisher ein Verfahren zur Regelung des Umgangs noch nicht eingeleitet hat. Für die Einleitung ist nicht entscheidend, ob der Vater den Antrag auf Regelung des Umgangs (von der Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe) unbedingt gestellt hat. Denn die Einleitung des von Amts wegen zu führenden Umgangsverfahrens setzt eine Entscheidung des Gerichts voraus. Jedoch kann Verfahrenskostenhilfe auch für ein durchzuführendes Verfahren bewilligt werden (vgl. Dürbeck, FamRZ 2021, 201; a.A. OLG Frankfurt, B. v. 9.10.2020 - 4 WF 158/20, juris Rn. 7, FamRZ 2021, 205).

Die Rechtsverfolgung des Vaters ist jedoch derzeit mutwillig. Mutwillig ist nach der Legaldefinition des § 114 Abs. 2 ZPO die Rechtsverfolgung, wenn eine Partei, die keine Prozesskostenhilfe beansprucht, bei verständiger Würdigung aller Umstände von der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung absehen würde, obwohl eine hinreichende Aussicht auf Erfolg besteht. Wenn in einem Umgangsverfahren ein Elternteil vor Inanspruchnahme des Gerichts keine Beratung oder Vermittlung durch das Jugendamt in Anspruch nimmt, kommt im Einzelfall die Ablehnung von Verfahrenskostenhilfe wegen Mutwilligkeit in Betracht (vgl. OLG Brandenburg, B. v. 7.4.2022 - 13 WF 52/22, juris Rn. 8; OLG Karlsruhe, B. v. 21.1.2019 - 18 WF 5/19, juris Rn. 13, NZFam 2019, 459; OLG Frankfurt, B. v. 27.03.2017 - 2 WF 163/16, juris Rn. 23, NZFam 2017, 628; Bartels in Dutta/Jacoby/Schwab, 4. Auflage 2022, § 76 Rn. 29). Es ist dem Hilfsbedürftigen grundsätzlich zunächst abzuverlangen, dass er die ihm kostenfrei zugänglichen Angebote - insbesondere die Vermittlungsbemühungen des Jugendamtes - zur Erreichung seines Zieles wenigstens versuchsweise wahrnimmt, bevor er gerichtliche Hilfe in Anspruch nimmt. Sind solche Bemühungen dagegen fehlgeschlagen, erkennbar aussichtslos oder verbietet eine besondere Dringlichkeit die Inanspruchnahme außergerichtlicher Hilfe, ist Verfahrenskostenhilfe grundsätzlich zu gewähren (vgl. OLG Brandenburg, B. v. 7.4.2022 - 13 WF 52/22, juri...

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