Leitsatz (amtlich)

1. Wird nach Rechtshängigkeit der Verletzungsklage aus einer Gemeinschaftsmarke ein Löschungsantrag beim HABM gestellt, kann das Gemeinschaftsmarkengericht wegen der in Art. 97 Abs. 3 GMV ausdrücklich vorbehaltenen ergänzenden Anwendung nationaler Verfahrensregelungen das Verfahren gem. § 148 ZPO aussetzen.

2. Bei der Prüfung einer gegen die Aussetzung gerichteten Beschwerde prüft das Rechtsmittelgericht lediglich, ob der Beschluss des erstinstanzlichen Gerichts auf Verfahrensfehlern beruht oder die Grenzen des Ermessens, das § 148 ZPO einräumt, verkannt hat. Dabei ist es ihm verwehrt, sein Ermessen an die Stelle des Ermessens des erstinstanzlichen Gerichts zu setzen.

3. Bei der Aussetzung des Verletzungsverfahrens ist zu prüfen, ob dem Löschungsantrag überwiegende Aussicht auf Erfolg zukommt. Erforderlich für eine Aussetzung nach § 148 ZPO ist eine hinreichende Wahrscheinlichkeit, dass das HABM der Klagmarke wegen Bestehens eines Eintragungshindernisses die Schutzfähigkeit absprechen wird.

 

Normenkette

GMV Art. 97 Abs. 3; ZPO § 148

 

Verfahrensgang

LG Hamburg (Aktenzeichen 406 0 23/01)

 

Tenor

Die Beschwerde der Klägerin vom 9.9.2002 gegen den Beschluss des LG Hamburg – Kammer 6 für Handelssachen – vom 5.10.2001 (Geschäfts-Nr.: 406 O 23/01) wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten der Beschwerde.

Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird auf 100.000 festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Klägerin wendet sich mit ihrer Beschwerde gegen einen nach § 148 ZPO ergangenen Aussetzungsbeschluss.

1. Die Klägerin ist Inhaberin der Europäischen Gemeinschaftsmarke TAE BO (Registriernummer 001 126 432), angemeldet am 1.4.1999 und eingetragen am 1.8.2000 (vgl. Anlage K 1). Die Marke nimmt die Priorität einer entsprechenden US-Marke vom 14.10.1998 in Anspruch. Die Marke ist eingetragen für Ton- und Video-Bänder, Athletiktaschen und Zubehör, Bekleidung sowie Unterricht- und Ausbildung in Bezug auf Aerobic und Kampfsportarten, motivierende Bildung. Die Klägerin hat gegen die Beklagten im Februar 2001 aus dieser Marke unter anderem Ansprüche auf Unterlassung der Nutzung der Bezeichnungen TAE BO bzw. EUROPEAN TAE BO und Löschung der für die Beklagten eingetragenen – zwischenzeitlich gelöschten – deutschen Marken (Wort- sowie Wort-/Bildmarke TAE BO sowie EurOPEAN TAE BO) gerichtlich geltend gemacht. Mit Schriftsatz vom 9.7.2001 haben die Beklagten die Aussetzung des Verfahrens gem. § 148 ZPO beantragt. Zuvor hatten sie beim Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (HABM) einen Antrag auf Löschung der Gemeinschaftsmarke der Klägerin gestellt mit der Begründung, es handele sich bei der Bezeichnung TAE BO um einen reinen Gattungsbegriff für eine Sportart; dieser sei nicht markenrechtlich schutzfähig (vgl. Anlage B 21). Die Klägerin ist dem entgegengetreten. Sie vertritt überdies die Auffassung, dass § 148 ZPO neben den Regelungen der Gemeinschaftsmarkenverordnung (GMV) schon nicht anwendbar sei. In der GMV werde nämlich eine abschließende Regelung getroffen, so dass auf nationale Verfahrensvorschriften nicht zurückgegriffen werden könne. Ein Aussetzungsgrund nach der GMV liege nicht vor.

2. Entsprechend seiner mit Hinweisbeschluss vom 1.8.2001 vorab mitgeteilten Rechtsauffassung hat das LG Hamburg mit Beschluss vom 5.10.2001 die Aussetzung des Rechtsstreits angeordnet und zur Begründung ausgeführt, nach Art. 97 Abs. 3 GMV sei die ergänzende Anwendung von nationalen Verfahrensvorschriften ausdrücklich zugelassen. Nach dem Vortrag der Beklagten bestehe die Möglichkeit, dass der Begriff TAE BO schon zum Prioritätszeitpunkt der US-Marke als Bezeichnung für eine Sportart benutzt worden sei und der markenrechtliche Schutz der Bezeichnung deswegen voraussichtlich nicht auf rechterhalten werden können. Dagegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Beschwerde vom 9.9.2002 und führt ergänzend aus, dass die Schutzfähigkeit der Bezeichnung TAE BO gegeben sei, so dass eine Löschung der Marke durch das HABM nicht zu erwarten sei.

II. Die Beschwerde ist zulässig, führt in der Sache jedoch nicht zum Erfolg.

1. Die Beschwerde ist zulässig. Nach § 26 Nr. 10 EGZPO finden die Vorschriften der ZPO in ihrer bis zum 31.12.2001 geltenden Fassung Anwendung, so dass die unbefristete Beschwerde gemäss §§ 252, 567 ff. ZPO a.F. statthaft ist. Dem steht auch nicht entgegen, dass die Klägerin den Beschluss des LG erst nahezu 11 Monate nach dessen Zustellung angegriffen hat. Denn für eine Verwirkung des Rechts, Beschwerde einzulegen, ist erforderlich, dass neben der verzögerten Einlegung des Rechtsbehelfs weiter gehende Umstände vorliegen, die die späte Erhebung der Beschwerde als gegen Treu und Glauben verstoßend erscheinen lassen (Zöller, ZPO, 22. Aufl., § 567 Rz. 10). Solche Umstände sind vorliegend nicht ersichtlich. Die Klägerin hat die Beklagten zu 1) und 2) im Gegenteil noch im Jahr 2002 im Wege einstweiliger Verfügungen aus der streitgegenständlichen Marke in Anspruch genommen (vgl. Anlagenkonvolut K 25), so dass diese auch vor diesem Hintergrund nicht ...

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