Leitsatz (amtlich)
1. Wird gegen eine Unterlassungs-Beschlussverfügung vorgetragen, sie sei mangels Vollziehung aufzuheben, so ist bei fehlender Bezeichnung "Widerspruch" im Anwaltsschriftsatz durch Auslegung zu ermitteln, ob ein Widerspruchsverfahren gem. § 925 ZPO oder das Aufhebungsverfahren gem. §§ 927, 929 ZPO betrieben werden soll. Hierbei kommt es auf die gesamten Einzelfall-Umstände an; die gewählte Parteibezeichnung "Verfügungsbeklagte" kann einen Widerspruch annehmen lassen.
2. Wird die Beschlussverfügung an die Schuldnerin selbst im Parteibetrieb zugestellt, so ist sie wirksam vollzogen, wenn deren Rechtsanwalt sich erst nach dieser Zustellung zum Prozessbevollmächtigten bestellt (§ 172 ZPO). Die Bestellung zum Prozessbevollmächtigung ist eindeutig und zweifelsfrei zu erklären.
Normenkette
ZPO §§ 172, 925, 927, 929
Verfahrensgang
LG Hamburg (Beschluss vom 06.05.2005; Aktenzeichen 315 O 300/05) |
Tenor
Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Erlassverfahrens erster Instanz zu tragen.
Die Antragstellerin hat die Kosten des Widerspruchsverfahrens erster Instanz sowie die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
In Ergänzung der Wertfestsetzung des LG im Beschluss vom 6.5.2005 wird der Streitwert für das Widerspruchsverfahren ebenfalls auf 25.000 EUR festgesetzt.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auch für das Berufungsverfahren zunächst auf 25.000 EUR festgesetzt. Von der Erledigungserklärung an bemisst er sich nach den bis dahin entstandenen Kosten.
Gründe
Nachdem die Parteien im Hinblick auf die Unterlassungsverpflichtungserklärung der Antragsgegnerin vom 21.6.2005 (Anlage AG 4) den Rechtsstreit übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, ist nur noch über die Kosten nach § 91a ZPO zu entscheiden. Billigem Ermessen entspricht es, die Kosten der einzelnen Verfahrensabschnitte auf die Parteien zu verteilen.
I. Die Parteien vertreiben in Deutschland u.a. Effektgeräte (sog. "Pedale") für Musikinstrumente und stehen miteinander im Wettbewerb.
In dem Magazin G & B (April 2005) ließ die Antragsgegnerin für ihr digitales Pedal "DISTORTION..." eine Anzeige veröffentlichen (Anlage ASt 1; ebenso in der Ausgabe Mai 2005: Anlage ASt 6), die die Antragstellerin als wettbewerbswidrig beanstandet. Sie hatte die Antragsgegnerin vorliegend im Wege der einstweiligen Verfügung auf Unterlassung in Anspruch genommen.
Durch Urteil vom 21.9.2005 hatte das LG seine einstweilige Verfügung vom 6.5.2005 bestätigt, mit der der Antragsgegnerin unter Androhung von bestimmten Ordnungsmitteln verboten worden ist, im geschäftlichen Verkehr (wie z.B. in der Anzeige G & B Ausgabe 04/2005 - Anlage ASt 1 - und Ausgabe 05/2005 - Anlage ASt 6 - geschehen) das Gerät "Distortion. " der Antragsgegnerin mit den Aussagen
"Model 3 - W-xxx-1: Das Modell des W-xxx-1 Pedals hebt den Ton der Gitarre hervor, während es die Nuancen der Artikulation bestehen lässt";
"Modell 5 - W-xxx Metal Zone: Dieses Setting fügt dem Gitarrensignal Sustain zu und verstärkt die Bässe und Mitten wie ein Fullstack es tun würde",
die durch zeichnerisch lineare Verbindung mit den jeweiligen Reglerstufen 3 und 5 des Effektgerätes "Distortion." verbunden werden, zu bewerben.
Gegen dieses Urteil hatte sich die Antragsgegnerin mit der form- und fristgerecht eingelegten und begründeten Berufung gewandt. Auf den Hinweis des Senats haben die Parteien den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt.
Über die wechselseitig gestellten Kostenanträge der Parteien ist - wie vom Senat angekündigt - schriftlich zu entscheiden.
II. Das LG hat, wie das angefochtene Urteil ergibt, auf den Widerspruch der Antragsgegnerin gegen die Beschlussverfügung entschieden. Es war im Ergebnis sachgerecht, den Schriftsatz der Antragsgegnerin vom 13.7.2005 als Widerspruch anzusehen, obwohl weder dort noch in den nachfolgenden erstinstanzlichen Schriftsätzen der Parteien die Bezeichnung "Widerspruch" verwendet wird.
Im Schriftsatz vom 13.7.2005 wird gegen die Beschlussverfügung nur der Gesichtspunkt des § 929 ZPO vorgetragen. Dieser Einwand - andere sind schriftsätzlich in erster Instanz nicht erhoben worden - kann in gleicher Weise im Widerspruchsverfahren (§ 925 ZPO) wie in einem Aufhebungsverfahren (§§ 927, 929 ZPO) geltend gemacht werden. Die Antragsgegnerin hat sich selbst im Schriftsatz vom 13.7.2005 als "Verfügungsbeklagte" und nicht etwa als "Aufhebungsklägerin" bezeichnet. Beide Parteien haben in erster Instanz keine Formulierungen gewählt, aus denen sicher herleitbar gewesen wäre, es solle entgegen der wettbewerbsprozessrechtlichen Praxis kein Widerspruchsverfahren sein, sondern ein Aufhebungsverfahren, das eher ein Sonderfall ist. Das spricht insgesamt eher für einen Widerspruch, wie das LG - nach der Aktenlage aber ohne Erörterung mit den Parteien - angenommen hat.
Dass das LG zu Recht von einem Widerspruch ausgegangen ist, ergibt sich aus dem Verhalten der Parteien in der Berufungsinstanz. Sie haben sich die Annahme des LG ohne Einschränkung oder Vorbehalt zu Eigen gemacht. Demgemäß...