Leitsatz (amtlich)
Der Anfechtungsausschluss in § 147 Abs. 4 S. 2 StPO umfasst nicht nur die Anfechtung gerichtlicher Entscheidungen über die Art und Weise der Einsichtsgewährung in Beweisstücke und sonstige Aktenteile nach § 147 Abs. 4 S. 1 StPO durch Beschuldigte, sondern gleichermaßen die Anfechtung solcher Entscheidungen durch die Staatsanwaltschaft, so dass die Beschwerde einer Staatsanwaltschaft etwa gegen die Anordnung eines Strafkammervorsitzenden, Datenträger mit Kopien von Audiodateien mit abgehörten Telefongesprächen an den Verteidiger eines Angeklagten auf dessen Antrag zur Mitnahme in seine Geschäfts- oder Wohnräume herauszugeben, nicht statthaft ist (gegen OLG Celle, Beschluss vom 24. Juli 2015, Az. 2 Ws 116/15).
Normenkette
StPO § 147 Abs. 4 S. 2
Verfahrensgang
LG Hamburg (Entscheidung vom 06.05.2016) |
Tenor
Die Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen die Anordnung des Vorsitzenden der Großen Strafkammer .. vom 6. Mai 2016, dem Verteidiger des Angeklagten, Rechtsanwalt ..., Kopien der Audiodateien der in den Sonderbänden I und III zusammenfassend verschriftlichen Telefongespräche zur Mitnahme auszuhändigen, wird verworfen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die dem Angeklagten in diesem entstandenen notwendigen Auslagen hat die Staatskasse zu tragen.
Gründe
I.
Gegen den Angeklagten und mehrere Mitangeklagte ist ab Mitte 2015 ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren wegen unerlaubten Herstellens von Betäubungsmitteln und weiterer Delikte geführt worden, in dessen Rahmen die Telekommunikation unter anderem des Angeklagten überwacht und aufgezeichnet worden ist.
Unter dem 22. Februar 2016 ist gegen den Angeklagten und vier Mitangeklagte Anklage zur Großen Strafkammer des Landgerichts Hamburg erhoben worden. Ein zunächst gesondert geführtes Verfahren gegen einen weiteren Mitangeklagten ist inzwischen zu diesem Verfahren hinzu verbunden worden. Durch Beschluss vom 20. April 2016 hat die Große Strafkammer .., bei der die Sache anhängig geworden ist, die Anklage mit Abweichungen zur Hauptverhandlung zugelassen und das Hauptverfahren insoweit eröffnet. Am 26. April 2016 hat der Kammervorsitzende die Hauptverhandlung für die Zeit ab dem 26. Mai 2016 anberaumt.
Der Verteidiger des Angeklagten hat im Dezember 2015 Einsicht in eine Kopieakte und im März 2016 Akteneinsicht durch Übersendung einer so genannten E-Akte sowie eines am 17.März 2016 zurück gegebenen Sonderbandes "DNA" erhalten. Am 27. April 2016 ist ihm eine aktualisierte "E-Akte" zugesandt worden. Audiodateien von aufgezeichneten Telefongesprächen befanden sich noch nicht bei den Akten, die insoweit lediglich in zwei Sonderbänden, den Sonderbänden I und III, schriftliche Zusammenfassungen ausgewählter Gespräche enthielten.
Am 22. April 2016 hat der Verteidiger beantragt, ihm zum Zwecke der Überprüfung der Verschriftlichungen der Telefongespräche die betreffenden Audiodateien bzw. Kopien dieser Dateien zur Verfügung zu stellen.
Der Kammervorsitzende hat darauf am 27. April 2016 das Landeskriminalamt um Übermittlung der bisher weder im Original noch in Kopien bei den Akten befindlichen Audiodateien der Telefongespräche in einem für die "IT-Abteilung" des Landgerichts "praktikablen Format (mp-3)" gebeten. Am 29. April 2016 hat der Kammervorsitzende angeordnet, dass dem Verteidiger des Angeklagten die Möglichkeit eingeräumt wird, "sämtliche aufgezeichneten Gespräche, die in den Sonderbänden I (Relevante TKÜ-Protokolle) und III (TKÜ 07. 11.15) zusammengefasst sind, als Audio-Dateien anzuhören". Dazu hat er ergänzend ausgeführt: "Die Anhörmöglichkeit wird - nach freier Raumkapazität - in den Räumen des Landgerichts Hamburg (Strafjustizgebäude) bestehen; nähere Vereinbarung von Zeit und Ort erfolgt über die IuK-Abtei-lung des Landgerichts (Tel.: ..., Herr ...). Zur Durchführung dieser Anordnung sind die genannten Audiodateien umgehend vom LKA Hamburg an die IuK-Abteilung des Landgerichts zu übermitteln".
Dagegen hat der Verteidiger eingewandt, er sehe sich gegenwärtig nicht in der Lage, mit dem Angeklagten - der sich lediglich vom 19. November 2015 bis zum 15. April 2016 in Polizei- und Untersuchungshaft befunden hat - die Audiodateien im Gericht, "offenbar auch noch in wechselnden Räumen, abzuhören"; er wolle die Gespräche in den "eigenen Kanzleiräumen und abgeschirmt anhören und diese ggf. auch mit dem Mandanten erörtern". Zugleich hat er beantragt, von den Audiodateien Kopien zu machen und ihm diese zur Einsicht oder zum Verbleib zu überlassen.
Der Kammervorsitzende hat sodann am 6. Mai 2016 seine Anordnung vom 29. April 2016 dahin abgeändert, dass dem Verteidiger Kopien der Audiodateien von sämtlichen Telefongesprächen, die in den Sonderbänden I und III zusammenfassend verschriftlicht sind, auf einem Datenträger auszuhändigen sind.
Dagegen hat die Staatsanwaltschaft am 11. Mai 2016 Beschwerde eingelegt, welcher der Kammervorsitzende nicht abgeholfen hat. Die Generalstaatsanwaltschaft hat unter dem 17. Mai 2016 beantragt, die Anordnung des Kammervorsitz...