Leitsatz (amtlich)
Gibt die Vergabestelle in der Angebotsbekanntmachung besondere Kriterien an, so ist sie hieran gebunden.
Die VOB/A gehen neben den Grundkriterien des technischen Wertes und der Wirtschaftlichkeit von besonderen Kriterien aus, zu denen z.B. gestalterische und funktionsbedingte gehören.
Normenkette
GWB §§ 97, 117, 188; VOB/A §§ 10a, 25a
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss der Vergabekammer der Freien und Hansestadt Hamburg – Behörde für Wirtschaft und Arbeit – (702.705–8/10/2) vom 22.11.2002 aufgehoben.
Der Nachprüfungsantrag der Antragstellerin wird zurückgewiesen.
Es wird festgestellt, dass sich der Antrag der Antragsgegnerin auf vorzeitige Gestattung des Zuschlags erledigt hat.
Die Feststellungsanträge der Antragsgegnerin werden zurückgewiesen.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen werden der Antragstellerin auferlegt.
Die Hinzuziehung eines anwaltlichen Bevollmächtigten war für die Antragsgegnerin sowie im Verfahren vor der Vergabekammer als auch im Beschwerdeverfahren notwendig.
Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 76.135 Euro festgesetzt.
Gründe
I. Gegenstand der sofortigen Beschwerde ist der Beschluss der Vergabekammer bei der Behörde für Wirtschaft und Arbeit vom 22.11.2002 über den Antrag, mit dem sich die Antragstellerin gegen die beabsichtigte Nichtberücksichtigung ihres Angebots und damit gegen die beabsichtigte Zuschlagerteilung an einen anderen Anbieter, nämlich die Beigeladene, gewendet hatte.
Die Vergabekammer hat dem Antrag insofern stattgegeben, als sie das Schreiben der Antragsgegnerin vom 27.9.2002, nach dem das Angebot der Antragstellerin nicht berücksichtigt werden sollte, aufgehoben und die Antragsgegnerin verpflichtet hat, die Auswahlentscheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung der Vergabekammer zu wiederholen.
Hinsichtlich des Ablaufs des Vergabeverfahrens, in dem es um die Leistung von Labormöbeln und -technik geht, sowie hinsichtlich des Sach- und Streitstandes im Verfahren vor der Vergabekammer wird auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Beschluss Bezug genommen.
Mit ihrer sofortigen Beschwerde, der sich die Beigeladene angeschlossen hat, verfolgt die Antragsgegnerin das Ziel, den Zuschlag an die Beigeladene zu erteilen. Sie macht im Wesentlichen geltend, dass die Antragstellerin einen Vergabeverstoß nicht rechtzeitig gerügt habe. Außerdem liege ein Vergabeverstoß nicht vor, da sie mangels bekannt gegebener Gewichtung der Zuschlagskriterien allein auf den Preis habe abstellen dürfen. Im Übrigen sei die von ihr anhand einer Wertungsmatrix vorgenommene Gewichtung der in der Ausschreibung genannten Kriterien fehlerfrei erfolgt.
Die Antragsgegnerin beantragt,
1. die Entscheidung der Vergabekammer aufzuheben,
2. festzustellen, dass die Vergabeentscheidung der Antragsgegnerin in dem Vergabeverfahren ZMAW Physikalische Chemie, den Auftrag an die Beigeladene zu erteilen, rechtmäßig ist,
3. festzustellen, dass die Antragstellerin im Rahmen des Vergabeverfahrens ZMAW Physikalische Chemie nicht in ihren Rechten verletzt wurde sowie
4. der Antragsgegnerin vorab zu gestatten, den Zuschlag in dem Vergabeverfahren ZMAW Physikalische Chemie an die Beigeladene zu erteilen,
5. festzustellen, dass die Antragstellerin durch die Vorabgestattung des Zuschlages nicht in ihren Rechten verletzt wird.
Die Antragstellerin beantragt, die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin zurückzuweisen und ihren Antrag auf Vorabentscheidung über den Zuschlag abzuweisen.
Sie verteidigt den angefochtenen Beschluss.
Die Beigeladene, die wie die Antragsgegnerin der Auffassung ist, dass die Antragstellerin mit ihrem Nachprüfungsantrag präkludiert sei und davon abgesehen die von der Antragsgegnerin beabsichtigte Vergabeentscheidung aufgrund des ihr zustehenden Beurteilungsspielraums fehlerfrei sei, schließt sich den Anträgen der Antragsgegnerin zu 1) bis 3) an.
Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf die von ihnen eingereichten Schriftsätze und Anlagen Bezug genommen.
II. 1. In Übereinstimmung mit der Vergabekammer hält der Senat den Nachprüfungsantrag der Antragstellerin für zulässig. Dazu nimmt der Senat zunächst auf die Ausführungen unter II. in dem angefochtenen Beschluss Bezug. Ergänzend ist auf Folgendes hinzuweisen:
Die Vorabinformation der Vergabestelle vom 27.9.2002 nennt als Gründe für die Nichtberücksichtigung den Preis und das Schreiben der Rechtsanwältin D. vom 18.9.2002. In diesem Schreiben werden (ausschließlich) 4 Punkte genannt, aufgrund deren das Angebot der Antragstellerin auszuschließen sei. Dieser Bewertung ist die Antragstellerin bereits in der Besprechung vom 20.9.2002 entgegengetreten, so dass sie insoweit rechtzeitig gerügt hat. Die Antragstellerin hat ihren Nachprüfungsantrag auch auf diesen Verstoß gestützt. Dass die Vergabestelle diesen Gesichtspunkt im Nachprüfungsverfahren anscheinend nicht mehr aufrechterhält, kann die Antragsbefugnis ...