Leitsatz (amtlich)
1.
Mit der Einführung des Hamburgischen Strafvollzugsgesetzes am 01.01.2008 liegt der Zulassungsgrund der Einheitlichkeit der Rechtsprechung nach § 116 Abs. 1 StVollzG des Bundes nur noch bei divergierenden Entscheidungen im Anwendungsbereich dieses Gesetzes vor. Der Gesetzgeber hat sich mit der Verlagerung der Gesetzgebungskompetenz auf die Bundesländer bewusst für die Möglichkeit der unterschiedlichen gesetzlichen Ausgestaltung des Strafvollzuges in den einzelnen Bundesländern entschieden. Daraus folgt notwendiger Weise auch eine unterschiedliche Ausgestaltung der Rechtsprechung.
2.
Es ist nicht zu beanstanden, dass eine JVA der höchsten Sicherheitsstufe den Bezug und Besitz von DVDs davon abhängig macht, dass diese durch die Freiwillige Selbstkontrolle der Filmwirtschaft (FSK) gekennzeichnet sind.
3.
Die Kennzeichnung FSK 18 (seit 2003 "keine Jugendfreigabe") ist kein geeignetes Kriterium, um eine Gefährdung der Sicherheit und Ordnung in der Anstalt nach § 56 Abs. 2 HmbStVollzG (§ 70 Abs. 2 StVollzG des Bundes) anzunehmen (gegen OLG Celle, Beschluss vom 09.05.2006 - 1 Ws 157/06 [StrVollz] und Schleswig-Holsteinisches OLG, Beschluss vom 25.01.08 - 2 Vollz Ws 533/07).
Verfahrensgang
LG Hamburg (Entscheidung vom 15.04.2008; Aktenzeichen 609 Vollz 51/07) |
Tenor
1.
Auf die Rechtsbeschwerde der Beschwerdeführerin wird der Beschluss des Landgerichts Hamburg - Große Strafkammer 9 als Strafvollstreckungskammer - vom 15.04.08 dahingehend abgeändert, dass die Justizvollzugsanstalt Fuhlsbüttel, Haus II, verpflichtet wird, den Antragsteller und Beschwerdegegner unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats neu zu bescheiden. Die weitergehende Rechtsbeschwerde wird verworfen.
2.
Die Staatskasse trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens (§ 121 StVollzG). Der Gegenstandswert wird auf 300,- EUR festgesetzt (§§ 52 Abs. 1, 60 GKG).
3.
Die Festsetzung des Gegenstandswerts im angefochtenen Beschluss des Landgerichts Hamburg wird ebenfalls auf 300,- EUR festgesetzt (§§ 52, 60, 63 Abs. 3 S.1 GKG).
Gründe
I.
Die Parteien streiten darüber, ob der Beschwerdegegner DVDs mit Filmen erotisch-pornographischen Inhalts über einen von der JVA Fuhlsbüttel anerkannten Versandhandel beziehen darf, die durch die Freiwillige Selbstkontrolle der Filmwirtschaft GmbH (FSK) mit der Klassifizierung "Freigegeben ab achtzehn Jahren" (FSK 18) versehen sind.
Der Beschwerdegegner verbüßt in der JVA Fuhlsbüttel eine langjährige Haftstrafe wegen Betruges. Er gehört innerhalb des von der JVA praktizierten Stufenvollzuges der höchsten Kategorie, der sog. Bewährungsgruppe an. In den letzten Jahren bezog er ca. 100 DVDs über den Versandhandel. Derzeit hat er 43 DVDs mit erotisch-pornographischem Inhalt der Kategorie FSK 18 in Besitz.
Nachdem die JVA den Antrag des Beschwerdegegners auf Bezug von 10 weiteren DVDs von der Fa. H. zunächst negativ beschieden hatte, änderte sie ihren ablehnenden Widerspruchsbescheid dahingehend ab, dass der Beschwerdegegner zwar DVDs von diesem Versandhändler beziehen dürfe, diese DVDs aber über eine Kennzeichnung der FSK verfügen müssten, die nicht über die Klassifizierung "Freigegeben ab sechzehn Jahren" (FSK 16) hinausgehen dürften. Filme der Kategorie "Freigegeben ab achtzehn Jahren" (FSK 18) stellten eine Gefahr für die Sicherheit der Anstalt dar, da infolge des Konsums Übergriffe auf andere Insassen zu befürchten seien. Durch die Gewalt verherrlichenden, teilweise erniedrigenden und porographischen Darstellungen könnten Insassen leicht dazu animiert werden, solche Handlungen auch in der Realität durchzuführen, um ihrem Sexualtrieb nachzukommen und diesen auszuleben. Es sei zu erwarten, dass solche DVDs an besonders anfällige Gefangene als beliebte Tauschobjekte gelangten.
Gegen diesen Bescheid wendete sich der Beschwerdegegner mit seinem Antrag auf gerichtliche Entscheidung, in dem er sich - von der JVA unwidersprochen - darauf berief, dass nicht nur er bereits seit Jahren unbeanstandet DVDs der Kategorie FSK 18 bezogen habe, sondern dass deren Besitz in der gesamten JVA verbreitet sei.
Mit der angefochtenen Entscheidung hob das Landgericht den Widerspruchsbescheid auf und verpflichtete die JVA, den Beschwerdegegner unter Beachtung der Rechtsauffassung der Kammer erneut zu bescheiden. Zur Begründung führte die Kammer aus, dass die JVA ihr Ermessen fehlerhaft ausgeübt habe. Es sei zwar zutreffend, dass Filme der Klassifizierung FSK 18 eine Gefahr für die Sicherheit der Anstalt begründen könnten. Vorliegend habe die Anstalt aber darzulegen, dass eine solche Gefahr tatsächlich bestünde. Im Übrigen habe die JVA mildere Mittel als den kompletten Ausschluss dieser Filme zu erwägen.
Gegen diese Entscheidung wendet sich die Beschwerdeführerin mit ihrer Rechtsbeschwerde. Die Entscheidung des Landgerichts Hamburg weiche von Entscheidungen des Schleswig-Holsteinischen OLG (Beschluss vom 25.01.08 - 2 Vollz Ws 533/07) und des OLG Celle (Beschluss vom 09.05.2006 - 1 Ws 157/06 (StrVollz)) ab. Nach diesen Entscheidungen dürften ...