Entscheidungsstichwort (Thema)
Unstatthaftigkeit der Untätigkeitsbeschwerde in Strafvollzugssachen
Leitsatz (amtlich)
Mit dem Inkrafttreten des Gesetzes über den Rechtschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren (§§ 198 bis 201 GVG) am 03.12.2011 ist für das von der Rechtsprechung entwickelte Institut der Untätigkeitsbeschwerde kein Spielraum mehr vorhanden (ebenso OVG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 23.01.2012, 1 O 4/12, zitiert nach juris).
Verfahrensgang
LG Hamburg (Aktenzeichen 609 Vollz 112/08) |
Tenor
Die Beschwerde des Antragstellers betreffend die angebliche Untätigkeit der Großen Strafkammer 9 des Landgerichts Hamburg in Bezug auf den Antrag auf gerichtliche Entscheidung des Beschwerdeführers vom 04.08.08 wird als unzulässig verworfen.
Gründe
Der Beschwerdeführer, ein Sicherungsverwahrter, wendet sich mit seiner Beschwerde vom 06.03.12 gegen die vermeintliche Untätigkeit der Strafvollstreckungskammer bezüglich seines Antrags auf gerichtliche Entscheidung vom 04.08.08 wegen einer Vollzugsplanfortschreibung.
Die Beschwerde ist unstatthaft. Mit dem Inkrafttreten des Gesetzes über den Rechtschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren (§§ 198 bis 201 GVG) am 03.12.11 ist für das von der Rechtsprechung entwickelte Institut der Untätigkeitsbeschwerde kein Spielraum mehr vorhanden (OVG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 23.01.12, 1 O 4/12, zitiert nach juris).
Der Senat hatte das Institut der Untätigkeitsbeschwerde durch Beschluss vom 03.06.02 (3 Vollz (Ws) 46/02) in Anlehnung an eine Entscheidung des Bundesgerichtshofes (BGH, NJW 1993, 1279) im Strafvollzugsrecht zur Schließung einer Rechtsschutzlücke für Fälle begründet, in denen die Untätigkeit des Gerichts praktisch einer endgültigen Ablehnung der begehrten Entscheidung gleichkommt bzw. eine Rechtsverweigerung darstellt. In diesen Fällen sollte die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Untätigkeit präventive Funktion entfalten, indem durch die Feststellung eine beschleunigte Bearbeitung durch das betroffene Gericht erreicht werden sollte (vgl. BVerfG, NJW 2005, 3488, 3489).
Mit dem Gesetz über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren ist die gesetzliche Rechtsschutzlücke geschlossen worden. Dabei erschöpft sich dieses Gesetz nicht in der Regelung von Entschädigungsansprüchen (so offenbar Hessisches Landessozialgericht, Beschluss vom 27.12.11, L 8 KR 326/11 B, Rdnr. 15, zitiert nach juris).
Bereits die gesetzliche Überschrift des siebzehnten Titels des GVG "Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren" macht deutlich, dass hier eine umfassende und abschließende Regelung des Rechtsschutzes erfolgt. (OVG, Mecklenburg-Vorpommern aaO. Rdnr. 4). Entsprechendes ergibt sich auch aus der Entstehungsgeschichte des Gesetzes. So wird in der Begründung ausdrücklich hervorgehoben, dass die von der Rechtsprechung entwickelten Rechtsbehelfskonstruktionen mit diesem Gesetz grundsätzlich hinfällig sind, weil eine abschließende Regelung beabsichtigt ist (BT-Drucks. 17/3802, S. 16).
Die Neuregelung berücksichtigt auch den Präventionsgedanken der bisherigen Untätigkeitsbeschwerde. So kann ein Verfahrensbeteiligter gemäß § 198 Abs. 3 S. 1 GVG nur eine Entschädigung erhalten, wenn er bei dem mit der Sache befassten Gericht die Dauer des Verfahrens zuvor gerügt hat (Verzögerungsrüge). Mit dieser Verzögerungsrüge soll erreicht werden, dass die Gerichte auf entsprechende Rügen mit Abhilfe reagieren können (BT-Drucks. aaO.).
Im Übrigen würde ein Nebeneinander der von der Rechtsprechung entwickelten Untätigkeitsbeschwerde und gesetzlicher Regelung dem gesetzgeberischen und verfassungsrechtlichen Ziel der Rechtsbehelfsklarheit widersprechen (vgl. BT-Drucks. aaO. S. 1, 15 unter Berufung auf BVerfGE 107, 395, 416; 122, 190, 202).
Fundstellen
NStZ 2012, 656 |
VRS 2012, 56 |
OLGSt 2012 |
StraFo 2012, 160 |